Heinz-Alex Schaub: Klinische Sozialarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Heiko Kleve, 25.02.2008

Heinz-Alex Schaub: Klinische Sozialarbeit. Ausgewählte Theorien, Methoden und Arbeitsfelder in Praxis und Forschung. V&R unipress (Göttingen) 2008. 254 Seiten. ISBN 978-3-89971-422-7. D: 44,90 EUR, A: 46,20 EUR, CH: 77,00 sFr.
Thema
Zur Klinischen Sozialarbeit werden seit einigen Jahren immer wieder Publikationen veröffentlicht, die nahezu identische Titel tragen (siehe etwa Pauls 2004, vgl. die Rezension); Geißler-Piltz u.a. 2005, vgl. die Rezension; Ortmann/Röh 2007, Rezension dazu demnächst). Dies weist möglicherweise darauf hin, dass es sich um ein Feld handelt, dessen Status und Grenzen sich nicht von selbst verstehen. Wiederkehrend muss das Feld erschrieben, muss seine Identität beschworen werden. Dies wird hier keineswegs als Makel bewertet - im Gegenteil: Die vorliegende und die genannten Publikationen zum Thema zeichnen sich durch eine vertiefende Darstellung eines Phänomens aus, das nicht nur in der Klinischen Sozialarbeit, sondern in der Sozialen Arbeit generell hervor scheint und prägend ist: die dreidimensionale Fokussierung der Probleme, mit denen es Soziale Arbeit zu tun hat, ihre bio- bzw. somato-psycho-soziale Konstitution. Klinische Sozialarbeit lenkt den Blick genau auf diesen Punkt, sie bietet eine Betrachtung der betreuenden und beratenden Sozialen Arbeit an, die sich im Kontext eines "ganzheitlichen" Gesundheitskonzeptes verortet.
Autor
Prof. Dr. Heinz-Alex Schaub ist Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Facharzt für psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse sowie emeritierter Professor am Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit der Fachhochschule Oldenburg/Ostfriesland/ Wilhelmshaven mit den Schwerpunkten Medizin, Sozialpsychiatrie, Psychoanalyse, Theorie und Praxis der Beratung sowie Familientherapie.
Wer bei dieser Aufzählung der Qualifikationen und Schwerpunkte des Autors befürchtet, dass das rezensierte Buch zur sehr in die medizinische Richtung weist und dass hier einer aus dieser Perspektive auf die Sozialarbeit schaut, dem kann beruhigend entgegnet werden, dass die Ausführungen von Schaub klar als Beiträge zur Disziplin der Sozialarbeitswissenschaft bewertet werden können. Der Autor selbst eröffnet in seinem Vorwort, dass ihm insbesondere Karlheinz Ortmann, der in den 1980er Jahren bei ihm studiert hat und inzwischen selbst Professor für Klinische Sozialarbeit an der Katholischen Fachhochschule Berlin ist, "über Jahre auf das Soziale der Sozialarbeit hingewiesen [hat]", so dass er "langsam [s]eine relative Sicherheit im medizinischen Denken und Handeln erweitern konnte und offen wurde für neue verunsichernde Fragestellungen" (S. 11). Dem Buch ist dies anzumerken: Es lässt sich ein auf die Komplexität sozialarbeiterischer Praxis, spiegelt diese gewissermaßen wider.
Aufbau und Inhalt
Als Spiegel der sozialarbeiterischen Praxis offenbart sich selbst die Gliederung bzw. das Inhaltsverzeichnis; es ist - wie diese Praxis oft auch - recht unübersichtlich. Allein ein Layout, in dem die Gliederungspunkte entsprechend ihrer jeweiligen Hierarchieebene eingerückt wären, hätte hier mehr Klarheit schaffen können. Dennoch wird schnell deutlich, dass das Buch sehr vielfältig ist.
In deduktiver Reihenfolge geht der Autor von allgemeinen Begründungen zur Klinischen Sozialarbeit über die Zusammenhänge von Praxis, Theorie und Forschung hinüber zu Fragen der Diagnostik und Kasuistik bis er schließlich unterschiedliche Anwendungs-, Bezugs- und Forschungsfelder der Klinischen Sozialarbeit diskutiert. Diese Vielfalt an Themen lädt dazu ein, das Buch selektiv zu lesen, an einzelnen Stellen länger zu verweilen, andere vielleicht eher zu überfliegen oder sich insbesondere auf die Lektüre der sehr lehrreichen Fallvignetten zu konzentrieren.
Diskussion
Die besondere Stärke des Buches liegt vor allem in den zahlreichen Fallbeschreibungen, die immer wieder eingeflochten sind und damit die theoretischen Ausführungen sehr nachvollziehbar werden lassen. Schaubs Werk unterscheidet sich von anderen Publikationen zur Klinischen Sozialarbeit genau an diesem Punkt: Es ist gesättigt mit Praxis, mit Fallbeispielen.
Diese Beispiele zeigen nicht nur die Reichweite, Tiefe und Möglichkeiten des klinisch-sozialarbeiterischen Blicks, sie offenbaren darüber hinaus einen integrativen Ansatz zur Interpretation sozialarbeiterischer Praxis; der Autor geht äußerst gekonnt, kreativ und angemessen spielerisch mit den Deutungsmöglichkeiten psychologischer und sozialwissenschaftlicher Theorien um. Die Fälle lassen sich daher auch als Lehrstücke sozialarbeiterischer Kasuistik lesen; sie bieten einen multidimensionalen Blick und zeigen auf, wie die Fallbearbeitung nicht lediglich die Komplexität der Praxis reduziert, sondern wie sich permanent neue Möglichkeiten des Denkens und Handelns generieren lassen.
Zielgruppe
Das Buch überfordert sicherlich Studierende des Grundstudiums, die ansprechender gegliederte Einführungsbücher lesen sollten. Es ist aber eine Schatztruhe für erfahrene Praktiker und vor allem für Dozenten, die sich Anregungen speziell zur seminaristischen Aufbereitung von Fällen holen möchten. Denn die Fallvignetten laden dazu sein, in Seminaren gelesen und diskutiert zu werden. Darüber hinaus kann augenscheinlich werden, wie und worin sich der sozialarbeiterische Blick vom medizinischen oder psychologischen unterscheidet.
Fazit
Heinz-Alex Schaub hat ein wichtiges Buch für die Fundierung der Klinischen Sozialarbeit publiziert. Neben einer Einführung in diese Fachsozialarbeit bietet die Lektüre vor allem einen äußerst anregenden und mit praktischen Fällen gesättigten Blick auf das komplexe Feld sozialarbeiterischer Betreuung und Beratung in unterschiedlichen Handlungsfeldern.
Literatur
- Geißler-Piltz, Brigitte; Mühlum, Albert; Pauls, Helmut (2005): Klinische Sozialarbeit. Reinhardt (München.
- Ortmann, Karlheinz; Röh, Dieter (Hrsg.) (2007): Klinische Sozialarbeit: Konzepte - Praxis - Perspektiven. Lambertus (Freiburg/Br.).
- Pauls, Helmut (2004): Klinische Sozialarbeit. Grundlagen und Methoden psycho-sozialer Betreuung. Weinheim/München: Juventa.
Rezension von
Prof. Dr. Heiko Kleve
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft, Department für Management und Unternehmertum, Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU)
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