Antje Bostelmann (Hrsg.): Praxisbuch Krippenarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Ines Kadler-Neuhausen, 28.12.2008

Antje Bostelmann (Hrsg.): Praxisbuch Krippenarbeit. Leben und lernen mit Kindern unter 3. Verlag an der Ruhr GmbH (Mülheim an der Ruhr) 2008. 129 Seiten. ISBN 978-3-8346-0353-1. D: 19,50 EUR, A: 20,00 EUR, CH: 34,20 sFr.
Thema
Die Kinderkrippe und deren Betreuungs- und Bildungsangebot steht im Zentrum des Praxisbuchs. Nach den aktuellen bundesdeutschen Debatten um die Bereitstellung einer ausreichenden Zahl an Kinderkrippenplätzen erscheint es notwendig, nicht nur um die Menge sondern auch um die Qualität solcher Angebote für Kinder unter drei zu ringen. Antje Bostelmann und mit ihr der Hauptautor Michael Fink sowie erfahrene Kolleginnen aus den Berliner KLAX-Kindergärten und Krippen stellen hier einen Praxisratgeber zur Verfügung für Menschen, die Kinder unter drei Jahren betreuen und sich Rat und Anregung holen möchten für die Frage, wie man den Krippenalltag für sehr junge Kinder optimal gestaltet. Beschrieben wird einerseits anhand von Beispielen die praktische pädagogische Arbeit in Kinderkrippen, anderseits werden pädagogische Grundwerte und Überzeugungen diskutiert, die die Herangehensweise und Umsetzungsideen für eine moderne Krippenpädagogik begründen.
Entstehungshintergrund
Die Einrichtungen für Kinder der KLAX gGmbH arbeiten nach dem pädagogischen Konzept von KLAX. Dieses beinhaltet zunächst ein Bild vom Kind zu kommunizieren, das die Individualität jedes einzelnen Kindes respektiert zugleich aber auch den Anspruch hegt, Kinder in ihrem natürlichen Bedürfnis zur Auseinandersetzung mit der Welt zu unterstützen, ihre Entwicklungs- und Bildungsprozesse optimal zu fördern. Für Kinder unter drei bedeutet das, deren besonderen Bedürfnissen mit angemessenen räumlichen und pädagogischen Konzepten Rechnung zu tragen. Deshalb haben sich die Krippenerzieherinnen bei KLAX auf einen Entwicklungsprozess in ihren Einrichtungen eingelassen und sich Unterstützung bei dem italienischen Pädagogikprofessor Matteo Bianchini geholt. Um die Erfahrungen in der Arbeit jungen Kindern auch anderen zugänglich zu machen, haben die Erzieherinnen der KLAX-Kinderkrippen ihre Arbeit dokumentiert. Die Dokumentationen und Erfahrungsberichte bilden die Grundlage für die Publikation.
Aufbau und Inhalte
Die Veröffentlichung ist in zehn Kapitel untergliedert.
Ausgehend von den verschiedenen Perspektiven auf und Erwartungen an die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, die aktuell im öffentlichen Diskussionsraum stehen, wird versucht die Wandlungsanforderungen an die Institution Kinderkrippe zusammenzutragen. Neben die grundlegenden Annahmen wird sodann ein Praxisteil gestellt, der Rahmenbedingungen genauso reflektiert wie detailliert die Arbeit mit Kindern im ersten, zweiten und dritten Lebensjahr beschreibt. Schlussendlich wird am Beispiel der Arbeit mit Eltern und anhand der Vorstellung instrumenteller Handwerkszeuge (Beobachten, Planen, Themen entwickeln) auf die Arbeitsfelder eingegangen, die professionelles pädagogisches Handeln in der Kindertagesbetreuung auszeichnen. Nützliche Ratschläge zu den vielen Kleinigkeiten, die Kinder gar nicht brauchen oder eine echte Gefahr darstellen runden den Durchgang durch den Krippenalltag ab. Geordnet sind die Kapitel nach folgenden Themen:
- Fürsorge, Vertrauen, vielfältige Anreize: Was ein Kind braucht
- Ständig in Entwicklung: Räume für Krippenkinder
- Ein Tag in der Krippe: die Babys
- Nachahmen, erforschen, untersuchen: Was spielen Krippenkinder?
- Ein Tag in der Krippe: Die Einjährigen
- Aktionstabletts: Rätsel für Wahrnehmung und Motorik
- Ein Tag in der Krippe: Die Zweijährigen
- Gemeinsam für das Kind da sein: Brücken bauen zwischen Eltern und Pädagoginnen
- Gezielt beobachten, Bedürfnisse erkennen, Themen entwickeln: Planen in der Krippe
- Was ein Kind nicht braucht: Über unnötige Helfer und echte Gefahren
Alle Kapitel sind mit anschaulichen Beispielen illustriert, bevor sie aktuelle und z. T. kontroverse Diskussionen um das jeweilige Thema aufgreifen und Anregungen aus dem Erfahrungsalltag der Praktikerinnen aus den KLAX-Kinderkrippen mitteilen.
Diskussion
Die Leserinnen und Leser können sich den in der Publikation aufgegriffenen Themen zunächst vollkommen interessengeleitet nähern. Schnell werden sie merken, dass es sich lohnt, die eine oder andere Passage intensiver vorzunehmen, zu durchdenken und an eigenen Erfahrungen zu überprüfen. Gerade die kleinen und kurzweiligen Alltagsbeschreibungen über Kinder, deren Entwicklungs- und Lernerfolge regen dazu an, zunächst selbst Beobachtungen anzustellen, die je beschriebene Situation sensibel nachzuvollziehen, vielleicht um eigene Denkhorizonte zu ergänzen. Plausibel und unaufgeregt werden klassische Kontroversen um die Gestaltung von alltäglichen Situationen in der Arbeit mit Kindern aufgegriffen und hinterfragt. Die beschriebenen Beispiele zum Umgang mit solchen Situationen und Gestaltungsherausforderungen sollen anregen und nicht etwa Arbeitsweisen überstülpen. Durchgängig ist das dahinter stehende Konzept zu spüren ohne dass der belehrende pädagogische Zeigefinger erhoben wird. Sprachlich bleibt der gesamte Text nahe an der Kinderkrippenwelt, die Kinder und Erzieherinnen sowie Erzieher gemeinsam erleben. Es werden Antworten angeboten, wo sich, ohne viel Vorstellungskraft investieren zu müssen, unweigerlich Fragen auftun. Besonders hilfreich erscheinen die Kapitel, die das so genannte pädagogische Handwerkszeug präsentieren. Denn hier werden konkrete Möglichkeitsräume eröffnet, die in den pädagogischen Arbeitsalltag von Erzieherinnen und Erziehern integriert werden können, ohne dass sie überfordern. Aufwand und Nutzen werden ehrlich gegenübergestellt. Gefordert ist bei allen Anregungen, Möglichkeitsbeschreibungen und Beispielen jedoch ein gutes Maß an Aufgeschlossenheit vor allem bei Erzieherinnen und Erziehern in anderen Einrichtungen, sich selbst und den jeweiligen Arbeitsalltag zu hinterfragen, die Bedürfnisse von Kindern unter drei Jahren zu erschließen und Änderungen zu beabsichtigen. Es ist eine Aufforderung in kleinem oder auch in großem Umfang selbst tätig zu werden.
Fazit
Die Publikation erfüllt den selbst gestellten Anspruch, Praxishilfe anzubieten. Der große Vorteil ist, dass alle Beschreibungen auf Erfahrungen und Dokumentationen beruhen, die gemacht worden sind. Obwohl sicher bei den KLAX-Kinderkrippen von vornherein von guten Rahmenbedingungen ausgegangen werden muss, können auch bei weniger guten Bedingungen in anderen Einrichtungen viele Anregungen aufgegriffen werden. Für Pädagoginnen in Einrichtungen, die mit Kleinstkindern arbeiten ist das Praxisbuch daher eine Bereicherung und lohnenswerte Anschaffung.
Rezension von
Prof. Dr. Ines Kadler-Neuhausen
Erziehungswissenschaftlerin, Hochschule Fulda, FB Sozialwesen
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