Corina Ramsauer: Interkulturelle Konflikte
Rezensiert von Prof. Dr. Gazi Caglar, 24.10.2008

Corina Ramsauer: Interkulturelle Konflikte. Entstehung - Verlauf - Lösungsansätze. IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation (Frankfurt) 2007. 155 Seiten. ISBN 978-3-88939-872-7. 16,90 EUR.
Thema
Konflikte im interkulturellen Kontext bilden den Gegenstand der wohl für den Leser als Hilfestellung gedachten Schrift. Das Buch geht von der gleich zu Beginn der Einleitung aufgestellten Annahme aus, dass sich in interkulturellen Begegnungsprozessen schneller und häufiger Anpassungs- und Kommunikationsschwierigkeiten einstellen und zu Konflikten führen "als im monokulturellen Umfeld" (S.1). Dieser fragwürdigen Annahme, die die vorherrschenden und vielfach kulturessentialistischen Diskurse dominiert und nicht weiter hinterfragt wird, folgt die Feststellung, dass solche interkulturellen Konflikte, wie im Klappentext betont wird, "von emotionaler Frustration, einer scheinbaren Unvereinbarkeit von Werten, Zielen und Verhalten sowie von Ethnozentrismus und Stereotypen" geprägt sind. Die Autorin möchte, auf der Grundlage einer Analyse interkultureller Konfliktstile Handlungsempfehlungen geben.
Autorin
Corina Ramsauer ist Übersetzerin und hat zudem Export und internationales Management studiert und zusätzlich einen Master-Studiengang Interkulturelle Kompetenz abgeschlossen. Sie arbeitet als selbständige Trainerin für interkulturelle Kompetenz.
Aufbau und Inhalte
Der Einleitung folgen Definitionen und Begriffsklärungen zur Kultur, zum Konflikt und interkulturellen Konflikt.
Das folgende Kapitel "theoretische Grundlagen" referiert Kulturstandards von sowie die Kulturdimensionstheorien von Hofstede, Hall, Trompenaars und Demorgon.
Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit den Einflussfaktoren in interkulturellen Konflikten. "Seelische Faktoren" nach Glasl, Wahrnehmung, Sprache, Kommunikationsstile, Individualismus und Kollektivismus, Werte, Emotionen, Macht und Hierarchie sowie Zeit und Raum werden hier kurz behandelt und teilweise zu unterschiedlichen "Kulturkreisen" zugeordnet. Kultur und Identität in Konflikten, Konfliktverhalten und Konfliktstile sowie Eskalation in Konflikten sind weitere Abschnitte.
Die Autorin möchte an Hand eines Fragebogens, den sie an verschiedene interkulturell gebildete und erfahrene Personen im Trainings- und Beratungsbereich gerichtet hat, herausfinden, wie sich "das intrakulturelle (?) Konfliktverhalten im Zusammentreffen mit Vertretern (?) anderer Kulturen ändert" (Fragezeichen durch Rezensent). Herausgefunden wurden schließlich "kulturkreisspezifische" Ergebnisse: Im Falle der "individualistisch" ausgerichteten Länder England und Deutschland sei der Zweck der Konfliktlösung z. B. als Klärung des Sachverhaltes, im Falle aller anderen wohl "kollektivistisch" orientierten Länder (z. B. Brasilien, Tschechien, China, Thailand) als "Wiederherstellung der Harmonie" angegeben worden, was gängiger Forschung entspreche. Der empirische Teil, der keinen Anspruch auf wissenschaftlich gesicherte Ergebnisse erhebt, wird z. B. nach folgendem Muster ausgewertet: "Im Fall China/Deutschland wird ausgesagt, dass ein Konflikt dann als gelöst wird, wenn er nicht mehr nach außen gezeigt wird. Dies zeigt einen sehr interessanten Aspekt, der m. E. individualistische von kollektivistischen Kulturen unterscheidet, nämlich dass es wichtiger ist, das Gesicht zu wahren und nach außen hin Harmonie zu zeigen, als Dinge grundsätzlich zu regeln" (137). Andere Länderkombinationen sollen hier weiter nicht erwähnt werden. Das Buch schließt mit "abschließenden Empfehlungen" wie die, dass von einer voreiligen Kulturalisierung Abstand zu nehmen ist.
Zielgruppe
An wen sich die Publikation richtet, geht aus ihr nicht eindeutig hervor. Ich vermute, sie soll in interkulturellen Trainings als Handlungsempfehlung dienen.
Fazit
Die Veröffentlichung hätte besser mit der in den abschließenden Empfehlungen stark stichwortartig aufgeführter Skepsis anfangen sollen: Dass voreilige Kulturalisierungen tatsächliche interkulturelle Begegnungen kaum erfassen, dass die feinen Unterschiede mehr zu beachten sind, dass Gemeinsamkeiten in "westlicher Literatur" weniger beachtet werden und die Hypostasierung nationalkultureller Konfliktstile den Prozess- und Entwicklungscharakter kultureller Ausdrucksformen kaum wahrnimmt. Leider sind diese Erkenntnisse, die zum Schluss auf anderthalb Seiten kurz Erwähnung finden, ohne Folgen für den Hauptteil geblieben.
Rezension von
Prof. Dr. Gazi Caglar
Professor an der Fakultät für Soziale Arbeit und Gesundheit der HAWK Hildesheim / Holzminden / Göttingen
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