Wolfgang Däubler, Maratin Bertzbach (Hrsg.): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
Rezensiert von Prof. Dr. Kurt Pärli, 06.11.2008

Wolfgang Däubler, Maratin Bertzbach (Hrsg.): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2008. 2. Auflage. 911 Seiten. ISBN 978-3-8329-3445-3. 89,00 EUR.
Thema
Seit dem 18. August 2006 ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Bereits zeigt das AGG erhebliche Praxiswirkung: Diskriminierung und insbesondere die Prävention vor Diskriminierung und vor Diskriminierungsklagen haben als Themen Eingang in die Agenden der Personalabteilungen bzw. der Human Ressource Departemente von Firmen und Verwaltungen gefunden. Die erste Auflage des Handkommentars erschien nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes. Die zwischenzeitlich ergangene erste Rechtsprechung zum AGG wurde in die zweite Auflage des zwischenzeitlich über 900 Seiten und noch immer "handlichen" Handkommentars eingearbeitet.
Mehr als ein AGG-Kommentar…
Der Kommentierung der einzelnen Paragraphen des AGG geht eine fast hundertseitige Einführung voraus (S. 19 – 103). Der Text enthält ein Kurzüberblick zum AGG, eine ausführliche Darstellung des Verhältnisses des AGG zum bisherigen Recht und insbesondere eine vertiefte Analyse des Einflusses des Gemeinschaftsrechts und der völkerrechtlichen Diskriminierungsverbote auf das AGG. Die Einleitung endet mit einer analytischen Betrachtung des Gleichheitskonzepts der EU-Antidiskriminierungsrichtlinien. Die Autoren zeigen hier sehr plausibel den Wandel des Antidiskriminierungsrechts von seiner ursprünglichen Ausprägung als marktliberales Konzept hin zu einer menschenrechtlichen Fundierung und Orientierung der Diskriminierungsschutzvorschriften. Instrumente der geänderten Konzeption bilden mittelbare Diskriminierung, positive Massnahmen zur Herstellung tatsächlicher Gleichheit, prozessuale Erleichterungen und Verbandsklagerechte.
Ein klassischer Kommentar…
Die Kommentierung der einzelnen Paragraphen erfolgt in klassischer Form. Vom Normtext ausgehend wird der Zweck der Bestimmung herausgearbeitet. Neben einem allgemeinen Tenor des jeweiligen Paragraphen bwz. Absatzes wird auf Einzelprobleme eingegangen.
Das Ziel des Gesetzes besteht darin, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen (§ 1 AGG). Die Diskriminierungsmerkmale werden ausführlich und mit Bezügen zum Gemeinschaftsrecht erläutert. Beim Anwendungsbereich des Gesetzes ((§ 2 AGG) wird ausführlich auf die Benachteiligungsverbote außerhalb des AGG verwiesen.
Inhaltlicher Schwerpunkt des Kommentars bildet das in § 7 AGG verankerte Benachteiligungsverbot (S. 301 – 392). Zunächst geht es hier um die unterschiedlichen Erscheinungsformen einer solchen Benachteiligung. Danach werden die in Betracht kommenden Benachteiligungen bei der Einstellung, beim beruflichen Aufstieg, bei der Vergütung, bei der Arbeitszeit sowie bei sonstigen Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen behandelt. Bei der Darstellung verbotener diskriminierender Kündigungen (S. 365-398) wird hervorgehoben, dass die im bisherigen deutschen Arbeits- und Sozialrecht verankerte Differenzierung des Kündigungsschutz bei leicht oder schwer behinderten Arbeitnehmenden im AGG nicht gilt. Die europäischen Richtlinien sehen einen abgestuften Schutz vor diskriminierender Kündigung aufgrund einer Behinderung nicht vor.
Die Benachteiligungsverbote des AGG gelten nicht absolut. Die Paragraphen 8 – 10 enthalten mögliche Rechtfertigungsgründe (S. 343 – 397). Der Kommentar behandelt die Probleme der Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen beruflicher Anforderungen, wegen der Religion oder Weltanschauung und wegen des Alters ausführlich und klar. Illustrative werden die sich aus dem AGG ergebenden Organisationspflichten der Arbeitgeberin behandelt.
Die Rechte der Beschäftigten sind in den Paragraphen 13- 16 AGG geregelt (S. 509-580). Lesende finden rasch Zugang zu den relevanten Problemen und Streitfragen. Vergleichsweise kurz behandelt werden die Paragraphen 17-19 AGG über den Schutz vor Benachteiligung im Zivilrechtsverkehr (S.603-666). Das lässt sich auch damit erklären, dass es hierzu erst wenig Rechtsprechung – dafür umsomehr Kontroverse im Schrifttum – gibt.
Der Kommentar wird abgerundet durch die Kapitel über den Rechtsschutz gegen Diskriminierung (S. 690-727), Sonderregelungen für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse (S. 741-765), die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (S. 766-779) und die Schlussvorschriften (S. 781-786). Im Anhang findent sich die Texte der massgebenden EG-Richltinien, ein Literaturverzeichnis und ein ausführliches Stichwortverzeichnis (S. 793-877).
Fazit: Ein hervorragend gelungener Kommentar
Das AGG hat nicht nur politisch für Aufregung gesorgt, es hat auch eine beachtliche Publikationstätigkeit sowohl von Arbeitsrechtspraktiker/innen wie von Rechtswissenschaftler/innen hervorgerufen. Zeugnis dieser Aktivitäten bilden die zahlreichen Publikationen zum AGG, die in den letzten Jahren erschienen sind. Der Handkommentar von Däubler/Bertzbach besticht durch eine wissenschaftliche Fundierung, die europarechtliche Orientierung, eine angemessene Ausführlichkeit und nicht zuletzt durch eine sorgfältige Sprache.
Praktiker/innen finden im AGG-Handkommentar rasch Zugang zu interessierenden Einzelaspekten des Gesetzes wie auch zu einem schnellen Überblick über einzelne Problemkreise. Für die rechtswissenschaftlich Interessierten enthält der vorliegende Kommentar reiches Hintergrundsmaterial.
Rezension von
Prof. Dr. Kurt Pärli
Forschungsleiter Institut für Wirtschaftsrecht
Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW, School of Management and Law
Website
Es gibt 9 Rezensionen von Kurt Pärli.
Zitiervorschlag
Kurt Pärli. Rezension vom 06.11.2008 zu:
Wolfgang Däubler, Maratin Bertzbach (Hrsg.): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz. Nomos Verlagsgesellschaft
(Baden-Baden) 2008. 2. Auflage.
ISBN 978-3-8329-3445-3.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6136.php, Datum des Zugriffs 23.09.2023.
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