Hans-Dieter Schneider, Sandra Thuering et al.: Führungsaufgaben im Alten- und Pflegeheim
Rezensiert von Dipl. Soz. Gerontologe Peter-Christian König, 15.11.2008

Hans-Dieter Schneider, Sandra Thuering, Ursula Ruthemann: Führungsaufgaben im Alten- und Pflegeheim. Management durch Einsicht in Komplexitäten. Asanger Verlag (Kröning) 2007. 7., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. 151 Seiten. ISBN 978-3-89334-351-5. 16,00 EUR.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-89334-567-0 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Zielsetzung und Zielgruppe
"Die schwierige Situation in Alten- und Pflegeheimen (Extremlagen menschlicher Existenz; knapper Personalstand) stellt an die Leitung dieser Heime ganz besondere Anforderungen. Durch differenzierte Statements und Anleitungen will dieses Buch eine Hilfestellung für die besonderen Führungsaufgaben geben. Das von den Autoren entwickelte 3 x 2 - Modell für Heimleiter – Management durch Einsicht in Komplexitäten – wird der Vieldimensionalität der Aufgaben gerecht und umfasst einen sechsphasigen Problemlösungsprozess. Die methodischen Schritte werden durch Beispiele aus dem Heimalltag illustriert, die im Vorfeld der Publikation in intensiven Gruppendiskussionen auf ihre Praxisnähe geprüft wurden…" so die Beschreibung des Verlages zum vorliegenden Buch, welches die Komplexität des Leitungshandelns im Altenpflegeheim darstellen und ein neues Führungskonzept vorstellen will.Zielgruppe dafür dürften in erster Linie Altenheimleitungen, aber auch Pflegedienstleitungen und all die andere Funktionsträger mit Führungsverantwortung im Pflegeheim sein, die im Spannungsfeld zwischen Bewohnern, Mitarbeitenden, öffentlichen und privaten Auftraggebern, wirtschaftlichen Zwängen und ihren eigenen ethisch-moralischen Ansprüchen stehen.
Aufbau und Inhalt
Grob kann das vorliegende Buch in vier Teilen unterschieden werden:
- Einleitung und Begründung eines neuen Führungsmodells für die stationäre Altenarbeit
- Einführung in unterschiedliche Führungstheorien und –modelle
- Vorstellung eines neuen Führungsmodells, des 3x2-Modell
- Erläuterung des 3x2-Modells anhand von praktischen Beispielen
Im ersten Teil (Kapitel
1 und 2) wird die Genese des Buches dargestellt und begründet, warum aus Sicht
der Autoren für das spezielle Arbeitsfeld "Alten- und Pflegeheim" ein spezifisches Führungsmodell Anwendung
finden sollte und nicht herkömmliche Führungsmodelle, die in anderen
Dienstleistungs- und Wirtschaftsunternehmen Anwendung finden. Begründet wird
dieses vor allem mit der besonderen Beziehungsdynamik zwischen Mitarbeitenden,
Bewohnern, externen Einflussnehmern, Leitungen usw., aber auch mit der
schwierigen Spagatsituation zwischen wirtschaftlichen Zwängen und eigenen
ethischen Ansprüchen, in denen sich Mitarbeitende in Heimen oft befinden, mit
der permanenten Auseinandersetzung mit der Endlichkeit menschlicher Existenz
und anderen psychodynamischen Bedingungsfaktoren.
Sehr breit wird die
spezielle Funktion, Rolle und Verantwortung des Heimleiters betont, für den es
im Grunde kein eigenes festgelegtes Anforderungsprofil und Berufsbild oder gar eine
europaweit einheitliche Ausbildung gibt.
Im zweiten,
umfangreichsten Teil (in den Kapitel 3 – 6) werden im Einzelnen sehr knapp 12 unterschiedliche
Führungskonzeptionen beschrieben. Dabei finden sowohl systemtheoretischem
Ansätze, lern- und verhaltenstheoretische Ansätze, wie auch klassische Managementprinzipien (management by…)
ihre Berücksichtigung. Vorgestellt werden (in Kap. 4) auch mehrdimensionale
Führungsmodelle unterschiedlicher Autoren wie Fiedler, Yukl oder Sims &
Lorenzi.
Es wird deutlich gemacht, dass gute
Führung nicht auf einem einzelnen Theorieansatz beruhen kann, sondern immer
auf einem Ineinandergreifen
unterschiedlicher Modelle und Methoden fußt. Dieses wird (Kap. 5) am Beispiel
sog. "Magnet-Krankenhäuser, am Beispiel des New Public Managements, des
Qualitätsmanagements und anhand von konkreten Reformprojekten aus der Schweiz verdeutlicht.
Nachdem auf dieser Basis die Komplexität
von Führung deutlich geworden ist, führen die Autoren im dritten Teil
(Kap. 6.1.) zu einem neuen Führungsmodell für Heimleiter, dem 3x2 –Modell,
hin. Dieses bearbeitet in einem festen Regelkreis anstehende Probleme und kann
in einen aktionsorientierten, einen handelnden und einen bewertende Teil
unterteilt werden. Dabei fließen Elemente der oben beschriebenen 12
Führungsmodelle systematisch in den Problemlösungskreis ein, das heißt die
angebotenen Vorgehensweisen berücksichtigt auf dieser Basis jeweils
- unterschiedliche Systemeigenschaften
- Machtverhältnisse
- Strukturvoraussetzungen
- Kommunikation
- Lernen
- Austauschbeziehungen
- Gruppeneffekte
- Bedürfnisse und Werte
- Handlungs- und Tätigkeitsspielräume
- Managementmethoden
- sich selbst erfüllende Prophezeiung und
- situationsangemessenes Handeln
und setzen damit die geschilderten Führungsmodelle in eine systematisierte Praxis um. Die 3x2-Systematik beruht auf den Handlungsschritten:
- Situationsanalyse – Zielformulierung
- Suchen und Bewerten von Lösungen
- Realisierung der Lösung und abschließende Bewertung.
Der vierte Teil des Buches muss als Praxisteil verstanden werden. Im Kap. 6.2. ff wird anhand von zwei konkreten Beispielen der oben geschilderte Regelkreislauf sehr dezidiert durchgespielt. Der Praxisteil schließt (Kap.7) mit dem Umgang mit speziellen Problemen im Heimalltag und bietet auch hier anhand des geschilderten 3x2-Modells Handlungs- und Lösungsansätze. Behandelt werden hier Fälle von Mobbing, Umgang mit neuen Mitarbeitern, Umgang mit Mitarbeitenden aus entfernteren Kulturen und dem Umgang mit Gewaltphänomenen.Im Kapitel 8 geben die Autoren noch einen Einschätzung/ Ausblick auf die Anwendbarkeit des vorgestellten Modells ab.
Diskussion
Dem jetzt in der 7. Auflage vorliegenden Buch ist anzuspüren, dass es zunächst in einem Land (Schweiz) und in einer Zeit verfasst wurde, in dem/der die Auswirkungen der deutschen Pflegeversicherung auf die Lebenswirklichkeit im Heim noch nicht so deutlich absehbar waren, wie sie heute hier zutage treten. So hat sich nach Meinung des Rezensenten die Professionalität und das berufliche Selbstverständnis von Heimleitungen in den letzten Jahren deutlich weiter entwickelt, als von den Autoren im Eingang des Buches angenommen. Die Autoren verzichten in ihrer Betrachtung des Heimalltages völlig auf die Unterscheidung von Führung und Steuerung und übersehen damit, dass von derzeitigen Leitungsverantwortlichen im Heim der vorgegeben ökonomische Rahmen (wirksam, wirtschaftlich) im Bereich der Steuerung über QM, Projektmanagement, Changemanagement und andere Steuerungsmethoden, wie auch der psychodynamische Anteil im Bereich der Führung sehr professionell im Blick ist.
Ebenso wenig findet Berücksichtigung, dass gute Führungsarbeit nicht nur auf Techniken beruht, sondern im gleichen Maße auf Haltung und einer geeigneten Persönlichkeitsstruktur. Die sogenannten "soft skills" der Führungspersönlichkeit finden so gut wie keine Beachtung.
Manche Fallbeispiele wirken konstruiert und wirklichkeitsfremd, die geschilderte 3x2-Methode sehr konstruiert und zeitintensiv.
Typographie und Satz erschweren zumindest dem alternden Auge die Lektüre.
Positiv ist zu bemerken, dass das Werk einen recht umfassenden, wenn auch im Einzelnen sehr knappen Überblick über die bekanntesten Führungsmodelle gibt. Der interessierte Leser kann sich in unterschiedliche Theorien einlesen und diese ggf. an anderer Stelle vertiefen, wenngleich die angegebene Literatur nicht auf dem aktuellsten Stand ist.
Ebenso lädt das Buch dazu ein, das eigene Leitungs- und Führungshandeln zu reflektieren und unter Umständen neue Wege zu probieren.
Fazit
Unter den genannten Aspekten kann das Buch in der Heimleiter- oder PDL-Ausbildung ein guter Impulsgeber sein. Mit derzeit 16 EURO ist es überdies durchaus noch erschwinglich.
Rezension von
Dipl. Soz. Gerontologe Peter-Christian König
Sozialarbeiter, Leiter der Stabsabteilung Altenhilfe im Ev. Johanneswerk e.V. Bielefeld
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