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Angelika Iser: Supervision und Mediation in der sozialen Arbeit

Rezensiert von Carla van Kaldenkerken, Dipl. Volkswirt Roland Kunkel-van Kaldenkerken, 23.09.2008

Cover Angelika Iser: Supervision und Mediation in der sozialen Arbeit ISBN 978-3-87159-710-7

Angelika Iser: Supervision und Mediation in der sozialen Arbeit. Eine Studie zur Klärung von Mitarbeiterkonflikten. dgvt-Verlag (Tübingen) 2008. 495 Seiten. ISBN 978-3-87159-710-7. 38,00 EUR.
Reihe: Beratung - 10.

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Thema, Entstehungshintergrund, Autorin

Aus dem Titel des Buchs ergibt sich die Leitfrage der Autorin, wie Supervision und Mediation zur Klärung von Mitarbeiterkonflikten und dadurch zur Qualitätsentwicklung in der Sozialen Arbeit beitragen können. Dazu hat Frau Iser 2006 ihre Dissertation vorgelegt. Das vorliegende Buch ist eine überarbeitete und gekürzte Fassung dieser Arbeit. Sie lehrt heute als Professorin an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften der Hochschule München (FH).

Überblick

Angelika Iser legt in fünf einführenden Kapiteln die Grundlagen des Buches. Zunächst bestimmt sie den Gegenstand Sozialer Arbeit, sie bezieht sich hier auf die Theorie der Lebensweltorientierung von Hans Thiersch. Anschließend erläutert sie in weiteren Kapiteln ihr Verständnis von Supervision und Mediation. Es folgt eine erste Verhältnisbestimmung von sozialer Arbeit, Supervision und Mediation. Sie entwickelt erste Hypothesen, wie Supervision und Mediation gestaltet sein sollten, um lebensweltorientierter Professionalität und Passung zu genügen. Mitarbeiterkonflikte als gemeinsamer Bezugspunkt von sozialer Arbeit, Supervision und Mediation werden im fünften Kapitel konzeptionell gefasst.

Im Hauptteil ihrer Arbeit stehen acht Fallstudien von Supervisoren und Mediatoren zur Beratung von Mitarbeiterkonflikten in sozialen Organisationen. In zwei Kapiteln begründet sie ihr methodisches Vorgehen. Die Fallstudien, basierend auf einem halbstrukturierten Interviewleitfaden, geben einen Einblick in den Verlauf der Konfliktbearbeitungen und deren Reflexion durch die Experten zu methodischen und theoretischen Aspekten.

Anschließend wertet die Autorin in zwei Kapiteln die für sie teilweise überraschenden Ergebnisse der Fallstudien aus. Ein wesentliches Ergebnis ihrer Arbeit fasst ihre Doktormutter Prof. Dr. Maja Heiner im Vorwort wie folgt zusammen: Aus ihrer Interpretation kann sie " vier Typen der Konfliktinterventionen nachweisen, die quer zu den Konzepten von Mediation und Supervision in der Praxis nachweisbar sind. Auf dieser Grundlage entwickelt Angelika Iser ein Modell der Konflikt-, Situations- und Verfahrensdiagnose, das ausgezeichnet geeignet ist, Reflexions- und Interventionsprozesse in der Praxis zu strukturieren." (S.18) Im letzten Kapitel werden zunächst das Vergehen und die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst und die Einflüsse von Mediation und Supervision zur Qualitätsentwicklung und Professionalisierung sozialer Arbeit skizziert.

Zielgruppen

Auf dem Klappentext werden sowohl Berater als auch Konfliktbetroffene, die Hilfe suchen, als Zielgruppe benannt. Unseres Erachtens ist das Buch aber für Konfliktbetroffene nicht geeignet. Dagegen halten wir das Buch für eine ausgezeichnete Grundlage für alle Professionellen, die am fachlichen Dialog zwischen Sozialer Arbeit, Mediation und Supervision interessiert sind.

Aufbau

Im Weiteren unterscheiden wir 3 Schwerpunkte des Buches: die Grundlegung, die Fallstudien und das Ergebnis.

1. Grundlagen

Die Darstellung des lebensweltorientierten Ansatz halten wir für ausgesprochen instruktiv und informativ. Für alle, die im Feld Sozialer Arbeit und in sozialen Organisationen beraten und Führungsaufgaben wahrnehmen, sind besonders die Qualitätskriterien lebensweltorientierter Sozialarbeit prägnant zusammengefasst. (S. 56)

Frau Iser versucht auf der Basis umfangreicher Literaturstudien eine Darstellung von Supervision als Qualitätsverfahren. Dazu beschreibt sie zunächst die Geschichte von Supervision als Beitrag zur Entwicklung der Sozialen Arbeit. Bei ihrer Darstellung der verschiedenen Formen, Settings und methodischen Besonderheiten der heute praktizierten Supervision irritiert, dass sie sich auf verschiedene methodisch orientierte Supervisionskonzepte bezieht. Das systemische und gruppenanalytische Konzept vertieft sie in ihrer Darstellung, da Experten bei ihren Fallstudien Vertreter dieser methodischen Orientierungen sind. Diese Ausrichtung an einem methodisch orientierten Verständnis von Supervision ist im Fachdiskurs mindestens der deutschen Gesellschaft für Supervision aber in den letzten Jahren abgelöst worden von einer methodenunabhängigen Beschreibung der Standards von Supervision.

Wir möchten an dieser Stelle Frau Prof. Dr. Kornelia Rappe- Giesecke zitieren, die mit ihrer Definition von Supervision den heutigen Stand von Supervision charakterisiert: "Supervision ist personenbezogene berufliche Beratung für Professionels. Ihre Aufgabe ist es Einzelne, Gruppen oder Teams von Professionels zur individuellen und sozialen Selbstreflexion zu befähigen. Ziel dieser Reflexion ist die Überprüfung und Optimierung des beruflichen und methodischen Handelns. Supervision hat sich in den letzten Jahrzehnten als Beratungsprofession profiliert, die sich nicht über Methoden definiert, sondern über den Gegendstand der Beratung, das berufliche Handeln. Dafür borgt sie sich, je nach Anlass und Zielbeschreibung, verschiedene Methoden aus. Die Stärke der Supervision liegt darin, dass sie die latenten Steuerungsprogramme der Person, der Profession, der Klienten und der Organisation erforscht und den Professionels zur Verfügung stellt. Wenn ich weiß, was mein Handeln leitet, habe ich die Chance, die Angemessenheit dieses Programms für die jeweilige Situation zu überprüfen und Alternativen zu suchen. Supervision hilft adäquate Selbstbeschreibungen zu finden und trägt so in hohem Maße zur Entwicklung der professionellen Identität bei." (Rappe- Giesecke, 2003, S. 3) Das - für uns - zu enge Verständnis von Supervision von Angelika Iser hat erhebliche Folgen für die Auswertung der Fallstudien. Darauf gehen wir im Rahmen der Beschreibung der Fallstudien noch näher ein.

Das Feld Mediation finden wir dagegen sehr zutreffend beschrieben. Die Heterogenität des Feldes und der noch junge Stand des fachlichen Dialoges verschiedener Mediationsströmungen machen es schwerer, Standards guter Mediation zu beschreiben. In dem Kapitel "Mediation als gesellschaftlich alternatives Konfliktlösungsverfahren" schildert sie sorgfältig zunächst die Geschichte, die verschiedenen Wurzeln, die Grundsätze und Haltungen und vertieft insbesondere den Anwendungsbereich Organisationsmediation.

Besonders überzeugend arbeitet sie die Werteverwandtschaft von Mediation und dem lebensweltorientierten Konzept in der Sozialen Arbeit heraus. Soziale Arbeit und Mediation haben gemeinsame Wurzeln in der Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte. Ein großer Teil des fachlichen Selbstbewusstseins von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen beruht auf ihrer Fähigkeit Konflikte zu erkennen, Spannungen auszuhalten und unterschiedliche Logiken zu überbrücken.

2. Fallstudien

In acht Fallstudien sammelt die Autorin empirisches Material für die Beantwortung ihrer Leitfrage. Inhaltlich nicht nachzuvollziehen ist für uns die Auswahl der Experten, bzw. die Kriterien für Best Practice. So überlässt sie es ihren Expertinnen die Bewertung, was besonders erfolgreiche Fallbearbeitung sind. Das hat mindestens in einem Fallbeispiel das Ergebnis, das eine völlig unklare Kontraktsituation als Gruppenkonflikt und nicht lösbarer struktureller Konflikt bearbeitet wird.

Unbeschadet dessen sind der erarbeitete Fragebogen und das Verfahren des halbstrukturierten Interviews mit einem überschaubaren Erhebungsaufwand (1-2 Std.) eine gute Möglichkeit für den kollegialen Erfahrungsaustausch und den fachlichen Dialog. Besonders Führungskräfte in der sozialen Arbeit, die Supervisions- und Mediationsdienstleistungen in Anspruch nehmen, können den Einblick in die sehr unterschiedlichen Fallbearbeitungen diskutieren, um sich über ihren eigenen Bedarf klarer zu werden und eigene Beratungsprozesse zu evaluieren.

Als Ausbilder für Mediation und Supervision haben wir die Fallstudien mit viel Interesse, z.T. großem Genuss, aber auch fachlichen Irritationen gelesen. Für den Diskurs über Standards und Kriterien guter Konfliktbearbeitung sind die dargestellten Fallstudien sehr anregendes Material.

Besonders positiv möchten wir die Fallstudie 8 hervorheben. Ein Kollege mit dem Pseudonym M entfaltet zu einer sehr schwierigen Konfliktkonstellation ein komplexes, gut durchdachtes und klares Verfahren. Die Versöhnungsleistung zu Verletzungen von beteiligten Personen, sowie die Analyse und Nutzung der Chancen des Falles halten wir für vorbildlich.

3. Ergebnisse

Von den Ergebnissen möchten wir fünf Punkte besonders hervorheben.

  1. Wir unterstreichen die Erkenntnis der Autorin, dass es bei der Beratung von Mitarbeiterkonflikten im Wesentlichen auf das Konflikt- und Verfahrensverständnis ankommt. "Nicht Mediation an sich ist eine sozialpädagogische Methode. Nicht Supervision an sich ist ein lebensweltorientiertes Qualitätsverfahren. Entscheidend ist die Konkretisierung der dahinter liegenden Normen, Werte und Konfliktverständnisse, die die Verfahren sozialpädagogisch erschließen und so zu feldimmanenten Konzepten der Konfliktklärung, Professionalität und Qualitätsentwicklung mit unterschiedlichen Reichweiten machen." (S. 456).
  2. Die vier Profile der Konfliktintervention (Konfliktkompetenzentwicklung, Konfliktvermittlung, Konfliktklärung und Konfliktaufarbeitung) und das Modell der Konflikt-, Situations- und Verfahrensdiagnose halten wir für stark diskussions- und erprobungsbedürftig.
  3. Die Rolle von Supervision und Mediation kann in der Professionalisierung sozialer Arbeit eine wesentlich stärkere Bedeutung bekommen. Die Studie zeigt, dass die Kompetenzentwicklung und sozialpädagogische Identitätsbildung von Professionellen, gerade im Übergang vom Studium in den Beruf, durch Mediation und Supervision wesentlich stärker unterstützt werden könnte.
  4. In ihrer Bewertung von Supervision und Mediation zur Bearbeitung von Mitarbeiterkonflikten kommt Frau Iser zu dem Fazit, dass Supervision als niedrigschwelligere Maßnahme wesentlich besser geeignet ist für die Pävention von Konflikte und Mediation sich als Verfahren bei stärker eskalierten Konflikten bewährt.
  5. Bei der Verhältnisbestimmung von Supervision und Mediation zur sozialen Arbeit können wir ihr gut folgen, wenn sie sagt, dass die Qualität der sozialen Arbeit im Vordergrund steht und dass Supervision und Mediation dafür eine Unterstützung leisten müssen. Für die Evaluierung der Qualität von Mediations- und Supervisionsleistung in der Sozialen Arbeit hat Frau Iser einen sehr wertvollen Beitrag geleistet.

Fazit

Das Buch ist zwar sehr umfangreich, aber verständlich geschrieben. Jeder Schritt ist nachvollziehbar. Sympathisch und einladend ist, wie die Autorin mit der Komplexität des Materials umgeht und damit gute Verfahrensvorschläge für den fachlichen Dialog liefert. Die Fallstudien erscheinen wie eine Live- Supervision, bei der Kollegen Einblicke in ihr Vorgehen veröffentlichen und damit den Dialog, die Verständigung und Kooperationskultur anregen.

Jeder Fachkraft, die interessiert am kollegialen Austausch und dem fachlichen Dialog über den Umgang mit Mitarbeiterkonflikten, der Entwicklung von Professionalität und Qualität im Zusammenwirken von Supervision, Mediation und sozialer Arbeit ist, bietet dieses Buch eine gute Grundlage und Verfahrensvorschläge für die eigene Reflexion und den Dialog über die Anschlussfähigkeit der verschiedenen Wissensgebiete.

Besonders Führungskräfte in der sozialen Arbeit, Interessenvertretungen, Ausbilder für Mediation und Supervision und Dozenten in sozialpädagogischen Studiengängen können aus dem Buch großen Nutzen ziehen.

Rezension von
Carla van Kaldenkerken
Dipl. Sozialpädagogin, Supervisorin und Caoch (DGSv), Lehrsupervisorin und Ausbildungsleiterin für Supervision und Coaching (DGSv-zertifiziert), Mediatorin und Ausbilderin für Mediation (BM e.V.), Organisationsberaterin und Fachbuchautorin zum Thema Supervision
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Dipl. Volkswirt Roland Kunkel-van Kaldenkerken
Supervisor (DGSv), Mediator und Ausbilder für Mediation (BM)
Freiberuflich als Organisationsberater und Mediator tätig
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Es gibt 7 Rezensionen von Carla van Kaldenkerken.
Es gibt 3 Rezensionen von Roland Kunkel-van Kaldenkerken.

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Zitiervorschlag
Carla van Kaldenkerken, Roland Kunkel-van Kaldenkerken. Rezension vom 23.09.2008 zu: Angelika Iser: Supervision und Mediation in der sozialen Arbeit. Eine Studie zur Klärung von Mitarbeiterkonflikten. dgvt-Verlag (Tübingen) 2008. ISBN 978-3-87159-710-7. Reihe: Beratung - 10. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6348.php, Datum des Zugriffs 26.01.2025.


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