Doris Schaeffer, Martin Moers u.a. (Hrsg.): Pflegetheorien
Rezensiert von Dr. Jörg Hallensleben, 20.03.2009

Doris Schaeffer, Martin Moers, Hilde Steppe, Alaf A. Meleis (Hrsg.): Pflegetheorien. Beispiele aus den USA.
Verlag Hans Huber
(Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2008.
2., ergänzte Auflage.
306 Seiten.
ISBN 978-3-456-84567-8.
34,95 EUR.
CH: 59,00 sFr.
Reihe: Pflegetheorie.
Thema
Was ist eigentlich Pflege? Was kennzeichnet die Disziplin „Pflegewissenschaft“. Der vorliegende Band enthält zu diesen Fragen Grundlagentexte US-amerikanischer Pflegetheoretikerinnen, u.a. von Virginia Henderson, Hildegard Peplau, Dorothea Orem und Martha Rogers.
Herausgeber
Doris Schaeffer ist Professorin für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld. Martin Moers ist Professor für Pflegewissenschaft an der Fachhochschule Osnabrück, die verstorbene Hilde Steppe war u.a. Pflegeprofessorin an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Afaf A. Meleis ist Professorin in der Abtl. Öffentliches Gesundheitswesen der Univ. von Kalifornien San Francisko, USA.
Inhalt
Kern des vorliegenden Buches sind insgesamt 15 ins Deutsche übersetzte Texte bekannter US-amerikanischer Pflegewissenschaftlerinnen (tatsächlich handelt es sich nur um Frauen) – nämlich um Virginia Henderson, Hildegard Peplau, Ernestine Wiedenbach, Dorothea Orem, Joyce Travelbee, Martha Rogers, Dorothy Johnson, Imogene King, Betty Neumann, Sister Callista Roy, Margeret Newman, Ida Orlando sowie um Josephine Paterson und Loretta Zderad.
Zumeist handelt es sich dabei um kürzere Texte, in denen die genannten Theoretikerinnen ihre Ansätze und Überlegungen selbst zusammengefasst haben. Die Auswahl der Texte erscheint jedenfalls repräsentativ für die jeweiligen Werke. Jedem Originaltext haben die Herausgeber eine kurze Einführung vorangestellt. Außerdem werden die Originaltexte eingerahmt von drei Beiträgen der Herausgeber.
Die erste Auflage erschien 1997, die zweite Auflage wurde allerdings lediglich um eine Literaturliste neuerer Pflegetheorie- Fachbücher ergänzt.
Die Texte der Pflegetheoretikerinnen können hier aus Platzgründen keiner Einzelkritik unterzogen werden. Wichtig erscheint allerdings der Hinweis, dass es sich um Texte von eher „historischer“ Bedeutung handelt. Die deutschen Herausgeber Moers, Schaeffer und Steppe richten im Schlusskapitel (Pflegetheorien aus den USA – Relevanz für die deutsche Situation) einen überaus kritischen Blick auf die Rahmenkonzepte der Pflege – und damit implizit auch auf die von ihnen ausgewählten Beiträge. Den Pflegewissenschaftlerinnen US-amerikanischer Provenienz werfen sie eine Abkoppelung von der Pflegepraxis und der praxisnahen Pflegeforschung vor. Auch in der von den meisten Theoretikerinnen betriebenen Suche nach einer Einheitstheorie sehen die deutschen Herausgeber einen Irrweg. Denn diese habe zu überzogenen Geltungsansprüchen und damit zum Streit unterschiedlicher „Schulen“ geführt.
Kaum besser als die Rahmenkonzepte und Theorien der Pflege kommen die Versuche von Meta-Theoretikerinnen zur Systematisierung derselben weg. Durch derartige Klassifikationsversuche und zusammenfassende Darstellungen würde nämlich nach Ansicht von Moers, Schaeffer und Steppe den Theorienversuchen nachträglich eine Plausibilität verliehen, die historisch nicht unbedingt angelegt sei. Heute zeige sich aus wissenschaftstheoretischer Sicht immer mehr, dass die Bemühungen der Metatheoretikerinnen Teil einer Übergangsphase gewesen seien.
Solch kritische Töne können und müssen als Breitseite gegenüber der vierten Herausgeberin dieses Bandes und den von ihr verfassten Beitrag gesehen werden. Denn Afaf Meleis ist eine der am häufigsten zitierten Metatheoretikerinnen überhaupt. In ihrem Beitrag „Die Theorieentwicklung der Pflege in den USA“ unternimmt sie genau das, was ihre Mit-Herausgeber kritisieren, nämlich deutlich zu glatt geratene Ordnungsversuche.
In raschen Skizzen beschreibt Meleis die Stadien der Theorienentwicklung, welche die Pflegekunde ihrer Meinung nach durchlaufen hätten (Stadium 1. Theorie, 2. Syntax, 3. Definition des Bereichs der Pflege, 4. philosophische Analysen, 5. Theorien mittlerer Reichweite und situationsspezifische Theorien). Das alles erscheint ebenso holzschnittartig wie die Zuordnung der Pflegetheoretiker zu sogenannten „Denkschulen“ der Pflegewissenschaft (1. Bedürfnistheoretiker, 2. Interaktionstheoretiker, 3. humanistische Theoretiker, 4. ergebnisorientierte Theoretiker) und die Charakterisierung der Haltung von Pflegenden gegenüber der Theorienentwicklung (1. Gläubige, 2. Skeptiker, 3. Gleichgültige und 4. Kritiker).
Fazit
Der hier rezensierte Sammelband bietet Studierenden eines Pflegestudiengangs im Großen und Ganzen eine empfehlenswerte Einführung in die Pflegetheorie. In der Auseinandersetzung mit den Grundfragen der Disziplin ist die Lektüre der „Klassiker“ immer lohnend – auch und gerade weil die bisweilen angestaubt wirkenden Ideen zur Kritik auffordern.
Rezension von
Dr. Jörg Hallensleben
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Es gibt 1 Rezension von Jörg Hallensleben.
Zitiervorschlag
Jörg Hallensleben. Rezension vom 20.03.2009 zu:
Doris Schaeffer, Martin Moers, Hilde Steppe, Alaf A. Meleis (Hrsg.): Pflegetheorien. Beispiele aus den USA. Verlag Hans Huber
(Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2008. 2., ergänzte Auflage.
ISBN 978-3-456-84567-8.
Reihe: Pflegetheorie.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6750.php, Datum des Zugriffs 02.12.2023.
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