Meike Peglow: Das neue Ehrenamt
Rezensiert von Prof. Dr. Michael Vilain, 30.06.2003

Meike Peglow: Das neue Ehrenamt. Erwartungen und Konsequenzen für die soziale Arbeit. Tectum-Verlag (Marburg) 2002. 147 Seiten. ISBN 978-3-8288-8398-7. 25,90 EUR. CH: 51,00 sFr.
Überblick
Auf der Basis einer umfangreichen Literaturrecherche beleuchtet Meike Peglow zentrale Argumentationsstränge in der Debatte um die Bedeutung des Ehrenamtes in der Sozialen Arbeit und versucht in Verbindung mit zentralen Entwicklungen der Gegenwart einen Katalog möglicher und wünschenswerter Konsequenzen für das Ehrenamt in der sozialen Arbeit herzuleiten.
Aufbau und Inhalte
Schon bei der Definition des Ehrenamtsbegriffes (Kapitel 2) wird die Bandbreite möglicher Interpretationen deutlich. Diese sind nicht zuletzt verschiedenen gesellschaftspolitischen Konzeptionen aber auch historischen Entwicklungen geschuldet. Ausgehend von diesen Kennlinien nähert sich die Autorin dem Untersuchungsgegenstand aus verschiedenen Perspektiven an. Dabei tritt neben eine Untersuchung der Strukturmerkmale sowohl eine Analyse möglicher Ziele und Motive Freiwilliger als auch die Beschreibung des Umfangs des Engagements auf der Grundlage namhafter statistischer Untersuchungen. Aus den in diesem Zusammenhang festzustellenden Veränderungen resultiert schließlich die Diskussion um das "neue Ehrenamt". Den verschiedenen Begriffen der Fachdebatte stellt Peglow eine traditionell-kritische Sichtweise gegenüber. Indem sie auf dem Begriff "Ehrenamt" besteht, dieses aber in Teilen als "neu" definiert, distanziert sie sich von Fachdebatten, deren Wortdifferenzierungen eher zu einer Verunsicherung und Verwirrung als zu einer Klärung der Eigenarten modernen Engagements beitragen. Sie umgeht dabei die Gefahr "alten Wein in neuen Schläuchen" zu präsentieren ohne deswegen neue Qualitäten ehrenamtlichen Engagements zu verleugnen.
Kontrastierend zu den empirischen Befunden und der Motivlage ehrenamtlicher Tätigkeit skizziert Peglow anschließend mögliche gesellschaftspolitische Erwartungen an das Ehrenamt (Kapitel 3). Dabei erläutert sie die Grundzüge des kommunitaristischen Ansatzes, des Bürgerarbeit-Konzeptes von Beck sowie die Rolle des Ehrenamtes in einer von Kostensenkungsdebatten umgegebenen Sozialarbeit mit ihren jeweils ideologischen und gesellschaftspolitischen Hintergründen und zeigt mögliche Probleme auf.
Abschließend werden aus diesen verschiedenen Positionen heraus unter Berücksichtigung der geänderten Rahmenbedingungen Forderungen für eine Unterstützung des Ehrenamtes abgeleitet (Kapitel 4). Diese beziehen sich auf die Förderung des Ehrenamtes durch Staat und Politik, durch Institutionen wie Ausbildungsstätten und Verbände und durch die Professionellen innerhalb der sozialen Arbeit und stehen im Spannungsverhältnis von überhöhten Erwartungen und Instrumentalisierung einerseits und der Ablehnung, Angst und Geringschätzung bei Teilen der sozialen Profession andererseits. Die meisten der vorgestellten Ansätze wie mehr Partizipation, Zahlung von Aufwandsentschädigungen, Einrichtung von Freiwilligenzentren sind in der Fachdebatte bereits umfangreich diskutiert worden.
Diskussion
Die Diskussion des Verhältnisses zwischen Ehrenamt und Hauptamt (das durchweg als professionell beschrieben wird) als wichtiges Leitmotiv der Arbeit deckt nicht nur Ambivalenzen auf, sondern ist vielmehr selbst ambivalent. Zwar beklagt die Autorin die Konfliktträchtigkeit der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen die "ihren Ursprung in fehlenden Abgrenzungen, mangelnder Kommunikation, einer Klientifizierung und Abwertung der Ehrenamtlichen mitbedingt durch eine Statusunsicherheit der Berufsrolle der Professionellen" (S. 113) hat. Gleichwohl leistet sie einer Passivierung und Klientifizierung ehrenamtlichen Engagements trotz Bemühen um eine ausgewogene Darstellung an mancher Stelle selbst Vorschub: "Eine entscheidende Rolle nehmen bei der Förderung der ehrenamtlichen Arbeit die mit ihnen zusammenarbeitenden professionellen Hauptamtlichen ein. Sie müssen gewährleisten, dass die Möglichkeiten und Grenzen der ehrenamtlichen Arbeit respektiert werden." (S. 113) Ferner: Eine drohende Instrumentalisierung müsse von professionellen Kräften erkannt und eine gute Kooperation mit Ehrenamtlichen sichergestellt werden. Indem Ehrenamt zu einem durch Hauptamtliche zu schützenden Objekt mutiert, werden Eigenständigkeit und Selbstbewusstsein ehrenamtlichen Engagements negiert. Das Ergebnis, ein hauptamtlich induziertes Ehrenamt kann schließlich selbst als Instrumentalisierung ehrenamtlicher Arbeit gesehen werden und lässt sich vereinfacht auf folgende Formel bringen: Ehrenamt soll der hauptamtlichen Arbeit nützen ohne sie in ihrem Bestand zu gefährden.
Die Verengung der Diskussion auf das Ehrenamt im Feld der sozialen Arbeit ist durchaus zulässig, sollte aber nicht den Blick dafür verstellen, dass ehrenamtliches Engagement einen weitaus größeren Facettenreichtum aufweisen kann und in anderen gesellschaftlichen Bereichen ganz anders positioniert ist. Generalisierende Handlungsempfehlungen über die Grenzen sozialer Arbeit hinweg (z.B. an die Politik) sind vor diesem Hintergrund mit Vorsicht zu genießen.
Fazit
Das Buch besticht - abgesehen von der gehäuften Aneinanderreihung von Zitaten - durch eine klare und gut lesbare Sprache. Der besondere Wert der Arbeit ist weniger der Erarbeitung neuer Kenntnisse als vielmehr der beinahe synoptischen Darstellung bekannter Positionen geschuldet. Die Inhalte und Probleme einzelner Diskussionsstränge sind dabei eingängig aufbereitet und machen das Buch zu einer Bereicherung für alle Interessierten und Einsteiger.
Rezension von
Prof. Dr. Michael Vilain
Evangelische Hochschule Darmstadt
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