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Georg Theunissen: Empowerment behinderter Menschen

Rezensiert von Dr. Karin Terfloth, 29.10.2009

Cover Georg Theunissen: Empowerment behinderter Menschen ISBN 978-3-7841-1701-0

Georg Theunissen: Empowerment behinderter Menschen. Inklusion, Bildung, Heilpädagogik, soziale Arbeit. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2007. 466 Seiten. ISBN 978-3-7841-1701-0. 32,00 EUR.

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Thema

Dieses Buch erhebt den Anspruch, den in der Behindertenarbeit weit verbreiteten und mittlerweile zum Modewort avancierten Begriff des „Empowerments“ fundiert zu erläutern und als ein revolutionäres Konzept der Heil- und Sonderpädagogik einzuführen. Um dies leisten zu können, wird der Leitgedanke des Empowerments auf die zentralen Lebensbereiche wie Familie, Schule, Arbeit und Freizeit sowie auf die Disziplinen der Heilpädagogik und der Sozialen Arbeit in Praxis und Forschung bezogen.

Aufbau und Inhalt

Das zentrale Anliegen besteht darin, Empowerment als Grundlage anderer Leitideen der Heil- und Sonderpädagogik wie Inklusion, Teilhabe und Selbstbestimmung zu beschreiben (Kapitel 1): Menschen mit Behinderung sollen an der Gestaltung und Festlegung von Unterstützungs- und Hilfesystemen und deren Umsetzung partizipieren. Dies bedeutet sowohl eine Veränderung der Disziplin als auch deren professionellen Ver­ständ­nisses ausgehend vom Fürsorge-Denken hin zur Erhebung und Berücksichtigung der Perspektive der Betroffenen und deren Angehörigen. Empowerment beinhaltet somit einer neue Kultur des Helfens, die auf vier verschiedenen Handlungsebenen zum Tragen kommt:

  1. subjektzentrierte Ebene (stärkenorientierte Sicht auf den Menschen mit Behinderung)
  2. gruppenbezogene Ebene (Netzwerkarbeit)
  3. institutionelle Ebene (Partizipation und Deinstiutionalisierung)
  4. sozialpolitische und gesellschaftliche Ebene (Selbstvertretung und Partizipation an lokalen Machtstrukturen)

Über die Veränderung der Praxis in Institutionen der Behindertenhilfe hinaus, soll das Empowermentkonzept auch in die Planung und Reali­sierung von Forschungsprojekten zum Themenkomplex ‚Behinderung‘ Einzug halten (Kapitel 2). Zum einen wird der An­spruch erhoben, dass Forschungsergebnisse dem Postulat der Nutzbarkeit für die Praxis und somit auch für Menschen mit Behinderung unterliegen, sowie zur Ver­besserung deren Lebens­situa­­tion beitragen sollen. Zum anderen wird mit Empowerment in der Forschung auch die Betei­ligung von Menschen mit Behinderung an Forschungs­prozessen im Sinne eines partizi­pativen und kooperativen Forschungs­vor­gehens verknüpft.

Die Beschreibung von Prozessen, in denen Menschen mit Behinderung und deren Ange­hörigen darin unterstützt werden, die eigenen Stärken zu erkennen und zu nutzen, bilden den Schwerpunkt der Auseinandersetzung in den Kapiteln 3 und 4. Sowohlin der Arbeit mit Eltern sowie in der Planung, Durchführung und Unterstützung von Lernprozessen in der Schule bedeutet eine Orientierung am Konzept des Empowerment, Selbst­­be­wusst­sein von Betroffenen zu stärken und deren Selbst­bestimmung zu er­mög­lichen. An­hand von Bei­spielen aus der Praxis werden dem Leser Umsetzungsmöglichkeiten dieser Aspekte deutlich vor Augen geführt.

Zur Teilhabe am Arbeitsleben werden in Kapitel 5 bereits bekannte Modelle der Unter­stützten Beschäftigung beschrieben, die vorrangig für Menschen mit Lernschwierigkeiten von Bedeutung sind. Interessanter noch erscheint die deutliche Kritik an der Organisa­tions­form der Werkstätten für behinderte Menschen, der jedoch nur bedingt eine konkrete Alter­native gegenübergestellt wird.

In den letzten beiden Kapiteln wird besonders im Hinblick auf die Bildung im Erwach­senenalter (Kapitel 6) sowie auf die Gestaltung von Wohnen und Leben in der Gemeinde (Kapitel 7) die Be­deutung von verschiedenen Formen der Assistenz thematisiert. Die Quali­tät einer personen­orien­tierte Unterstützung ermisst sich dabei nicht nur an deren Ein­bindung in das je­weilige Lebens­umfeld sowie deren Potential zur institutionellen Verände­rung, sondern ist eng mit der Reflexion der eigenen Lebensumstände und dem Entwickeln eigener Wünsche und Zukunftsperspektiven verbunden. Empowerment zielt auf die we­i­test­­gehend individuell erreichbare Unabhängigkeit ab.

Fazit

Es wird in diesem abwechslungsreichen Buch erfolgreich der Versuch unternommen, den Ge­danken des Empowerment nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern auch für Menschen mit schwerer und mehrfacher Behinderung zu beschreiben und Reali­sierungs­­mög­­lichkeiten aufzuzeigen. Während Ersteres durch die Kon­kretisierung theore­tischer Aspekte anhand von Beispielen aus und für die Praxis sehr gut veran­schau­licht wird, bleiben die Aussagen im Hinblick auf Menschen mit einem erhöhten Unterstützungs­bedarf eher all­ge­mein.

Besonders positiv fällt jedoch auf, dass Barrieren und potentielle Überfor­de­rungs­tendenzen auf dem Weg zum Empowerment sowohl auf der Seite der Menschen mit Behinderung als auch der professionellen Pädagogen klar benannt werden und Ansatz­punkte zu deren Überwindung skizziert werden.

Dieses Buch ist aufgrund der erheblichen Praxisrelevanz, als ein umfassender Ein­stieg in die Thematik, gleichermaßen für Wissen­schaftlerInnen, Studierende und Prak­tikerInnen zu empfehlen.

Rezension von
Dr. Karin Terfloth
Institut für Sonderpädagogik Pädagogische Hochschule Heidelberg
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Es gibt 1 Rezension von Karin Terfloth.

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Zitiervorschlag
Karin Terfloth. Rezension vom 29.10.2009 zu: Georg Theunissen: Empowerment behinderter Menschen. Inklusion, Bildung, Heilpädagogik, soziale Arbeit. Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb (Freiburg) 2007. ISBN 978-3-7841-1701-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/5909.php, Datum des Zugriffs 10.10.2024.


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