Rita Steininger: Kinder lernen mit allen Sinnen
Rezensiert von Prof. Stefan Müller-Teusler, 22.11.2016

Rita Steininger: Kinder lernen mit allen Sinnen. Wahrnehmung im Alltag fördern. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2016. 5. durchgesehene Auflage. 197 Seiten. ISBN 978-3-608-94529-4.
Thema
Kinder mit sogenannten Verhaltensauffälligkeiten nehmen zu. In Kitas und Schulen sind sie Dauerthema. Sie beschäftigen Lehrer, Erzieher, Eltern, Einzelfallhelfer und teilweise auch (Jugend-)Ämter.
Unabhängig von den möglichen individuellen Ursachen der Verhaltensauffälligkeiten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, Wahrnehmungen im Alltag zu fördern – jenseits von Therapie und spezialisierten Berufen, die gleichwohl im Einzelfall sehr nötig sein können. Dafür und hier setzt das Buch von Rita Steininger an, die mit diesem Buch insbesondere Eltern und Kita-Mitarbeitern sowie schulischen Laienhelfern eine Vielzahl vor Fördermöglichkeiten im Alltag an die Hand geben möchte.
Autorin
Ausgehend von Erlebnissen und Erfahrungen mit eigenen Kindern hat die Autorin schon drei Bücher geschrieben, die den Erziehungsalltag betreffen.
Aufbau
Das Buch ist in zehn Kapitel unterteilt und enthält zusätzlich einen Anhang mit Glossar und nützlichen Adressen.
Die Kapitel 1-3 beschreiben die individuellen und physiologischen Vorraussetzungen, während die Kapitel 4-9 eine Vielzahl konkreter Fördermöglichkeiten aufzeigen. Kapitel 10 widmet sich der professionellen Unterstützung, wenn sie erforderlich ist.
Inhalt
Kapitel 1 stellt die sieben Sinne vor und skizziert kurz, wie sich Wahrnehmung entwickelt. Das Kapitel schließt mit dem Hinweis auf die besondere Bedeutung des Zusammenspiels der Sinne.
Kapitel 2 beschäftigt sich mit Wahrnehmungsstörungen. Entsprechend dem vorangegangenen Kapitel geht es insbesondere um Fehlentwicklungen der taktil-kinästhetischen Wahrnehmungen. Als Folge davon werden kurz Verhaltensauffälligkeit und Teilleistungsstörungen angesprochen, speziell auch AD(H)S. In dem Kapitel werden auch Hinweise für Eltern und Erzieher gegeben, worauf im Kleinkindalter besonders geachtet werden sollte. Kurz geht die Autorin auch auf die mögliche Genese ein und spricht die heutige Lebensweise an.
Das 3. Kapitel ist sicherlich für manche Leser eine Herausforderung, weil es hier um den Perspektivenwechsel geht: die Welt einmal (praktisch) aus den Augen von (wahrnehmungsbeeinträchtigten) Kindern zu sehen. Dabei benutzt sie klassische Mahnsätze („pass doch auf…“) als Überschrift, was gleichzeitig die verbale Repression gut ausdrückt, die damit einhergeht.
Kapitel 4 beginnt mit den vielen Förderbeispielen, die das Buch beinhaltet und setzt im Alltag und Haushalt an. Es geht nicht primär um ein spezifisch zu schaffendes Setting, sondern um praktische Anknüpfung in dem Kontext, wo wir uns alltäglich begegnen und beschäftigt sind. Neben diesen „natürlichen“ Anknüpfungspunkten gibt es auch Hinweise zum eigenen Agieren als Erzieherpersönlichkeit.
Kapitel 5 führt die im vorigen Kapitel begonnene Skizzierung des Rahmens fort und geht auf die Voraussetzungen und die Anbahnung ein.
Kapitel 6 enthält eine Vielzahl von Förderspielen/-möglichkeiten, die entsprechend der unterschiedlichen Sinne unterteilt sind.
Dies wird in Kapitel 7 auf die ganze Familie ausgeweitet (Einbezug von Geschwistern, Spiele selber herstellen).
Kapitel 8 skizziert eine Vielzahl von Spielen, die im Freundeskreis des Kindes gespielt werden können. Darin sind auch Anregungen für den Kindergeburtstag sowie für sinnvolle Geschenke genannt.
Den weiteren Ansatz des Buches fortführend geht es im Kapitel 9 um Sinnesförderung draußen: auf dem Spielplatz, im Wald und im Urlaub (am Meer oder See).
Kapitel 10 geht auf den Kontext der professionellen Hilfen ein und beschreibt kurz, welche vielfältigen therapeutischen professionellen Hilfen es gibt.
Im Anhang gibt es ein Glossar zur Erklärung relevanter Wörter, die aber auch schon im Text erklärt werden. Einige ausgewählte überregionale Adressen aus Österreich, Schweiz und Deutschland beenden das Buch.
Fazit
Das Buch ist für Praktiker und „Macher“ geschrieben, die nicht gerne und viel lesen, sondern kurze, knappe Hintergrundinformation aufnehmen und dann im Alltag loslegen wollen. Dafür bietet das Buch eine Fülle an Möglichkeiten und Hinweisen, die teilweise auch mit Beispielen aus dem Alltag untersetzt sind, wie sie ganz häufig vorkommen und auch typisch sind. Hier sind insbesondere Menschen angesprochen, die keine pädagogische oder therapeutische Ausbildung haben oder sich am Anfang eine Fachschulausbildung befinden. Für Menschen, die beruflich schon länger in diesen Kontexten sind, kann es vielleicht eine Auffrischung oder Impulsgeber sein. Die theoretischen Aspekte sind sehr knapp dargestellt – sicherlich der skizzierten Leserschaft geschuldet, aber bergen auch die Gefahr, dass Laien sich zum Experten erklären, denn es ist plausibel und für sich geschlossen dargestellt. Was im Buch zu kurz kommt, ist das Spektrum der Wahrnehmungsstörungen im Kindesalter, das deutlich über AD(H)S hinausgeht.
Rezension von
Prof. Stefan Müller-Teusler
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