Uwe Hellwig, Jörg Reiner Hoppe et al. (Hrsg.): Sozialraumorientierung
Rezensiert von Prof. Dr. Werner Schönig, 28.04.2009

Uwe Hellwig, Jörg Reiner Hoppe, Jürgen Termath (Hrsg.): Sozialraumorientierung. Ein ganzheitlicher Ansatz.
Lambertus Verlag GmbH Marketing und Vertrieb
(Freiburg) 2007.
285 Seiten.
ISBN 978-3-7841-1782-9.
18,20 EUR.
CH: 32,70 sFr.
Reihe: Planung und Organisation - 2. Übernommen vom Deutschen Verein für Öffentlichte und Private Fürsorge.
Thema und Zielgruppe
Die Tatsache, dass der Deutsche Verein dem Thema Sozialraumorientierung einen Sammelband widmet (herausgeben von Uwe Hellwig, Jörg R. Hoppe und Jürgen Termath) und in der Sozialraumorientierung einen „ganzheitlichen Ansatz“, ja sogar einen „grundsätzlichen Paradigmenwechsel in der Sozialen Arbeit vor Ort“ (S. 7) erkennt, ist ebenso bemerkenswert wie erfreulich. Das Buch richtet sich dabei vor allem an die Mitarbeiter in den Kommunen und der Freien Wohlfahrtspflege, weshalb sich die einleitenden wissenschaftlichen Beiträge eher kurz halten und den vielfältigen Beiträgen aus der Praxis ein gebührender Raum von fast zwei Drittel des Textumfangs gegeben wird. Dieser Aufbau belegt, dass es sich tatsächlich um ein „Werkbuch für Studium und Praxis handelt“ (Untertitel) – und dies beides vor allem gestützt durch die Praxisbeiträge.
Inhalt
Die einleitenden Beiträge zu „Leitgedanken und Philosophie“ (S. 11 – 67) einiger prominenter Autoren erscheinen vor diesem Hintergrund als recht umfangreich und gelegentlich nur lose an die Praxisbeiträge gekoppelt, was ein häufig auftretendes, gleichwohl vermeidbares editorisches Problem ist. Besonders deutlich wird dies Problem bei den sehr allgemein gehaltenen Ausführungen zum aktivierenden Sozialstaat und sozialer Gerechtigkeit von Dahme/Wohlfahrt. Es tritt tendenziell jedoch auch bei den auf die Jugendhilfe konzentrierten, sachlich inspirierenden, jedoch leider nicht frei von ermüdender Polemik gegenüber zaghafter Kritik verfassten Beitrag zur Sozialraumorientierung von Hinte. Demgegenüber findet man in den organisatorischen Aspekten sowie Theoriebausteinen von Trube bzw. Schäfer Ausführungen zur „Ambivalenz des sozialräumlichen Projekts“ (Trube) und zur Tragweite gesellschaftstheoretischer Modelle (Schäfer), die aufmerken lassen.
Das folgende Kapitel unter der Überschrift „Konzept- und Organisationsebene“ umfasst drei Aufsätze, die teilweise Gedanken der ersten Beiträge aufgreifen (insbesondere mit Blick auf Trube), dabei jedoch deutlich praxisnäher, zum Teil mit explizitem Projektbezug (Richter zu Frankfurt/Oder), zum Teil aber auch aus der Praxis der Organisationsentwicklung heraus (Budde/Früchtel sowie Wiberny) argumentieren. Diese Beiträge sind editorisch wohl als Bindeglied zwischen der ‚Philosophie‘ und den ‚Praxisfragen‘ gedacht, was insgesamt eine gelungene Gliederung des Bandes abgibt.
Der anschließende Hauptteil umfasst 13 Praxisbeiträge auf insgesamt 170 Seiten aus dem breiten Spektrum sozialraumorientierten Arbeitens vor Ort, die hier nicht vollständig referiert werden können. Bemerkenswert ist gleichwohl, dass auch im Praxisteil sehr renommierte Autor/innen (genannt seien exemplarisch Litges, Lüttringhaus und Deinet) für erfreulich pointierte Inputs gewonnen werden konnten. Gerade dieser Praxisteil vermittelt in seiner Breite (von Organisations- und Finanzierungsfragen über Aspekte der Beratungspraxis bis hin zu klassischen Methoden wie der aktivierenden Befragung) einen guten Überblick zu tatsächlich relevanten Aspekten der Sozialraumorientierung.
Fazit
Angesichts der aktuell erfreulichen Dichte von Publikationen zur Sozialraumorientierung stellt sich für jeden neuen Sammelband die Frage nach seiner Existenzberechtigung. Diese ist im vorliegenden Fall eindeutig gegeben, wobei man die für Theorie und Praxis relevanten Informationen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Breite der Praxisbeispiele findet. Demgegenüber sind die einleitenden Beiträge für den kundigen Leser streckenweise überraschungsfrei. In den Praxisbeispielen vor Ort weichen Thematik und Pragmatismus spürbar von jenen Fragen ab, die in der Wissenschaftsszene allzu leicht Anlass für Lagerbildung, Emotion und ein heftiges Rauschen im Blätterwald sorgen. Sie zeigen, was Sozialraumorientierung in der Praxis alles ist, was sie besser nicht sein sollte und wo der konzeptionelle Rubikon fließt, den man nicht überschreiten darf, wenn man anschließend keine Schlachten im Feindesland schlagen will.
Rezension von
Prof. Dr. Werner Schönig
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Köln
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