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Lotte Rose, Marc Schulz: Gender-Inszenierungen

Rezensiert von Elke Schilling, 09.03.2009

Cover Lotte Rose, Marc Schulz: Gender-Inszenierungen ISBN 978-3-89741-241-5

Lotte Rose, Marc Schulz: Gender-Inszenierungen. Jugendliche im pädagogischen Alltag. Ulrike Helmer Verlag (Sulzbach/Taunus) 2007. 307 Seiten. ISBN 978-3-89741-241-5. 20,00 EUR. CH: 33,90 sFr.
Reihe: Unterschiede - Band 7.

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Thema

Jugendliche bringen Gender als soziale Unterscheidung in ihren alltäglichen Inszenierungen auf unterschiedlichste Weise unentwegt ins Spiel. Das Buch dokumentiert ein Forschungsprojekt „Jugendliche Genderinszenierung in der offenen Jugendarbeit“ vor dem Hintergrund zweier Fachdebatten der offenen Jungendarbeit. Die eine ist die um die Bildungsdimensionen und Bildungsnachweise offener Jungendarbeit, die andere die um die genderbezogenen Qualifizierungen in diesem Praxisfeld.

Entstehungshintergrund

Das Forschungsprojekt wurde im Zeitraum von 2005 bis 2007 von den AutorInnen und einigen Studierenden an drei Jugendhäusern durchgeführt . Mit teilnehmender Beobachtung, unterstützt durch mündliche oder schriftliche Befragungen sowie durch medientechnische Aufzeichnungen werden kulturelle Praxen dieser sozialen Gruppe von einem „natives point of view“ eingefangen und gedeutet.

Aufbau und Inhalt

In vier Kapiteln werden die Verortung des Forschungsprojektes, die ethnografischen Notizen aus dem Alltag im Jugendhaus, Sinnentschlüsselungen als Wege des Verstehens jugendlicher Inszenierungen dargelegt und letztlich Bilanz gezogen.

  1. Verortung des Forschungsprojektes. In diesem Kapitel werden Diskursbezüge, Begrifflichkeiten und der ethnografische Zugang zum Forschungsgegenstand geklärt.
  2. Ortsbegehung. Ethnografische Notizen aus dem Alltag im Jugendhaus. Nach einem Kurzportrait der untersuchten Jugendhäuser werden die ihnen eigenen räumlichen Kontexte wie Eingangszone, Offener Bereich, Spiel- und Arbeitsräume in ihren unterschiedlich gesetzten oder offenen Interaktionsmöglichkeiten anhand von Beobachtungen und Deutungen dieser Beobachtungen geschildert. Ebenso werden „geschlossene“ settings wie casting oder Billardtisch, Disco oder Musikraum mit den dort stattfindenden Interaktionen der Jugendlichen untersucht. Dies immer auch vor dem Hintergrund, ob und auf welche Weise dort Inszenierungen von Gender stattfinden.
  3. Sinnentschlüsselungen. Wege des Verstehens jugendlicher Inszenierungen. Zusammenfassend werden hier Dramaturgiemuster jugendlicher Inszenierungen vor dem Hintergrund von Räumlichkeiten als Interaktionskulissen, im Spannungsfeld zwischen Agierenden und Publikum bis hin zur Thematisierung und Dethematisierung von Gender gedeutet. Es werden soziale Pragmatismen dieser Inszenierungen beleuchtet und vor allem die erwachsene Schwierigkeit hinterfragt, jugendliche Initiationsakte zu verstehen. Und letztlich werden auch die Exponierungen des Körpers in diesen Interaktionen hinterfragt und diese als ästhetische Handlungen gedeutet.
  4. Bilanz. Jugendliche Genderinszenierungen als Bildungsangelegenheiten. Wiederum unter sehr differenzierten Blickwinkeln werden im letzten Kapitel der adultozentrische Problemblick mit dem Generalverdacht thematisiert, unter dem Genderinszenierungen häufig stehen. Diese Inszenierungen werden hier als Bildungsressourcen dargestellt, die an die im Jugendhaus Tätigen die eigentliche pädagogische Herausforderung stellen, Bildung als Co-Produktion zu betrachten und adäquate pädagogische Antworten zu finden. Und es wird das Spannungsfeld aufgemacht zwischen De-Gendering der Inszenierungsdeutungen und verschenkten Bildungsgelegenheiten durch Zurückhaltung, wo möglicherweise Intervention angebracht ist.

Zielgruppen

Das Buch richtet sich an in der Jugendarbeit Tätige, sowie auf diesem Gebiet Forschende. Es trägt Nachdenkliches bei zum zeitweise verengten Genderdiskurs in der Jugendarbeit, ist also auch adressiert an Gendertrainerinnen und Gendertrainer, die in diesem Feld unterwegs sind.

Ganz ohne Zweifel ist Lotte Rose eine hochqualifizierte Forscherin auf dem Gebiet der Jugendarbeit, was sich auch in den sehr vielfältigen Perspektiven, Herangehensweisen und Schlussfolgerungen dieses Buches zeigt. Der Aufwand der ethnografischen Methode zeigt sich allerdings auch in der Mühseligkeit, vielfältigste Interaktionen zu dokumentieren und danach immer auch zu reflektieren. Das geht zu Lasten der Lesbarkeit – man liest dieses Buch nicht in einem Anlauf und es stellt sich die Frage, ob nicht auf die eine oder andere Interaktionsschilderung hätte verzichtet werden können.

Fazit

Gender-Inszenierungen ist ein Buch, dass Beschäftigten in der offenen Jugendarbeit empfohlen werden sollte, um kritische Perspektiven auf die eigene Arbeit zu eröffnen. Es gibt vielfältige Anregungen für den pädagogischen Diskurs ebenso wie für das kritische Hinterfragen offener Jugendarbeit im Spannungsfeld von adultozentrischer, normierender Sicht auf jugendliche Interaktionen und Gewährenlassen oder das Setzen von notwendigen Rahmungen.

Rezension von
Elke Schilling
SeniorInnenvertretung Mitte www.SeniorInnenvertretung-Mitte.de
Website

Es gibt 16 Rezensionen von Elke Schilling.

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ISSN 2190-9245