Wolfgang Nieke: Interkulturelle Erziehung und Bildung
Rezensiert von Prof. Dr. Gazi Caglar, 23.10.2008

Wolfgang Nieke: Interkulturelle Erziehung und Bildung. Wertorientierungen im Alltag.
VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2008.
3., aktualisierte Auflage.
277 Seiten.
ISBN 978-3-531-15566-1.
29,90 EUR.
Reihe: Schule und Gesellschaft - Band 4.
Thema und Hintergrund
Die dritte Auflage beginnt im Vorwort mit der Feststellung, dass sich der Diskurs "über eine dauerhafte und grundsätzlich wünschenswerte multikulturelle Gesellschaft" seit dem Erscheinen der zweiten Auflage im Jahr 2000 "grundlegend verändert" hat. "Seither stehen alle Muslime in der westlichen Welt unter einem – zwar unbegründeten, aber offenbar von vielen heimlich unterstützten – Generalverdacht, mit Gewalt ihre Vorstellung von einem Gottesstaat auch im Westen durchsetzen zu wollen (S. 9). Der Autor konstatiert durchaus richtig, dass seither die politischen Eliten auf eine verstärkte Strategie des Neo-Assimilationismus setzen, die von den Zuwanderern nicht nur eine Loyalität zum Staatssystem fordert, sondern eine Anpassung an die "zentralen Grundüberzeugungen der Mehrheitskultur" intendiert. Diesen aktuellen Diskurs aufnehmend und analysierend gelingt es dem Autor, die historische Entwicklung von Konzepten zur interkulturellen Erziehung und Bildung nachzuzeichnen und theoretisch begründete Anleitungen für einen vernünftigen Umgang mit kulturbedingten Konflikten zu entwickeln.
Autor
Der Autor lehrt Allgemeine Pädagogik an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock.
Aufbau und Inhalt
Der Band ist neben der Einleitung in drei Blöcke untergliedert, wobei der zweite Block zu den Konzepten Interkultureller Erziehung und Bildung im Umfang straffer ausfällt. Hier unterscheidet der Autor sechs Phasen von "Ausländerpädagogik" und "interkultureller Erziehung" in Deutschland, wobei jeweils die Bezüge zur internationalen Debatte und Übernahmen aus dem internationalen, vor allem anglo-amerikanischen Diskurs deutlich werden. In dem darauf folgenden großen Schwerpunkt werden in Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturkonzepten theoretische Fundierungen von interkultureller Erziehung und Bildung vorgenommen. "Wertekonflikte" ist die Überschrift eines weiteren großen Kapitels, in dem Universalismus und Kulturrelativismus sowie Ethnozentrismus und Eurozentrismus ausführlich behandelt und für einen "vernünftigen Umgang mit kulturbedingten Konflikten" plädiert wird.
Durchgängig kennzeichnet das Buch eine enorme Fülle und Kenntnis sozialpsychologischer, pädagogischer, philosophischer und soziologischer sowie politikwissenschaftlicher Theoriebildung. Insbesondere die diskurstheoretischen Überlegungen führen zu einem durchdachten Vorschlag zum vernünftigen Umgang mit unvermeidlichen kulturbedingten Konflikten, ohne den Fallstricken kulturrelativistischer oder universalistischer Positionen zu erliegen, indem diese vereinseitigend verabsolutiert werden.
Fazit
Dieses Buch bietet auf einer theoretischen interdisziplinären Grundlage einen Einblick in die Problemstellungen und Konzepte der interkulturellen Erziehung und Bildung, auf den nicht verzichtet werden sollte. Wärmstens empfohlen ist es vor allem den Bildungsvermittlern, aber auch den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.
Rezension von
Prof. Dr. Gazi Caglar
Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK Hildesheim / Holzminden / Göttingen
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