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Peter Schaar: Das Ende der Privatsphäre (Überwachungsgesellschaft)

Rezensiert von Monika Pietsch, 18.03.2009

Cover Peter Schaar: Das Ende der Privatsphäre (Überwachungsgesellschaft) ISBN 978-3-570-00993-2

Peter Schaar: Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft. C. Bertelsmann (München) 2007. 254 Seiten. ISBN 978-3-570-00993-2. D: 14,95 EUR, A: 15,40 EUR, CH: 26,90 sFr.

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Thema

Schaar gibt einen Überblick über die Entwicklungen der Überwachungsmedien und analysiert kritisch die Datensammelwut. Die Speicherung von Fingerabdrücken, die Antiterrordatei, die lückenlose Videoüberwachung, Online- Durchsuchungen, lebenslange Steueridentifizierungsnummern und vieles mehr sind Stichworte der aktuellen Datenschutzdebatte.

Autor

Peter Schaar ist Dipl. Volkswirt und seit 20 Jahren in verschiedenen Bereichen des Datenschutzes tätig. Seit 2003 ist er Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit.

Zielsetzung

Schaar will einen Beitrag zur aktuellen Datenschutzdebatte leisten und durch das vorliegende Buch die Informationen über den Schutz der Privatsphäre jedermann zugänglich machen.

Aufbau …

  1. Die verlorene Privatsphäre
  2. Technologie und Datenschutz
  3. Big Brother? Der Bürger im Blickfeld des Staates
  4. Ungehobene Schätze: Daten als Wirtschaftsfaktor
  5. Ist die Privatsphäre noch zu retten?

Anhang mit Anmerkungen und Stichwortregister

… und Inhalte

Kapitel 1 beschäftigt sich mit dem Alltag der Überwachung und Bereitstellung von Daten über Privatpersonen: Tanken, Einkaufen, Handyortung, digitale Werbesendungen, Suchmaschinenspeicherung etc. In einem Exkurs beschreibt Schaar die Entwicklung der Privatsphäre. 1890 beginnt die Entwicklung privater Rechte (The Rights to Privacy, Aufsatz von Warren/Brandeis), 1972 wird in Deutschland das 1. Datenschutzgesetz der Welt eingeführt. Das Recht auf Datenschutz wird allerdings nicht ins Grundgesetz aufgenommen. Schaar appelliert an einen bewussten Umgang mit der Datenflut und deren Verknüpfungen.
Kapitel 2 zeigt die Entwicklung von Technologie und Datenschutz seit der Industrialisierung. Die Notwendigkeit Daten zu erfassen wurde durch den anonymen Handel mit Gütern notwendig. Die Nutzung der Technologien war vor allem in der Meteorologie und im Militär vorgesehen. Mit dem „Persönlichen Computer“ (PC) konnten die Vorteile der Datenerfassung und Datenverarbeitung auch von kleinen Unternehmen und Privatpersonen genutzt werden. Mittlerweile gibt es eine Vernetzung von Daten in Büro und Firma weltweit per Internet. Es entwickelte sich 1969 aus dem militärischen ARPA- Net (Advanced Research Project Agency), dass die Kommunikation von Netzwerken trotz Kriegsschäden sicherstellen sollte. Schaar stellt fest, dass die Nutzung des PCs nicht gleichmäßig mit den Kenntnisse über die Risiken gewachsen ist. Beispiele:

  • Von Funkchips, z.B. an Schuhen von Marathonläufern oder Produkten (Medikamenten, Tickets…) können mit Lesegeräten permanent Informationen erhoben werden. Ein gesetzlicher Schutz wird momentan von den Unternehmen abgelehnt, sie pochen auf eine Selbstverpflichtung.
  • Ortungsgeräte (heute auch kombiniert in Mobiltelefonen) ermöglichen es, Menschen genau zu überwachen. Die Vorteile sind Unfallschutz und Notruf, die Nachteile Überwachung ohne Kenntnis der Betroffenen.
  • Fotofahndung mittels Fotoerkennung in Verbindung von biometrischen Daten auf Ausweisen werden mit Videoaufzeichnungen in den Städten verglichen. (Noch ist die Fehlerquelle für eine zweifelsfreie Überprüfung zu groß.)
  • Die Personaldaten in Arztpraxen, Rezepte und Verordnungen werden per Computer verarbeitet. Durch eine dauerhafte Internetverbindung sind die Daten häufig nicht geschützt.

Schaar kritisiert,

  • dass die Speicherung von ePass Daten bei der Passkontrolle zu weiteren Sicherheitslücken führt.
  • dass biometrische Daten wie Gesichtserkennung automatisiert verarbeitet werden können.
  • dass Rückschlüsse aus den gewonnen Daten und Bildern erhoben werden können, wie Drogenkonsum oder Krankheiten bei veränderter Iris.
  • dass erwogen wird, Kinder bereits bei Geburt mit ihren Genmerkmalen in Gendatenbanken aufzunehmen. Die Verwendung der Daten wären u.a. für Versicherungen interessant.

Kapitel 3: Big brother? Der Bürger im Blickfeld des Staates. In Folge der Volkszählung 1983 wurde das „Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung“ festgestellt. Die Verrechtlichung führte zu Bestimmungen und Regeln in Bund und Ländern, die niemand mehr überblickt. Die offizielle Begründung der Einschränkung der Privatsphäre ist der Schutzes vor Terroristen und Kriminellen. Schaar belegt mit Beispielen wie das staatliche Handeln mit personenbezogenen Daten aussieht:

  • Das Fernmeldegeheimnis: Neben dem Inhalt der Kommunikation sind digitale Daten überprüfbar, z.B. wer mit wem und welcher Technik telefoniert. Die Speicherung von Telekommunikationsdaten wird auch von der Musikindustrie wegen Urheberrechtsverletzungen und von der Wirtschaft zur Auswertung von Kundendaten genutzt. Die Anzahl der Überwachungsanordnungen hat zugenommen: 1995 wurden 4700 gezählt, 2005 waren es 35000, dabei können bei jeder Überwachung bis zu tausend Personen betroffen sein. Schaar sieht die Meinungs- und Pressefreiheit in Gefahr und schlägt ein allg. Kommunikations- und Mediennutzungsgeheimnis vor.
  • Für die Notwendigkeit der Terrorismusbekämpfung nach dem 11.09.2001 war die Online- Durchsuchung eingeführt worden. Kritisch ist daran, dass diese Durchsuchung heimlich und ohne Zeugen durchgeführt wird.
  • Nachrichtendienste dürfen seit dem 11.09.2001 bei Unternehmen Verkehrsdaten der Telekommunikation und des Internets, Postdaten und Bankbewegungen einholen und bei Luftfahrtunternehmen und Reisebüros Reisebewegungen abfragen. Polizeibehörden dürfen Reisende ohne konkrete Gefahr im grenznahen Raum und Bahnhöfen kontrollieren.
  • Aktuell werden 19 Datensätze pro Fahrgast bei Reisen in die USA erhoben, diese werden 15 Jahre lang aufgehoben. Schaar bemängelt, dass die Datenschutzbehörde ausdrücklich aus dem Prüfungsteam ausgeschlossen wurde.
  • Die Arbeitsfelder der Polizei und des Nachrichtendienstes überschneiden sich immer stärker, z.B. in der Antiterrordatei. Eine Kontrollfunktion zur Überprüfung wäre hier angebracht.
  • Schaar klärt über den Begriff des Bankgeheimnisses auf, der nicht unter gesetzlichen Schutz gestellt ist, sondern eine Vereinbarung zwischen Kreditinstitut und Kunden. Unter anderem soll der online Kontodatenabruf weiter ausgebaut werden.
  • Weitere Themen sind: Rasterfahndung, EGovernment, Zusammenführung von Bürgerdaten und die Bedenklichkeit der SteuerID, Ausländer.

In Kapitel 4 stellt Schaar die Daten als Wirtschaftsfaktor dar. Dabei beschäftigt er sich mit den Problemen, dem Nutzen und den Möglichkeiten des Datenschutzes. Die erhobenen Daten stammen aus: Umfragen, Käufen, über Telefonverzeichnisse, Bankdaten, Spam- Mails, Scoring der Kreditinstitute (Punktesystem hinsichtlich der Bonität des Kunden, wobei Kreditanfragen zu einer schlechteren Bewertung des Kunden führt.), Herunterladen von Musik und Filmen.

Kapitel 5 Ist die Privatsphäre noch zu retten? Der Schutz der Privatsphäre wurde immer weiter zurückgedrängt. Schaar plädiert abschließend für eine globale Ethik des Informationszeitalters mit einer Datenvermeidung und Datensparsamkeit. Dabei sind seiner Meinung nach Computerprogramme auszuwählen, die nur die notwendigen Daten erfassen. Die Auswirkungen auf den Einzelnen müssen nachvollziehbar werden. Der Nutzer muss Wahlrechte hinsichtlich des Umgangs mit den Daten haben. Schaar fordert ein Datenschutzrecht, so kann Datenschutzproblemen bereits im Vorfeld vorgebeugt werden. Die Praxis des Outsourcing von Datenverarbeitung (Vergabe von Datenverarbeitungsaufträgen an Fremdfirmen) ist ein weiteres problematisches Feld, da es kein allgemeingültiges Recht für EU und Drittstaaten gibt. In Ländern wie China und Indien gibt es ohnehin keinen Schutz personenbezogener Daten.

Diskussion

In dem vorliegenden Buch werden die verschiedenen Bereiche der Datenerfassung beleuchtet, in Zusammenhang zueinander gestellt und kritisch betrachtet. Dabei verbinden sich die Einzelhinweise zu einem schlüssigen Bild über die allgemeine Datenerfassung und den notwendigen Datenschutz.
Schaar beschreibt Aspekte aus dem Alltag eines jedes Einzelnen und gibt kritische Hinweise über vernachlässigte Datenschutzaspekte, sowie Hinweise auf staatliche oder unternehmerische Interessen. Die Datensammelwut und der mögliche und tatsächliche Missbrauch betrifft jeden weltweit. Die aufgezeigten Probleme sind so eindrucksvoll geschildert, dass sofort die Frage aufkommt: Was kann ich persönlich für den Schutz meiner Privatsphäre tun?.
Dabei bleibt das Buch durch die vielen Beispiele spannend und das abschließende Fazit nach einer globalen Datenschutzethik scheint die logische Schlussfolgerung zu sein. Nach Lesen dieses Buches erscheint die Rechtsstaatlichkeit Deutschlands zumindest hinsichtlich der Datenschutzes infrage gestellt zu sein.

Fazit

Das Buch ist gerade im Zusammenhang mit aktuellen Datenschutzdebatten sehr lesenswert, es bietet einen guten und komplexen Überblick und interne Informationen zum Thema Datenschutz und Privatsphäre. Dass es von einem Experten geschrieben wurde, macht es glaubwürdig und interessant.

Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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Es gibt 60 Rezensionen von Monika Pietsch.

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Zitiervorschlag
Monika Pietsch. Rezension vom 18.03.2009 zu: Peter Schaar: Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft. C. Bertelsmann (München) 2007. ISBN 978-3-570-00993-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/5734.php, Datum des Zugriffs 03.12.2023.


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