Herbert Effinger (Hrsg.): "Die Wahrheit zum Lachen bringen" (Humor)
Rezensiert von Prof. Dr. Heiko Kleve, 07.06.2008

Herbert Effinger (Hrsg.): "Die Wahrheit zum Lachen bringen". Humor als Medium in der Sozialen Arbeit.
Juventa Verlag
(Weinheim) 2008.
180 Seiten.
ISBN 978-3-7799-2073-1.
16,00 EUR.
CH: 29,00 sFr.
Reihe: Edition Sozial.
Thema
Soziale Arbeit gilt gemeinhin als eine Profession, in der es ernsthaft zugehen muss, beschäftigen sich Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter doch mit sozialen Problemen, die uns mit den Schattenseiten der menschlichen Existenz konfrontieren: mit Leid, Armut, Krankheit, Gewalt etc. Weiterhin ist Soziale Arbeit ein praktisches Unterfangen, das die Professionellen mit widersprüchlichen Erwartungen, mit Ambivalenzen und Dilemma-Situationen (etwa zu helfen und zu kontrollieren) konfrontiert. Dass genau diese Themen es sinnvoll und passend erscheinen lassen, „Humor als Medium“ der kommunikativen Arbeit einzusetzen, ist die paradoxe These, die aus dem vorliegenden Sammelband abgeleitet werden kann. So schreibt Herbert Effinger (S. 11) einführend, dass „Humor als anspruchsvolle, humanistische Haltung“ einen Versuch darstellt, „auch das Unzulängliche, das Widersprüchliche und Ambivalente ernst zu nehmen und abzubilden. Mit Humor lassen sich auch leichter neue Wege entwickeln. Humor greift natürlichen Widerstand gegen Veränderungen auf und nutzt diese Energien für Veränderungen. Dieser Prozess entwickelt sich in einer spielerischen Form, bei dem auch Fehler gemacht werden können“ (S. 11).
Herausgeber und AutorInnen
Dem Herausgeber des Buches, Herbert Effinger, gebührt das Verdienst, das Thema des Humors in der Sozialen Arbeit in den letzten Jahren nachhaltig in den Fachdiskurs eingebracht zu haben. Dazu regte er Tagungen [1] an, hielt Vorträge und publizierte – beispielsweise eine Monographie [2] und den jetzt vorliegenden Reader.
Effinger, selbst Diplom-Sozialpädagoge, lehrt als Professor für Sozialarbeitswissenschaft und Sozialpädagogik an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH). Für den Band lud er acht weitere Autoren ein, das Feld des Humors in unterschiedlichen Weisen zu erkunden. Neben den Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeitern Sigrid Karnath, Begründerin der Clownpädagogik, Alfons Limbrunner, FH-Dozent für sozialarbeiterische Handlungslehre und Kati Majoros, die zum Thema Lachen und Humor in der Sozialen Arbeit ihre Diplomarbeit verfasste, steuerten die Psychologen Franz Dumbs, Psychotherapeut in eigener Praxis, Ilona Papousek, Psychologie-Professorin an der Uni Graz und Birgit Rißland, Polizeipsychologin in Schleswig-Holstein sowie der Theologe Rolf-Michael Turek und die niedergelassene Nervenärztin Barbara Wild, die sich mit Humor im psychiatrischen Kontext beschäftigt, interessante Texte bei.
Aufbau
Das Buch gliedert sich in vier Teile.
1. Die sozialarbeiterische Beschäftigung mit Humor
Im Teil I stecken zunächst Herbert Effinger (in zwei Beiträgen) und Alfons Limbrunner (in einem Beitrag) das Feld der sozialarbeiterischen Beschäftigung mit Humor ab.
Nach einer knappen Einführung erläutert Effinger unter dem Titel „Gleichgewicht halten. Er(n)ste Gedanken zwischen den Ambivalenzen und Paradoxien Sozialer Arbeit“ ausführlich, warum er es für äußerst passend hält, Humor stärker in die sozialarbeiterischen Vollzüge zu integrieren. In sehr systematischer Weise legt der Autor dar, weshalb gerade die Profession Soziale Arbeit humorvolles Vorgehen nötig hat und wie dies konkret aussehen kann.
Limbrunner beschäftigt sich mit „Humor und Heiterkeit in der Tradition Sozialer Arbeit“. Er begibt sich auf eine Spurensuche und zeigt, wo und wie der Humor in der Sozialen Arbeit seit jeher seinen Platz hatte. Allerdings kommt er zum Ergebnis, dass es bisher „nur spärliche Spuren einer Tradition von Humor und Heiterkeit“ (S. 73) in der Sozialen Arbeit gibt.
2. Grundlagen aus der Humorforschung
Im Teil II werden einige „Grundlagen aus der Humorforschung“ referiert.
Zunächst betrachtet Barbara Wild „Humor als psychologisch-medizinisches Phänomen“; sie diskutiert Humor auch hinsichtlich seiner Funktion für das individuelle Wohlbefinden. Der Aufsatz ist allerdings sehr knapp und nicht immer ganz nachvollziehbar; z.B. erschließt sich für mich das Fazit nicht, dass das „Lachen […] eine körperliche Aktivität ist, die oft mit positiven Emotionen einhergeht, deren körperliche Effekte aber wahrscheinlich gering sind“ (S. 82).
Einen Ansatz, wie Heiterkeit und Gelassenheit mit Lachen trainiert werden kann, präsentiert Ilona Papousek. Fast im Gegensatz zu den Aussagen von Wild ist Papousek davon überzeugt, dass ihr Lach-Trainingsprogramm zu einer „dauerhaften Verbesserung der Grundstimmung“ (S. 103) beiträgt und „vielfache positive Wirkungen erwartet werden [können] […] auf das psychische, das körperliche und das soziale Wohlbefinden“ (S. 103).
3. Humor als Medium professioneller Kommunikation und Intervention
Der Teil III firmiert unter dem Titel „Humor als Medium professioneller Kommunikation und Intervention“.
Hier stellen Sigrid Karnath („Methode: Clown“), Franz Dumbs („Humorfix – Humor in Beratung und Therapie“) und Kati Majoros („Humor in der Sozialen Arbeit mit Migranten. Eine Dokumentation“) unterschiedliche methodisch-praktische Möglichkeiten vor, Humor als Mittel sozialarbeiterischer Kommunikation zu nutzen. Gerade diesbezüglich zeigt sich die Vielfalt hinsichtlich der Arbeitsfelder und -weisen, in denen humorvolle Stile in die praktische Tätigkeit integriert werden können.
4. Humor als Bewältigungsstrategie
Schließlich wird im Teil IV „Humor als Bewältigungsstrategie“ für den Alltag der Sozialen Arbeit empfohlen.
Birgit Rißland „beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit Humor sich als eine Ressource oder Bewältigungsstrategie in stark belasteten Berufen […] einsetzen lässt“ (S. 177). Die Autorin empfiehlt resümierend: „Denken Sie […] daran, dass Lächeln und Lachen hoch infektiös sind und setzen Sie es gezielt ein, um Ihre Mitmenschen in eine gute Stimmung zu versetzen, an der Sie dann wiederum Freude haben“ (S. 185).
Der letzte Beitrag des Buches von Rolf-Michael Turek ist eine systematische Untersuchung unterschiedlicher Humorstile. Der Autor betrachtet dazu u.a. diejenigen, die beruflich Humor inszenieren und differenziert sehr überzeugend unterschiedliche Humortypen. Außerdem stellt er die „Funktionsweise“ von Humor dar und gibt Empfehlungen zur Ausgestaltung eines je eigenen humorvollen Stils.
Diskussion
Das Buch scheint neben dem eher sozialwissenschaftlich bzw. soziologisch-systemtheoretisch ausgerichteten Werk von Simon Herzhoff [3] die bisher breiteste Darstellung des Themas Humor in der Sozialen Arbeit zu sein. Effinger rahmt psychologische, medizinische und methodische Ausführungen zum Humor von unterschiedlichen Autoren durch eine klar an die Soziale Arbeit ausgerichtete Zielstellung der Publikation. Damit gelingt dem Buch das, was es intendiert: Humor darzustellen als eine „in der Sozialen Arbeit noch viel zu wenig genutzte Ressource“ (Backcover), die „sowohl als ein Instrument der Lösung sozialer Probleme und Grundlage nachhaltiger Arbeitsbündnisse als auch als Mittel professioneller Selbstdistanzierung und Schutz vor Burnout eingesetzt werden [kann]“ (ebd.).
Vielleicht gehört die Beschäftigung mit Humor in der Sozialen Arbeit ebenfalls zu der Theorie- und Methoden-Bewegung der letzten Jahre, durch welche eine neue Aufmerksamkeitsfokussierung auf die Ressourcen, Möglichkeiten und Chancen des Lebens und Arbeitens möglich wird. Zu dieser Bewegung gehört die Lösungsorientierung in Beratung und Therapie nach Steve de Shazer und Insoo Kim Berg genauso wie das Resilienz-Konzept, das sich für das „Gedeihen von Menschen trotz widriger Umstände“ (Rosemarie Welter-Enderlin/Bruno Hildenbrand) interessiert. Jedenfalls wird uns auch durch den Einbezug des Humors in die sozialarbeiterische Praxis deutlich, wie hilfreich und wirklichkeitserschaffend die konstruktivistische Perspektive ist, die uns lehrt, dass wir die Macht haben zu bestimmen, wie wir unsere Wahrnehmungen deuten und was wir wie in den Blick nehmen. Lösungen von Problemen gelingen nämlich dann vor allem, wenn es uns gelingt, aus dem kognitiven Krampf zu entrinnen, der uns immer wieder zu dem Kreislauf des problematischen Denkens, das problematisches Handeln herausfordert und umgekehrt, verführt. Humor „weist darauf hin, dass etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist und gibt gleichzeitig, beispielsweise auf ironische Weise, eine Richtung der Problemlösung an“ (Effinger, S. 21).
Zielgruppe
Das Buch kann allen empfohlen werden, die sich in der Praxis, im Studium oder in der Theorie anregen lassen wollen, um die Soziale Arbeit einmal aus einer anderen, einer mit Humor getränkten Perspektive zu betrachten. Dabei geht es nicht (nur, aber manchmal auch) darum, sich über die Soziale Arbeit lustig zu machen, sondern zu sehen, wie entkrampfend es wirken kann, wenn wir trotz „schlimmer Zustände und Probleme“ das Lachen und die Heiterkeit (wieder) entdecken.
Fazit
Herbert Effinger hat einen interessanten Überblicksband zum Humor in der Sozialen Arbeit publiziert, der eine Reihe von Beiträgen versammelt, die im Rahmen einer klar auf die Soziale Arbeit ausgerichteten Perspektive verschiedene Blicke auf die körperliche, psychische und soziale Funktion von Humor und Heiterkeit werfen.
[1] Zum Beispiel im Jahre 2006 im Deutschen Hygiene-Museum Dresden; diese Tagung bezeichnet Alfred Limbrunner (S. 73, in dem Band) als den „Beginn einer Tradition von Humor und Heiterkeit“ in der Sozialen Arbeit.
[2] Siehe etwa die Monographie von Herbert Effinger (2006): Lachen erlaubt. Witz und Humor in der Sozialen Arbeit. Regensburg: edition buntehunde, vgl. die Rezension.
[3] Simon Herzhoff (2007): Helper„s Little Helper. Humor und Witz in der sozialen Arbeit. Saarbrücken: VDM, vgl. die Rezension.
Rezension von
Prof. Dr. Heiko Kleve
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft, Department für Management und Unternehmertum, Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU)
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