Sigrid Nolda: Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung
Rezensiert von Prof. Dr. Erich Schäfer, 19.02.2009
Sigrid Nolda: Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung. wbg Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Darmstadt) 2008. ISBN 978-3-534-17518-5. 14,90 EUR. CH: 25,90 sFr.
Seit Erstellung der Rezension ist eine neuere Auflage mit der ISBN 978-3-534-26693-7 erschienen, auf die sich unsere Bestellmöglichkeiten beziehen.
Autorin
Sigrid Nolda, Professorin für Erwachsenenbildung am Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Pädagogik der frühen Kindheit an der Universität Dortmund
Anspruch
Das Buch ist in der Reihe „Grundwissen Erziehungswissenschaft“, herausgegeben von Lothar Wigger und Peter Vogel, erschienen. Der Anspruch der Bände dieser Reihe, die von der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstatt verlegt werden, ist es, orientiert an dem Kerncurriculum der Erziehungswissenschaft, Studierenden und Lehrenden den disziplinären Wissensbestand in einer verständlichen Sprache klar strukturiert zu präsentieren. Wie die Verfasserin in ihrer Vorbemerkung deutlich macht, geht es ihr nicht um eine Einführung in die Praxis, sondern in die Theorie der Erwachsenenbildung.
Aufbau …
Die Einführung in die Erwachsenenbildung gliedert sich in vier Abschnitte. Im ersten geht es unter dem Stichwort „Zugänge“ um Begriffserläuterungen zu Volksbildung, Erwachsenenbildung und Weiterbildung (Teil A).
… und Inhalt
Den inhaltlichen Schwerpunkt bilden der zweite und dritte Abschnitt (Teile B und C), die sich in jeweils sechs bzw. fünf Kapitel unterteilen. Im Mittelpunkt des Teils B stehen die historischen Konzepte und aktuellen Theorien.
Die ersten beiden Kapitel (Kapitel 2 und 3) dieses Abschnitts thematisieren Ziele und Begründungen von Erwachsenenbildung. Hier werden grundsätzliche Prinzipien erläutert, die sich durch unterschiedliche historische Epochen der Erwachsenenbildung ziehen und auf die immer wieder zurückgegriffen wird. Im Einzelnen geht es um die Idee der Aufklärung, die am Anfang der Bemühungen um Erwachsenenbildung steht, die Frage der Inklusion bzw. Exklusion durch Bildung sowie Funktionszuschreibungen bzw. Begründungen für Erwachsenenbildung. In den sich anschließenden Kapiteln werden unterschiedliche theoretische Sichtweisen auf das Phänomen der Erwachsenenbildung beleuchtet. Im Einzelnen werden der symbolische Interaktionismus, modernisierungstheoretische Sichtweisen (Risikogesellschaft, Wissensgesellschaft, learning society), die Systemtheorie sowie diskursanalytische und machttheoretische Sichtweisen vorgestellt. Gemeinsam ist diesen theoretischen Zugängen, dass sie aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen stammen und jeweils auf die Erwachsenenbildung angewendet werden.
Nachdem die theoretischen Grundlagen gelegt sind, wendet sich die Verfasserin im Abschnitt C den Forschungsfeldern und Handlungsbereichen der Erwachsenenbildung zu. Jeweils eigene Kapitel sind den Adressaten bzw. Teilnehmer/innen, dem Lernen Erwachsener, dem Thema Wissen und Kompetenzen, den Institutionen und Organisationen der Erwachsenenbildung sowie dem beruflichen Handeln in der Erwachsenenbildung gewidmet.
Abgeschlossen wird die Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung mit einem Abschnitt „Ausblick“ (Teil D). Dieser beschäftigt sich mit traditionellen Paradoxien und aktuellen Tendenzen. Unter ersteren versteht die Autorin „Erscheinungsformen, die immer wieder durch gegenläufige Tendenzen in ihrer Wirkung begrenzt werden.“ (S. 123). Hierzu zählt sie die reale Gleichzeitigkeit von offizieller Zustimmung und realer Hintanstellung, den konstruierten Gegensatz von (Allgemein-)Bildung und Berufsbildung sowie die sich abwechselnden Phasen von Institutionalisierung und Entgrenzung der Erwachsenenbildung. Unter den aktuellen Tendenzen werden die Selbstreflexion und Selbststeuerung, Prozesse der Zertifizierung im Rahmen von Qualitätsentwicklung und -sicherung sowie Aktivitäten zur Steigerung von Beratung und Vernetzung subsumiert.
Diskussion
Das Ziel, den disziplinären Wissensbestand in einem klar strukturierten Text mit einer verständlichen Sprache zu präsentieren, wird klar erfüllt. Hilfreich dabei sind neben den Marginalien auch die jeweils am Ende eines Kapitels befindlichen Fragen, die dazu anregen sollen, sich zu vergewissern, ob die Inhalte des Textes verstanden wurden. Neben dem Personen- und Sachregister sowie dem Literaturverzeichnis gibt es am Ende einzelner Kapitel separate themenbezogene Literaturempfehlungen; leider gibt es diese nicht zu jedem Kapitel; es ist nicht ganz ersichtlich nach welchen Regeln dies geschieht. Hervorzuheben ist, dass die Autorin darum bemüht ist, die internationale, insbesondere die englischsprachige Literatur mit einzubeziehen. Deshalb enthalten die themenbezogenen Literaturempfehlungen auch gesonderte Hinweise zur englischsprachigen Literatur. Speziell die Querverweise setzen verwandte Themen miteinander in Bezug. Um die referierten Positionen auch im O-Ton zu Wort kommen zu lassen, enthält der Text zum Teil längere Zitate von Protagonisten einzelner theoretischer Ansätze.
Eine Einführung in eine Wissenschaftsdisziplin hat immer die Aufgabe eine Auswahl zu treffen, deshalb ist es ganz verständlich, dass manche Themen etwas vernachlässigt werden müssen. Die Beschäftigung mit den geschichtlichen Wurzeln der Erwachsenenbildung ist in diesem Band sehr komprimiert. Es könnte der Eindruck entstehen, dass das, was wir heute unter Erwachsenenbildung verstehen, erst seit der Aufklärung existiert. Hinweise auf die Vorläufer, wie zum Beispiel Comenius mit seiner Schrift Pampaedia könnten diesem Eindruck entgegen treten.
Auffällig ist, dass die Auseinandersetzung mit systemtheoretischen Sichtweisen auf die Erwachsenenbildung sehr ausgeprägt ist. Sie findet zum einen in Kapitel vier statt; hier geht es um die die Auswirkungen auf das Lehren und Lernen; zum anderen wird in Kapitel sechs das System Erwachsenenbildung als gesellschaftliches Teilsystem betrachtet. Ins Auge springt hier die Dichte der schematischen Abbildungen, die sicherlich das Verständnis erleichtern. Allerdings stellt sich die Frage, warum an anderer Stelle von diesem ikonographischen, das Verständnis des Textes fördernden, Stilmittel nicht häufiger Gebrauch gemacht wird.
Dem Anspruch in die Theorie und nicht in die Praxis der Erwachsenenbildung einführen zu wollen, ist es sicherlich geschuldet, das der Teil C die Überschrift „Forschungsfelder und Handlungsbereiche“ in dieser Reihenfolge trägt. Im Text spiegelt sich dies nicht in dieser Konsequenz wieder, was im Sinne einer verständlichen Einführung aber eher ein Vorteil ist.
Zu den Forschungsfeldern und Handlungsbereichen, die eher kurz thematisiert werden, gehört das Feld der Didaktik und insbesondere Methodik, auch neue Formen des Lernens mit Unterstützung von Medien werden eher kursorisch behandelt. Gänzlich vermisse ich das Feld der wissenschaftlichen Weiterbildung, die an der Schnittstelle zwischen tertiärem und quartärem Bereich eine immer wichtigere Aufgabe erhält. Auch der Themenkomplex der Finanzierung wird leider nicht behandelt.
Fazit
Die hier vorgelegte Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung gibt einen guten Überblick über den aktuellen Stand einer noch jungen Disziplin. Der Text ist aufgrund seiner Struktur, Prägnanz und Verständlichkeit für Studierende sehr gut geeignet. Der Band bietet einen guten Einblick in die relevanten theoretischen Bezüge und regt zu einer tiefer gehenden Beschäftigung mit der Thematik an.
Rezension von
Prof. Dr. Erich Schäfer
Studiengangsleiter des berufsbegleitenden Masterstudienganges Coaching und Führung an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena
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Zitiervorschlag
Erich Schäfer. Rezension vom 19.02.2009 zu:
Sigrid Nolda: Einführung in die Theorie der Erwachsenenbildung. wbg Wissenschaftliche Buchgesellschaft
(Darmstadt) 2008.
ISBN 978-3-534-17518-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6725.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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