Timm H. Lohse: Das Kurzgespräch in Seelsorge und Beratung
Rezensiert von Michael Götze-Ohlrich, 10.10.2009

Timm H. Lohse: Das Kurzgespräch in Seelsorge und Beratung. Eine methodische Anleitung. Vandenhoeck & Ruprecht (Göttingen) 2008. 3. Auflage. 164 Seiten. ISBN 978-3-525-62384-8. 19,90 EUR.
Thema
Das Buch beschäftigt sich mit den besonderen Gesetzmäßigkeiten, Möglichkeiten und Fallen von Nebenbeigesprächen, die durch die relativ willkürliche Wahl von Zeit und Ort, durch die Beiläufigkeit und Einmaligkeit in etwa allen in Gesprächsausbildungen vermittelten Regeln und Rahmenbedingungen widersprechen. Der Schwerpunkt liegt in der praktischen Anleitung und wendet sich an „kommunikationsgeübte“ Angehörige helfender und beratender Berufe wie Ärzte, Richter, Sozialarbeiter, Pfleger, Erzieher, Lehrer oder Seelsorger.
Autor
Timm H. Lohse war bis zu seiner Emeritierung Pfarrer in der Bremischen Evangelischen Kirche und Berater in der Evangelischen Familien und Lebensberatung. Seit 1999 ist er Honorardozent für seelsorgliche Kurzberatung am Evangelischen Zentralinstitut in Berlin. Weitere Bücher von ihm zum Thema: „Das Trainingsbuch zum Kurzgespräch. Ein Werkbuch für die seelsorgliche Praxis“ und „Möglichkeiten der Gesprächsbeendigung nach der methodischen Anleitung für Kurzgespräche“.
Aufbau
Das Thema wird in vier Kapiteln bearbeitet. Zunächst werden die typischen Elemente des Kurzgesprächs vorgestellt und dann die Methodik der Gesprächsführung erläutert. Dem Beenden des Kurzgesprächs wird ein gesondertes Kapitel gewidmet. Beschlossen wird das Buch mit einem Kapitel über die seelsorgerliche Dimension und ein Nachwort von Prof. Schneider- Harpprecht über die Methode des Kurzgesprächs in der Alltagsseelsorge
Inhalte
Das Kurzgespräch ist keine Therapiesitzung und sie ist nicht geeignet, vertiefend zu problematisieren oder Konflikte zu analysieren, sondern durch das Kurzgespräch soll Ausschau gehalten werden, was in der aktuellen spezifischen Situation und bei den bestehenden Rahmenbedingungen gelingen kann. Das Gespräch dient also dazu, einen ersten Schritt zur Befreiung zu ermöglichen.
Anhand dieser Grundhaltung werden die vier interaktiven Elemente, die im Grunde denen anderer Beratungsgespräche gleichen, im ersten Kapitel dargestellt. Wenn eine ratsuchende Person fragt: „Kann ich sie mal kurz sprechen?“, hat sie die Entscheidung getroffen, dass für sie Ort und Zeit günstig sind, mit der angesprochenen Person „kurz“ ein Problem zu besprechen. Dieses Angebot kann als begrenztes Mandat verstanden und genutzt werden. Die zunächst asymmetrische Beziehung zwischen ratsuchender und beratender Person („Ich brauche Hilfe, du kannst helfen.“) und die Verlockungen bzw. Risiken, sich im Konfliktkarussell zu bewegen (Die Situation ist ausweglos und hat eine lange Vorgeschichte.), können verhindern, die von der ratsuchenden Person angebotenen Lösungsschlüssel im Gespräch aufzugreifen und handhabbar zu machen. Der Autor stellt diese Schwierigkeiten und den angemessenen Umgang damit dar.
Im zweiten Kapitel, dem Hauptteil des Buches, wird in zehn Punkten die Methodik der Gesprächsführung erörtert. Wesentlich für das Gelingen ist natürlich die Grundhaltung der beratenden Person, die sich immer wieder bewusst macht, dass es weder um Diagnosen geht noch um Problemanalysen, sondern darum, die ratsuchende Person anzuleiten, Erfahrungen so zu verknüpfen, dass sie von sich aus entdeckt, wie es weitergehen könnte. Der Autor beschreibt, wie die beratende Person das Gespräch auf das Wichtige, Mögliche und Zentrale konzentriert und konkret umsetzbare Ziele zu formulieren.
Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem schlüssigen Ende des Kurzgesprächs, das nicht ein Vertrösten auf einen anderen Termin oder ein hilfloses „da kann man nichts machen“ meint, sondern ein Ergebnis, ein erreichbares Ziel, einen klar ausgedrückten Entschluss der ratsuchenden Person.
Kapitel vier schließlich widmet sich dem psychischen Selbstkonzept helfender Personen.
Fazit
Das Buch besticht durch eine präzise Darstellung der Methodik und anschauliche Praxisbeispiele. Es ist für Menschen in helfenden und beratenden Berufen gedacht, die sich auf das Wagnis einlassen wollen, außerhalb des geschützten Raumes mit von ihnen bestimmten „günstigen“ Rahmenbedingungen qualifizierte Kurzgespräche zu führen. Da der Autor nicht nur in den Gesprächsbeispielen sondern auch in dem Buch selbst schnell auf den Punkt kommt und auf weitschweifige Ausflüge in die Theorie verzichtet, wächst einerseits beim Leser der Eindruck, sehr schnell handhabbare Instrumente für Kurzgespräche in die Hand zu bekommen, andererseits besteht die Gefahr der rezeptartigen Übernahme von Interventionstechniken.
Rezension von
Michael Götze-Ohlrich
Therapeut in einer Einrichtung für Jugendliche und junge Erwachsene mit Entwicklungsbesonderheiten
Es gibt 4 Rezensionen von Michael Götze-Ohlrich.