Helmut E. Becker (Hrsg.): Das Sozialwirtschaftliche Sechseck
Rezensiert von Angela Scheibe-Jaeger, 12.11.2002
Helmut E. Becker (Hrsg.): Das Sozialwirtschaftliche Sechseck. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2002. 268 Seiten. ISBN 978-3-7841-1407-1. 17,00 EUR.
Einführung
Die besondere Komplexität sozialwirtschaftlichen Handelns verlangt den Entscheidungsträgern auch besondere Kompetenzen ab. Ganz besonders wirtschaftliches Verständnis wird zunehmend gefordert, wenn die soziale Dienstleistung-Organisation überleben will.
Hintergrund
Das Thema Ökonomisierung der Sozialen Arbeit durch den Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden in der Sozialwirtschaft wird in letzter Zeit intensiv diskutiert. Das Meinungsspektrum geht dabei von der vielbeschworenen bzw. –gefürchteten BWL-isierung bis zur Notwendigkeit, die betriebswirtschaftliche Ausrichtung einer Einrichtung professioneller zu gestalten.
Aufbau und Gliederung
Im ersten Kapitel werden vom Herausgeber die Grundzüge des von ihm entwickelten sozialwirtschaftlichen Sechseckes dargestellt. Diese "Ecken" werden von unterschiedlichen Autoren in den sechs nachfolgenden Kapiteln ausführlich erläutert, was m.E. große Vorteile für den Transport der Idee des Buches hat. Denn die Notwendigkeit wirtschaftlichen Verhaltens der in der Sozialwirtschaft Tätigen wird sechsfach wiederholt und kann sich dadurch auch bei den eher kritisch eingestellten Lesern besser einprägen. Ein Abschlusskapitel des Herausgebers stellt die Ganzheitlichkeit des Ansatzes heraus.
Inhalte
Becker:Kapitel 1: Das Modell des sozialwirtschaftlichen Sechseckes umfasst mit der Sachzielorientierung, der wirtschaftlichen Orientierung, der Kundenorientierung, der rechtlichen Orientierung, der Mitarbeiterorientierung und der ethischen Orientierung die für eine ganzheitliche Soziale Arbeit wichtigen Grundsätze und Prinzipien. Von zentraler Bedeutung sind für den Autor die wirtschaftliche Orientierung als der zentrale Gegenstandsbereich der Sozialwirtschaft, wobei aber auch der ethischen Orientierung ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. In diesem ersten Kapitel, den Grundzügen des sozialwirtschaftlichen Sechseckes, erfolgt eine kritische Durchleuchtung des Sozialmarktes durch den Herausgeber mit einer umfassenden Darstellung der sechs Orientierungspunkte. In jedem der anschließenden Kapitel vertieft ein anderer Autor eines der sechs Eckthemen.
Grunewald geht im zweiten Kapitel auf die Sachzielorientierung ein und veranschaulicht etwas weitschweifig diese anhand des Konzeptes einer Lebensweltorientierten Sozialen Arbeit. Interessant, doch nicht mehr ganz neu. Hauser stellt in Kapitel 3 das sehr spezielle Thema der (strategischen) Investitionsentscheidungen in den Mittelpunkt der wirtschaftlichen Orientierung. Im vierten Kapitel widmet sich Haas der großen Bedeutung der ethischen Orientierung und zeigt die Schwierigkeiten auf, mit denen die sozialarbeiterische Praxis bei deren Umsetzung zu kämpfen hat. Im nächsten Kapitel (5) erläutert Sommer mit (zu) vielen Grundbegriffen das sozialpädagogische Denken und Handeln generell. Weiter geht er auf die Zielkonflikte der Orientierungspunkte ein und stellt Orientierungshilfen vor. Die angekündigte Nähe zur Kundenorientierung lässt sich allerdings nur schwer erkennen. In Kapitel sechs befasst sich Mantel mit der Mitarbeiterorientierung. Dabei geht es um Anforderungsmerkmale und Persönlichkeitsstrukturen der Mitarbeiter, um Bezüge, Abläufe und Prozesse im täglichen Arbeitsleben. Mit der Darstellung der rechtlichen Orientierung mit der Darstellung von Methodik, Grundsätzen und Prinzipien des Juristen Berg (Kapitel 7) wird das Sechseck vollendet.
Die Ganzheitlichkeit des Modells als Ergebnis sozialwirtschaftlicher Orientierung stellt der Herausgeber im letzten Kapitel dar und zeigt dabei besonders die Auswirkungen auf die Aufbau- und Ablauforganisation sozialwirtschaftlicher Dienstleistungsunternehmen auf.
Zielgruppen
Das Buch bringt wichtige Erkenntnisse für bereits im Arbeitsleben stehende sozialen Dienstleister. Besonders empfehlenswert finde ich die Lektüre aber auch für Studierende des Fachbereiches Sozialwesen oder angehende Sozialwirte.
Einschätzung der Autoren/Lesbarkeit
Eine sehr interessante Rundschau der wichtigsten Grundlagen für die praktische Sozialarbeit, dargestellt in überwiegend anschaulicher Sprache, mit ausführlichen Erörterungen und aufschlussreichen Beispielen aus der Praxis, gut strukturiert anhand der "sechs Ecken".
Es fehlen mir allerdings auf dem Umschlag Hinweise auf die Inhalte des Buches wie z.B. ein erklärender Untertitel oder Klappentext bzw. Erläuterungen auf der Rückseite oder Angaben zur Zielgruppe. Auch vermisste ich ein Stichwortverzeichnis.
Nützlichkeit des Buches
Das Buch will (und kann und muss!) eingefahrene Denkstrukturen aufbrechen, der Leser wird gebeten, sich auf das Wagnis der Übertragung der wirtschaftswissenschaftlichen Denkweise auf die Soziale Arbeit einzulassen. Wer in der Sozialwirtschaft erfolgreich werden oder bleiben will, sollte dieses Buch unbedingt lesen, es lohnt sich auf alle Fälle. Auch für Studierende (im höheren Semester) eignet sich die Lektüre, das Thema sollte Einzug in alle sozialpädagogischen Lehrpläne halten. Nur dadurch kann sich eine Grundeinstellung für die Notwendigkeit von Effektivität und Effizienz am späteren Arbeitsplatz entwickeln.
Fazit
Ökonomisches Denken darf nicht länger als ein Fremdkörper in der Sozialen Arbeit angesehen werden. Wie mit dem Modell der sechs Orientierungseckpunkte beschrieben, bedarf es neben der ethischen und theoretisch verorteten sozialpädagogischen Professionalität eben auch betriebswirtschaftlicher Kenntnisse in der Sozialen Arbeit. Dazu verhilft die Lektüre des sozialwirtschaftlichen Sechseckes sehr wohl. Und sie macht Lust auf Umsetzung in der Praxis.
Wichtig ist der Aspekt, dass die Ganzheitlichkeit dieses sozialwirtschaftlichen Modells das interdisziplinären Denken und Handelns in der Ausbildung wie in der täglichen Praxis des Sozialmanagements fördert. Wichtig sind auch die Anregungen des Herausgebers, in der Sozialen Arbeit und den Verwaltungen keine Gegensätze mehr zu sehen, sondern in der "Brust des Sozialwirts" eine Koordination stattfinden zu lassen. Hoffentlich nicht nur dort, das wünscht sich die Rezensentin!
Rezension von
Angela Scheibe-Jaeger
Als Diplom-Volkswirtin und Diplom-Sozialpädagogin freiberuflich in der Weiterbildung, als Sachbuchautorin (Fundraising, Existenzgründung, Sozialökonomie, Sozialmarketing) sowie als Fundraising-Beraterin in München tätig.
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Es gibt 21 Rezensionen von Angela Scheibe-Jaeger.
Zitiervorschlag
Angela Scheibe-Jaeger. Rezension vom 12.11.2002 zu:
Helmut E. Becker (Hrsg.): Das Sozialwirtschaftliche Sechseck. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb
(Freiburg) 2002.
ISBN 978-3-7841-1407-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/563.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.
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