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Franz Ruppert: Trauma, Bindung und Familienstellen

Rezensiert von Dr. Michaela Schumacher, 12.09.2008

Cover Franz Ruppert: Trauma, Bindung und Familienstellen ISBN 978-3-608-89045-7

Franz Ruppert: Trauma, Bindung und Familienstellen. Seelische Verletzungen verstehen und heilen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2007. 2. Auflage. 280 Seiten. ISBN 978-3-608-89045-7. 23,00 EUR. CH: 40,60 sFr.
Reihe: Leben lernen - 177.

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Autor

Professor Dr. Franz Ruppert lehrt an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München Psychologie und ist als Psychologischer Therapeut tätig. Seit über 15 Jahren arbeitet er im Bereich Familien- und Organisationsaufstellungen. Seit 10 Jahren bildet er Aufsteller fort. Spezialisiert ist er auf die psychotherapeutische Arbeit in den Bereich Depressionen, Ängsten, Borderline, Psychosen und Schizophrenien.

Aufbau und Inhalt

Kapitel 1 führt skizzenhaft ein in die Erscheinungsweisen "gängiger" psychischer Erkrankungen - Ängste, Depression, Persönlichkeitsstörungen, Psychosen und Schizophrenien. Es legt offen, dass Forschung und Theoriebildungen – z.B. psychiatrische Krankheitskonzepte – sich vorwiegend auf die Verarbeitungsformen und deren Folgen fokussieren und weniger auf das Ergründen der Ursachen. Vonnöten seien "tiefere Einsichten in die Ursachen, wie  schwere psychische Störungen entstehen und warum Menschen ihre seelischen Prozesse oft nicht mehr selbst steuern können."(23)

Kapitel 2 beschreibt die mehrgenerationale systemische Psychotraumatologie. Diese basiert auf zwei Theoriebausteinen – dem Bindungskonzept und der Traumatheorie – und dem methodischen Zugang der Familienaufstellungen. Es handelt sich um einen empirisch gestützten Theoriebildungsprozess, in dem sich induktive und deduktive Wege der Theoriebildung wechselseitig ergänzen. Schwere körperliche und psychische Probleme entstehen in Beziehungssystemen, ihren Kommunikations- und Interaktionsdynamiken. Sie erzeugen seelisch-emotionale Verstrickungsmuster, die sich über Generationen fortsetzen und die Gefahr in sich bergen, neue Traumatisierungen zu evozieren, wenn es nicht gelingt, das mehrgenerationale Geflecht der Bindungsbeziehungen nachgängig zu verstehen und aufzulösen. Symptome psychischer Verletzungen sind einerseits Folgen von Bindungsstörungen und/oder Traumatisierungen und andererseits notwendige Schutzmechanismen zur Bewältigung der traumatischen Erlebnisse. Symptome beruhigen sich erst dann, wenn die Ursachen gefunden und therapeutisch bearbeitet werden. Grundsätze dieses Ansatzes sind: 1. Elternteile, die ein Trauma erlitten haben, geben diese Erfahrung an ihr/ihre Kinder weiter. Die traumatische Erfahrung wirkt so über mehrere Generationen. 2. "Die menschliche Psyche ist ein Mehrgenerationenphänomen." (27) 3. Das gesamte durch das Trauma schwer gestörte Bindungsgeflecht, in das ein Mensch verstrickt ist, muss in den Blick genommen werden, um Heilung i.S. eines sich aus dem Geflecht Herauslösens zu ermöglichen.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit den Phänomenen "seelischer Bindung". Da Menschen soziale Wesen sind, sind Bindungen die Grundlage menschlicher Existenz. Ohne die ganzheitliche Fürsorge der Mutter und ihres Rückhalts in ihrer Bezugsgruppe fehlen einem Kind die Urbedingungen seines menschlichen Wachsens und Werdens. So lautet der 4. Grundsatz: 4. Quellen psychischer Probleme sind primär Bindungsstörungen zwischen Kind und Mutter. Diese werden oft ergänzt durch Bindungsstörungen zwischen Kind und Vater.
Durch unmittelbaren Kontakt, sensuale Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken und Erinnerungen und Sprache entwickeln und festigen sich Bindungen in einem wechselseitigen Anpassungsprozess. Zwischenmenschliche Bindungen konstituieren sich wesentlich durch den Austausch von Gefühlen, gedankliche Vorgänge wirken unterstützend. "Die feinfühlige, empathische Mutter ist der Spiegel, in dem das Kind sich selbst erblickt und beginnt, allmählich ein immer besseres Bewusstsein von sich selbst zu entwickeln." (37) "Der Vater ist für das Kind ein anderer Spiegel…Er bietet ihm eine alternative Sicht der Dinge…ergänzt und erweitert für das Kind die weibliche Sicht der Welt um die männliche. Er erschließt dem Kind die Welt im Spiel…Eine sichere Bindung an den Vater fördert in jedem Fall das seelische Wachstum des Kindes."(48f).
Nach Bowlby (1998) durchlaufen Kinder, wenn sie alleine gelassen werden, drei Stadien von Gefühlen – (Todes-)Angst und Panik, Zorn und Wut, Verzweiflung und Apathie. Letzterem folgt oftmals eine Verschiebung des seelischen Schmerzes in den Körper. SchülerInnen Bowlbys – z.B. Ainsworth (1973) und Main/Hesse in Brisch (1999) – unterscheiden aufgrund ihrer experimentellen Forschungen vier Bindungsarten

  1. Kinder mit einer sicheren Bindung
  2. Kinder mit einer ambivalent-unsicheren Bindung
  3. Kinder mit einer unsicher-vermeidenden Bindung
  4. Kinder mit einer desorganisierten Bindung

Im Weiteren beschreibt und erläutert Ruppert wesentliche Arten von basalen Bindungsbeziehungen: die identitätsbildende Qualität der Mutter- und Vaterbindung, Geschwisterbindungen, Ersatzbindungen (Adoptiv- bzw. Pflegeeltern), Partnerbindungen und Freundschaftsbindungen. Danach sind Menschen füreinander sowohl die Hauptquelle seelischer Gesundheit als auch die Hauptursache für seelische Qualen

Kapitel 4 referiert kurz und knapp die grundlegenden Erkenntnisse der modernen Traumaforschung – Definition, Traumatypen, Traumaerleben und –verarbeitung, Folgen, Posttraumatische Belastungsstörung, der Täter im Opfer, Trauma-Sucht-Suizidalität, körperliche und soziale Aspekte des Traumas. Mittels der Verknüpfung der Bindungstheorie mit der Traumatheorie erläutert er den "Mechanismus" der transgenerationalen Weitergabe traumatischer Erfahrungen. Er unterscheidet 4 Arten von Traumata aufgrund der mit ihnen verbundenen zentralen "unlösbaren" Konflikte, die jeweils einer speziellen Strategie in der therapeutischen Behandlung bedürfen. Es sind dies

  1. Existentielle Traumata
  2. Verlusttraumata
  3. Bindungstraumata und
  4. Bindungssystemtraumata. (94)

Kapitel 5 beschäftigt sich mit den Existenztraumen und ihren Folgen. Hierbei geht es "um Situationen auf Leben und Tod, um Sein oder Nicht-Sein" (97) – z.B. Naturkatastrophen, Unfälle, Krieg, Entführung, Vergewaltigung, Folter, lebensgefährliche Erkrankungen -. Das zentrale Gefühl ist Todesangst begleitet von Schuldgefühlen – wenn andere umkamen – oder Schamgefühlen – wenn z.B. Darm- oder Blasenmuskulatur versagten -. Nach dem Überleben der Traumasituation wird ein Persönlichkeitsanteil, der das Trauma erlebt und in sich gespeichert hat entweder ins Unbewusste verschoben oder abgespaltet. Er "achtet" darauf, nie wieder in eine solche Situation von Todesangst und Ohnmacht zu geraten. Erspürt er eine Gefahr, schlägt er Alarm und verursacht z.B. eine Panikattacke. Situative Signale (Trigger), die an die traumatisierende Grundsituation erinnern, bewirken eine Retraumatisierung. "Existenztraumen erschüttern den Glauben an die Sicherheit der Welt, in der wir leben…Sucht und Suizid ist ein Versuch der Todesangst zu entfliehen. Er bedeutet die Kapitulation vor dieser Angst." (108) Der andere ist, der Ohnmacht Macht – in Form von Abschreckung, Aufrüstung, Abschottung – entgegenzusetzen. Hier wird die Angst zur Triebkraft des Denkens und Handelns und nährt die Bereitschaft zum Töten. Die Wirkungen von Existenztraumen in den folgenden Generationen werden am Beispiel der Holocaustüberlebenden und ihrer Kinder und Kindeskinder nachgezeichnet. Traumatisierte Eltern implantieren unbewusst ihre Erfahrungen in das Kind, das sich seinerseits unbewusst identifiziert, wodurch es in zwei Wirklichkeiten lebt: seiner eigenen, gegenwärtigen und der vergangenen elterlichen. "Die Folge ist eine zumindest partielle Identitätsverwirrung oder das Gefühl einer fragmentierten Identität.(Bohleber 2000, S.817)" (112)

Kapitel 6 Beschäftigt sich mit Verlusttraumen und ihren Folgen. In Bindungsbeziehungen werden Trennungen – so lange es geht – vermieden. Verliert ein Mensch eine enge, lebenswichtige und tragende Bindung, so erleidet er einen Verlust. Dieser wirkt traumatisch, wenn er den betroffenen Menschen total ohnmächtig und hilflos macht. Meistens wirken folgende Verlustsituationen traumatisch:

  • plötzlicher Tod eines Elternteils bei jungen Kindern, eines Kindes oder Geschwisters, eines geliebten Partners, engen Freundes/in,
  • Verlust der Eltern durch Adoption und/oder Fremdunterbringung,
  • Verlust eines Elternteils durch Trennung und Scheidung,
  • Verlust eines Partners durch Untreue, Trennung, Scheidung
  • unerwarteter Verlust der Heimat, Haus und Hofs, Arbeitsplatzes und der Gesundheit bzw. körperlichen Unversehrtheit

Bei Adoption, Flucht und Vertreibung geht zusätzlich die Zugehörigkeit zum gesamten Herkunftssystem verloren. Um das Trauma nicht zu spüren bzw. zu überleben, schalten Menschen ihre Gefühle – die konstruktiven und destruktiven – auf Sparflamme. Oftmals gibt es eine dissoziative Abspaltung. Ein Teil ist verhaftet im Verlust, zurückgezogen auf die  zugehörigen Wahrnehmungen, Erinnerungen und Gefühlen; der andere Anteil will leben, genießen, gestalten und glücklich sein. Manche Verluste sind nicht überwindbar, jedoch stoppt eine fundierte Trauerarbeit den Prozess der weiteren seelischen Verletzung. Auch Verlusttrauma-Erfahrungen werden oftmals transgenerational tradiert. Gefallene, vermisste, gemordete, verunfallte Familienmitglieder bleiben fester Bestand in der Seele einer Familie. Oftmals erhalten Nachgeborene die Vornamen dieser verlorenen Familienmitglieder, was für beide Seiten äußerst schwer ist; die Eltern agieren oft überbehütend und den Kindern wird es schwer eine eigenständige Identität zu entwickeln, sich abzulösen von den Eltern. Einerseits erleben sie sich angekettet – was z.T. Wut, Hass erzeugt - ; andererseits wollen sie die Eltern schonen, einen weiteren Verlust vermeiden. Sie befinden sich in einem echten Dilemma.

Kapitel 7 beschäftigt sich mit Bindungstraumen. Für Kinder ist die Bindung an ihre Eltern überlebensnotwendig. Emotionale Vernachlässigung, Gewaltanwendung, emotionale und/oder sexuelle Ausbeutung, Mobbing in Schule und Beruf führen zu einer Traumatisierung des Bindungsbedürfnisses eines Kindes, zum Bindungstrauma. Unbehandelt bewirken solche Traumaerfahrungen, dass diese Menschen entweder nie Gefühlsbindungen entwickeln und erproben konnten oder zu ihnen nicht mehr fähig sind, d.h. Beziehungen sind möglich, jedoch keine Bindungsbeziehungen. Was sie entweder nicht entwickeln durften oder in ihnen zerstört wurde, können sie ihren Kindern dann auch nicht ermöglichen, d.h. sie werden die Ursache des Bindungstraumas ihrer Kinder." Der sexuelle Missbrauch eines Kindes ist immer mit einem emotionalen Missbrauch seiner Bedürfnisse nach Zuneigung, Liebe, Wärme, Halt und einer Ausbeutung seines kindlichen Mitgefühls verbunden. Das Kind findet so nicht zu seiner Identität. Es kann seinen Platz in der Familie nicht finden. Es weiß nicht, ob es Kind oder Erwachsener ist,…, was man tun kann und was nicht, was richtig ist und was falsch." (142) Kurz und prägnant beschreibt Ruppert und erläutert Täter, Täterstrategien, Mittäter und Mitwisser, die wegsehende Gesellschaft und rituelle Gewalt. In einem Exkurs zeichnet er den traumatischen Ursprung der nationalsozialistischen Ideologie in der Biografie Adolf Hitlers nach. Dass Bindungstraumata transgenerationale Folgen haben, ist selbsteinleuchtend. Denn bindungstraumatisierte Eltern(teile) können, da sie sich selbst nicht wirklich spüren (dürfen), ihre Kinder physiologisch umfassend ernähren, jedoch nicht emotional. Für diese Kinder wiederholt sich in Variationen, was ihre Eltern erleben mussten.

Kapitel 8 befasst sich mit den Bindungssystemtraumen. Die Grausamkeiten, die Menschen einander zufügen können mit schwersten seelischen Verletzungen, sind vielfältig – Mord, Totschlag, Folter, Raub, Vergewaltigung, Gewalt. "Gefühllosigkeit, sexuelle Triebhaftigkeit und geistige Ignoranz gehen zuweilen eine unheilvolle Allianz ein." (164 ) Geschehen diese außerhalb der Familien, so wirken sie über die Täter oder Opfer in die Familien hinein. Geschen sie innerhalb eines Familiensystems, so erzeugen sie innersystemisch eine emotionale Betäubung, Leugnung, Tabuisierung. Solche Ereignisse traumatisieren ein ganzes System von Bindungsbeziehungen – insbesondere verwandtschaftliche Bindungsbeziehungen. Schuld- und Schamgefühle werden weitergegeben, solange die Tat nicht eingestanden und Verantwortung übernommen wird. "Wer schwere Schuld auf sich geladen hat und aus Angst und Scham nicht darüber sprechen kann, ist in seiner seelischen Stabilität extrem gefährdet" (173), meist in sich gespalten in der Spannung zwischen Verheimlichen und Sich-Offenbaren – verbunden mit der Hoffnung auf Erlösung von den Schuld- und Schamgefühlen. Die transgenerationalen Folgen sind verheerend; denn, was für die Generation, in der sich das zu Verheimlichende ereignet, "unaussprechbar" war, wird für die nachfolgende Generation "unbenennbar", d.h. ist keiner verbalen Repräsentation mehr zugänglich. Erläutert wird, was das für das Verständnis von Psychosen, Schizophrenien und andere "Wahn"sinns formen bedeutet. Ruppert illustriert Bindungssystemstraumen am Beispiel des "Lebensborn".

Kapitel 9 widmet sich der Aufstellungsmethode. Vorgestellt und erläutert werden die einzelnen Elemente beim Einsatz der Aufstellungsmethode und ihre Wirkung für die Prozessbeteiligten. Es sind dies: der Situationskontext, das Anliegen, der Aufstellungsprozess, die Stellvertreter, die therapeutische Haltung und das Aufstellen in der Einzeltherapie. Wertschätzend kritisch – die Leistungen würdigend und die Defizit eindeutig benennend – setzt sich Ruppert mit Bert Hellinger im Kontext des deutschen Bindungsystemtrauma "Nationalsozialismus" auseinander und fordert AufstellerInnen die Prämissen ihres jeweiligen Theoriebackgrounds offen zu legen. Er bietet dafür vier Aspekte an:

  1. "die Eigenheiten der Methode selbst,
  2. der Situationskontext, in dem die Methode zum Einsatz kommt,
  3. die mit der Praxis der Methode verbundenen Theorien und
  4. die persönlichen und fachlichen Qualitäten des Anwenders der Methode.

Methode, Theorien und Person beeinflussen sich wechselseitig und führen in jedem Einzelfall zu einer ganz spezifischen Vorgehensweise."(216)
Dem Phänomen der repräsentierenden Wahrnehmung, ein anderer (Stellvertreter in Aufstellung) weiß, was den Aufsteller innerlich bewegt, geht Ruppert zunächst in Veröffentlichungen nach und erklärt, dass diese und seine eigenen Erfahrungen eine hinreichende Evidenz liefern, dass die repräsentative Wahrnehmung reliable und valide ist. Wichtig ist dabei, dass die Stellvertreter sich absichtslos auf die Situation und das, was sie in ihnen auslöst, zulassen.
Anknüpfend an den Paradigmawechsel der modernen Naturwissenschaften skizziert Ruppert in Anlehnung an Laszlo (1997) ein mögliches neues Weltmodell, "in dem Geist und Materie nicht mehr getrennt voneinander existieren" (224) und leitet einsichtige Hypothesen ab zum Geschehen in einer Aufstellung, wobei der/die Aufstellende entscheidet, wozu er/sie StellvertreterInnen Zugang im eigenen Beziehungssystem eröffnet oder auch nicht. Dargestellt und erläutert werden dann verschiedene Anwendungsfelder in Beratung, Lebenshilfe, Psychotherapie für die Aufstellungsmethode - Einzelsetting, Gruppen, Sozialarbeit. Die Aufstellungsarbeit muss sowohl eingebettet sein in eine persönliche Kompetenz und die Arbeit an eigenen Traumen als auch in eine umfassende therapeutische und beraterische Kompetenz. Hilfreich sind:

  • schwebende Aufmerksamkeit (Psychoanalyse)
  • aktives und empathisches Zuhören (Rogers)
  • Wahrnehmung von Körperbewegungen und minimalen Körpersignalen (NLP)
  • Erreichbare (Teil-)Zieleorientierung (VT)
  • Lösungsorientierung für emotionale Konflikte (systemische Therapieansätze)
  • Leiten und Strukturierung von Gruppen (Gruppendynamik)
  • Ressourcenarbeit (Traumatherapien).

Es folgt eine kleine Studie zur Wirkungsforschung.

Kapitel 10 beschäftigt sich mit Aufstellungen in der Therapie von Bindungsstörungen und Traumatisierungen. Bei Verlusttraumen hat sich das klassische Familienstellen bewährt, es hilft einerseits die emotionale Verstrickung transparent zu machen und andererseits "heilsame Bilder" zu generieren. Es geht darum sowohl die blockierten Gefühle wieder ins Fließen zu bringen als auch den nicht vollzogenen Trauerprozess in Gang zu bringen, "damit der Weg frei wird für eine sichere Bindung der Kinder an die Eltern" (250) und sowohl für die Urliebe des Kindes als auch seinem ureigensten Bedürfnis nach Halt und Geborgenheit bei seinen Eltern. Dieses Ziel zu erreichen – die Hinwendung zu den Eltern – ist je nach Vorgeschichte ein langsamer und langwieriger Prozess, weil die eigene Sicht auf sie verändert, erweitert und ausdifferenziert wird.
Verschiedene Traumatheorien, –therapien und ein Aufstellungsprozess mit den Symptomen/ Teilpersönlichkeiten und die methodischen Prinzipien werden kurz skizziert. Bei Traumatisierten ist sowohl die Bindungsstörung als auch das Traumaerleben zu bearbeiten. Abschließend betont Ruppert die Besonderheiten der Therapie von sexuell Ausgebeuteten.

Fazit

Das Buch ist gut strukturiert, fachlich korrekt und zugleich verstehbar (auch für Laien) geschrieben. Erläuternde Exkurse und 60 Fallvignetten illustrieren die Thematik. Ruppert stellt die Familienaufstellung als Methode zur Aufdeckung von seelischen Verstrickungen, mit besonderem Augenmerk auf die transgenerationale Dynamik. Er eröffnet den Lesenden einen gut lesbaren Zugang zum Verstehen seelischer Verstrickungen und Traumen. Das Buch ist fundiert und die hohe ethische und fachliche Verantwortung, die diese Form der Arbeit vom Anbieter verlangt, zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Text, ohne moralisch aufdringlich zu sein.

Das Buch ist allen zu empfehlen, die interessiert sind an gelingender Kindheit und gelingendem Leben, besonders aber für Eltern, Erziehende, SozialarbeiterInnen, TherapeutInnen.

Rezension von
Dr. Michaela Schumacher
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Es gibt 55 Rezensionen von Michaela Schumacher.

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Zitiervorschlag
Michaela Schumacher. Rezension vom 12.09.2008 zu: Franz Ruppert: Trauma, Bindung und Familienstellen. Seelische Verletzungen verstehen und heilen. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2007. 2. Auflage. ISBN 978-3-608-89045-7. Reihe: Leben lernen - 177. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6119.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.


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