Steffen Geyer, Georg Wurth: Rauschzeichen. Cannabis [...]
Rezensiert von Prof. Dr. Stephan Quensel, 28.07.2008
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Steffen Geyer, Georg Wurth: Rauschzeichen. Cannabis: alles, was man wissen muss.
Verlag Kiepenheuer & Witsch
(Köln) 2008.
Orig.-Ausg., 1. Auflage.
209 Seiten.
ISBN 978-3-462-03999-3.
7,95 EUR.
CH: 14,70 sFr.
Reihe: KiWi - 1043 - Paperback.
Thema
Die allgemeine Drogendiskussion, die sich zur Zeit einmal wieder auf den Cannabis-Konsum konzentriert, leidet unter ihrer Einseitigkeit, die vordringlich die Gefahren der Droge und die Notwendigkeit ihrer Kriminalisierung sieht. Allgemeinverständlich geschriebene Darstellungen, die das Für und Wider der Droge wie der hierauf ausgerichteten staatlichen Reaktionen angemessen gegeneinander abwägen, geraten demgegenüber leicht in den Verdacht, die Droge zu verharmlosen und Verbotenes zu propagieren.
Die beiden Autoren, die wegen ihrer Arbeit im Deutschen Hanfverband (DHV) ganz unmittelbar aus ihrem "Bezug zur Szene" heraus argumentieren können, versuchen mit ihrem Taschenbuch einmal mehr in diese Tabuzone einzubrechen (vgl. ihre Literaturliste S. 209f).
Inhalt
In neun Kapiteln beraten sie einen "besorgten Vater, der bei seinem 16-jährigen Sohn Haschisch-Krümel gefunden hat".
- Ein einleitender kurzer Überblick über die - 10.000 Jahr währende - Kulturgeschichte des Cannabis hebt zunächst dessen lange wirtschaftliche Bedeutung hervor - Hanfseile, Papier, Kleidung - die erst seit den 30er Jahren in den von der USA angeführten "Krieg gegen die Droge Cannabis" einmündete.
- Dieser "Droge" gelten die folgenden beiden Kapitel. Ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken werden unter der Trias "Drug, Set und Setting" ausgewogen und dem rezenten internationalen Erkenntnisstand entsprechend dargestellt: "Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Cannabis keine harmlose Droge ist. Der Konsum kann eine Vielzahl von mehr oder weniger dramatischen Auswirkungen haben. Dennoch bringt dieses Genussmittel weniger schwerwiegende Folgen mit sich als Alkohol" (66).
- Dasselbe gilt für das Kapitel "Cannabis und Jugendliche", in dem sie sowohl auf die große Gruppe der "Probierer" und "Gelegenheitskonsumenten" wie auch auf die "Gewohnheitskonsumenten" und die sehr kleine Gruppe der "Dauerkonsumenten", sowie auf den "Gebrauch, Missbrauch und gefährlichen Konsum" näher eingehen: "Eine Risikobewertung muss im Einzelfall erfolgen und darf sich nicht auf die Konsumhäufigkeit beschränken. Die Wahrscheinlichkeit cannabisbedingter Probleme steigt, je jünger die Konsumenten sind, je mehr Cannabis verbraucht wird, wenn der Konsum andauernd oder zu unpassenden Zeitpunkten geschieht, neben Cannabis auch andere Rauschmittel konsumiert werden oder der Cannabisgebrauch andere Beschäftigungen ersetzt" (88). Vor allem aber zeigen sie, wie man ggf. durch ein "klärendes Gespräch", durch Informationen aus dem Internet, mit Hilfe der Telephonseelsorge oder der Drogenberatung helfen kann.
- Die "Nutzpflanze" Cannabis behandeln zwei weitere Kapitel. Zunächst verweisen sie auf die wieder wachsende Bedeutung des bei uns auf ca. 2.000 ha angebauten Nutzhanfes für die Papierindustrie, Bauwirtschaft, als Einsatz für Tierstreu und als mögliche Energiepflanze. Sodann besprechen sie die enormen bürokratischen Schwierigkeiten, selbst in begründeten Fälle auf Cannabis als bewährte Medizin zurück zu greifen.
- Die Rolle des Cannabis wird entscheidend durch die Drogenpolitik i.w.S. bestimmt. Die Autoren beschreiben hierfür zunächst den verzerrenden Einfluss der Medien, die aus verständlichem Eigeninteresse eher auf "dramatische und beängstigende Berichte zurückgreifen" (125), und dem die Politik der Bundesdrogenbeauftragten weithin folgt, während internationale Experten die Risiken des Cannabis im Verhältnis zu dem der legalen Drogen eher als gering einstufen (141ff).
- Diese Drogenpolitik wird, angeführt von der USA, international von der UN und dort jetzt vom UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) abgesichert, während auf europäischer Ebene die EMCDDA (European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addicition) hauptsächlich Informations- und Dokumentationsaufgaben übernimmt. Ansätze für eine alternative Politik sehen die Autoren in den US-amerikanischen "Cannabis-Buyers-Clubs", in den niederländischen Coffeshops und in den "Cannabis-Social-Clubs" aus Spanien und Belgien, die im europäischen ENCOD zusammenarbeiten (162).
- Abschließend diskutieren sie Fragen der Legalisierung, die sie sich im Rahmen von Cannabisfachgeschäften vorstellen können, und deren positive Seiten sie vor allem im Abbau der Risiken sehen, die durch die gegenwärtige - ergebnislose - Kriminalisierung entstehen: "Erst mit der Aufhebung des Verbots wird eine offene und ehrliche Diskussion über einen vernünftigen Umgang mit Cannabis möglich werden" (197)
- Da die Autoren nicht erwarten "dass eine Legalisierung problematischen Drogenkonsum wesentlich reduzieren wird" (198), setzen sie abschließend auf eine Drogenerziehung, die zu einer angemessenen Drogenmündigkeit führen kann.
Fazit
Es gelingt den Autoren, dem internationalen Forschungsstand angemessen, abgewogen und leicht verstehbar "Alles was man über Cannabis wissen muss" darzustellen. Man möchte deshalb - mit dem Schlusswort von Hans-Christian Ströbele (S.205ff) - dieses Taschenbuch besorgten Eltern, Lehrern und allen denjenigen, die sich einmal in einer anderen, weniger dramatisierenden Weise über Cannabis informieren wollen, mit gutem Gewissen wärmsten ans Herz legen.
Rezension von
Prof. Dr. Stephan Quensel
Jurist und Kriminologe
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