Ferdinand Buer (Hrsg.): Praxis der Psychodramatischen Supervision
Rezensiert von Dr. Birgit Szczyrba, 30.06.2002

Ferdinand Buer (Hrsg.): Praxis der Psychodramatischen Supervision. Ein Handbuch. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2001. 356 Seiten. ISBN 978-3-8100-3073-3. 34,90 EUR.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-8100-4175-3 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Einführung
Ferdinand Buer, der Herausgeber des Buches, beginnt dieses wie andere Bücher mit einer Einladung an Nachfrager und Anbieter von Supervision, die einen fundierenden Einblick in die spannende Verbindung des Formates Supervision mit dem Verfahren Psychodrama als Bereicherung ihrer Praxis wünschen (vgl. zur Dialektik von Format und Verfahren die Rezension zu Buer 1999: Lehrbuch der Supervision).
Von Moreno in Österreich grundgelegt und in den USA ausgestaltet, fand das Verfahren Psychodrama – vielfach im Format Psychotherapie angewendet – Verbreitung in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Formaten Beratung (von Sucht- bis Organisationsberatung), der Bildungsarbeit (von Schulunterricht bis Hochschuldidaktik) und in der Personalentwicklung (vom Coaching bis zum Training).
Aufbau und Inhalt
Das hier vorliegende Buch bietet eine Fülle von Geschichten und Reflexionen, die auf der Verbindung von Supervision mit dem Psychodrama gründen. Es enthält Berichte über:
- spezielle Formen der Supervision (Kurzzeitsupervision in der Dyade, Gruppensupervision mit Heilpädagoginnen, Organisationssupervision)
- spezielle Methoden (psychodramatische Methoden, Methoden in der Einzelsupervision, Arbeit mit Symbolen, soziodramatische Interpretationsfolien für Handlungsmuster in Arbeitsorganisationen)
- spezielle Felder (Pflege- und Adoptiveltern, Migranten, Karriere von Frauen, PromovendInnen, Unternehmenswandel)
- spezielle Fokussierungen (Konzeptentwicklung von therapeutischen Einrichtungen, Personalentwicklungspassagen, berufliche Entscheidungsprozesse)
Alle Aufsätze sind zwischen 1996 bis 2001 von Autoren verfasst worden, die mit dem Psychodrama-Zentrum Münster zusammen arbeiten. Außerdem enthält das Buch eine kommentierte Literaturliste für das Selbststudium der LeserInnen, Hinweise auf Weiterbildungsmöglichkeiten in Psychodramatischer Supervision sowie ein Sachregister.
Buer lädt mit dem Buch dazu ein, alte Einsichten zu bestätigen, neue zu gewinnen und vor allem zu erproben.
Supervision ist ein Format der Beziehungsarbeit, dass sich der Klärung und Reflexion von professionellen Paradoxien (Schütze) anderer Formate der Beziehungsarbeit widmet: jegliche Beziehungsarbeit (in Schule, Sozialarbeit, Therapie u.a.m.) unterliegt den Anforderungen, in paradoxen Beziehungen Wirkungen zu hinterlassen, die dem Wohl der Adressaten dienen und auch noch möglichst ihrem Willen entsprechen. In einer Zeit, in der gesellschaftliche und staatliche Hilfen drastisch eingeschränkt werden, haben es Berufe, die sich für andere und fremde Menschen einsetzen, besonders schwer. Dienstleistungen, auch die sozialer Art, unterliegen dem Zwang der Effizienz in der Erreichung von Zielen. BeziehungsarbeiterInnen lernen jedoch gemeinhin nicht, wie man materielle und personelle Ressourcen optimal organisiert. (Daher rührt die oft als unangenehm empfundene Einschränkung der professionellen Tätigkeit vor einem höhersymbolischen Hintergrund wie dem Wohl des Klienten etc. sowie das viel beschriebene "Wechseln der Seite", wenn beispielsweise Sozialpädagogen zu Vorgesetzten werden und Managementaufgaben übernehmen.) Hier setzt Supervision als Metaformat ein, das hilft, als BeziehungsarbeiterIn persönlich fit und beruflich kompetent, kurz: hilfreich für Andere zu bleiben. Professionelle SupervisorInnen müssen verschiedene Formate und Verfahren kennen und die spezifischen Paradoxien der unterschiedlichen Paarungen von Format und Verfahren einschätzen können.
Das Buch rekurriert also auf die Professionalisierungsdebatte aus interaktionistischer Perspektive, die die Brüche und Ungereimtheiten im professionellen Alltag betrachtet. Der Einsatz von Formaten und Verfahren kann den Umgang mit Paradoxien der Beziehungsarbeit regeln. Weniger professionalisierte Formate wie die Pflege, die Sozialarbeit und die Arbeit in Kindertageseinrichtungen, verwenden weniger elaborierte Verfahren der Beziehungsarbeit und sind deshalb supervisionsbedürftiger. Dies ist zu deuten als ein Hinweis darauf, dass Supervision der Professionalisierung von Berufen dient, weil sie die Brisanz der Paradoxien bewusst macht und den Umgang mit ihnen in sorgfältiger Weise befördern kann. Supervision beabsichtigt keine Fremdkontrolle der Professionen, wie es oft falsch verstanden wird, sondern befördert die Selbstkontrolle, ein zentrales Merkmal von Professionen. Supervision kann, wenn sie gut ist, die Qualität der Beziehungsarbeit befördern. Ohne Supervision – so die These des Buches – wird die Entsolidarisierung der Gesellschaft forciert, was im Widerspruch zu unserer Verfassung stünde.
Fazit
Das Handbuch zur Praxis der Psychodramatischen Supervision gewährt einen gründlichen Einblick in die Arbeit von SupervisorInnen, die auf dem Fundament der interaktionistischen Professionalisierungstheorie die spannende Verbindung des Formates Supervision mit dem Verfahren Psychodrama beschreiben. Nach Buers 1999 erschienem Lehrbuch der Supervision, in dem seine theoretischen Wurzeln und Entwicklungen dargelegt sind, bietet er nun als Herausgeber Gelegenheit, ihre Anwendungspraxis in psychodramatischer Orientierung zu dokumentieren. Dieses Buch ist der erste umfassende Überblick über die Praxis der Psychodramatischen Supervision, die mit diesem Titel auch erstmals als Eigenbegriff Veröffentlichung findet. Es wendet sich an Nutzer und Anbieter von Supervision gleichermaßen, enthält viele Anregungen für die eigene Praxis sowie Hinweise zu Weiterbildungsmöglichkeiten in Psychodramatischer Supervision.
Rezension von
Dr. Birgit Szczyrba
Sozial-und Erziehungswissenschaftlerin, Psychodrama-Leiterin (DFP/DAGG), Leiterin der Hochschuldidaktik in der Qualitätsoffensive Exzellente Lehre der Technische Hochschule Köln, Sprecherin des Netzwerks Wissenschaftscoaching
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