Suche nach Titel, AutorIn, RezensentIn, Verlag, ISBN/EAN, Schlagwort
socialnet - Das Netz für die Sozialwirtschaft

Susanne Kaas: Persönliche Budgets für behinderte Menschen

Rezensiert von Dr. Susanne Diemer, 18.02.2003

Cover Susanne Kaas: Persönliche Budgets für behinderte Menschen ISBN 978-3-7890-8058-6

Susanne Kaas: Persönliche Budgets für behinderte Menschen. Evaluation des Modellprojekts "Selbst bestimmen - Hilfe nach Maß für behinderte Menschen" in Rheinland-Pfalz. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2002. 213 Seiten. ISBN 978-3-7890-8058-6. 36,00 EUR. CH: 63,00 sFr.
Schriftenreihe Dialog sozial, Band 4.

Weitere Informationen bei DNB KVK GVK.

Kaufen beim socialnet Buchversand

Thema und Fragestellung

Mit ihrer Studie dokumentiert Susanne Kaas das rheinland-pfälzische Modellprojekt "Selbst bestimmen - Hilfe nach Maß für behinderte Menschen". Im Rahmen der Evaluation des Projektes geht sie der Frage nach, inwieweit das persönliche Budget von Menschen mit Behinderung angenommen wird sowie deren Selbstbestimmung und Lebenszufriedenheit verbessert. Die finanziellen Auswirkungen persönlicher Budgets auf die öffentlichen Haushalte werden ebenfalls analysiert. Auf dieser Basis werden politische Handlungsempfehlungen formuliert.

Aufbau und Inhalt

In Teil I "Grundlagen" stellt Susanne Kaas den sozialpolitischen und rechtlichen Kontext des Modellprojektes dar. Sie skizziert die "Selbstbestimmt-Leben-Bewegung" und gibt einen Überblick über die landesspezifische rechtliche und sozialpolitische Ausgangssituation in Rheinland-Pfalz. Damit gibt sie eine bedeutsame Blickrichtung vor: der Impuls für persönliche Budgets als Instrument der Sozialpolitik geht bereits seit vielen Jahren von der Selbsthilfebewegung betroffener Menschen und ihrer Angehöriger aus. Die sozialpolitischen Entscheidungsträger(innen) agierten hier also in gewissem Sinne reaktiv oder nachholend, nicht wie vielfach dargestellt impulsgebend. Teil II ist der Dokumentation des rheinland-pfälzischen Modellprojektes "Selbst bestimmen - Hilfe nach Maß für Behinderte" gewidmet. Die Grundidee wird wie folgt beschrieben: "Im Rahmen des Modellprojekts wird ein persönliches Budget für behinderte Menschen in Verbindung mit einem regionalen Budgetierungssystem eingeführt. Das persönliche Budget wird als ambulante Eingliederungshilfe verstanden, die der sozialen Eingliederung behinderter Menschen - ihrer Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft - dienen soll. Es wird geistig, körperlich und seelisch wesentlich behinderten Menschen angeboten, die bereits in einem Heim leben oder vor der Entscheidung stehen, in ein Heim zu gehen" (53). Vier der insgesamt 36 Kreise in Rheinland-Pfalz konnten für eine Teilnahme gewonnen werden. Insgesamt 365 Menschen mit Behinderung wurden begutachtet, wobei lediglich 119 Personen letztendlich am Modell teilnahmen. Die reichhaltig und sehr detailliert aufgeführten statistischen Aussagen der Studie basieren also auf eher bescheidenem empirischen Material. Dies legt die Frage nahe, warum der Schwerpunkt der Evaluation methodisch nicht auf einen qualitativen anstatt fast durchgängig quantitativen Zugang gelegt wurde. 32 Projektteilnehmer(innen) wurden zusätzlich mittels eines standardisierten Interviewleitfadens befragt, wobei leider auch diese Auswertung quantifizierend vorgenommen wird. Es fragt sich, ob Dimensionen wie subjektives Wohlbefindens und Verbesserung der Lebenszufriedenheit hiermit erfasst werden können - was die Menschen oder gar wie sie es erzählt haben, erfahren wir nicht. In Teil III erfährt das Modellprojekt eine kritische Würdigung und Handlungsempfehlungen werden formuliert. Einige Thesen, die über die spezifischen Bedingungen des Modellprojektes hinausgehen, möchte ich hier herausgreifen. So die These, dass Kosteneinsparungen durch persönliche Budgets möglich sind, sofern dieses Instrumentarium in den Kontext der Entwicklung im stationären Bereich gestellt wird. "Wesentlich für die Funktionsfähigkeit persönlicher Budgets", so das Ergebnis der Studie, sind "ein differenziertes und flächendeckendes Angebot an ambulanten Hilfen sowie geeignete Wohnangebote, die den behinderten Menschen eine selbständige Lebensführung erlauben" (163). Darüber hinaus, so Kaas, ist ein flächendeckendes Beratungsnetz sowohl für Budgetempfänger als auch für Interessenten am persönlichen Budget notwendig. Zudem wird - auch dies ein Kernpunkt der sozialpolitischen Debatte - angemahnt, dass ein transparentes Instrumentarium zur exakten Ermittlung des Hilfebedarfs behinderter Menschen unabdingbar ist. Damit spiegeln sich im Modellprojekt einige zentrale Fragen, die für die Zukunft der Politik von und für Menschen mit Behinderung entscheidend sein werden.

Zielgruppen

Der Band richtet sich in erster Linie an Fachfrauen und -männer der Behindertenpolitik, ist aber auch betroffenen Menschen zu empfehlen, da er einen Einblick in die Möglichkeiten persönlicher Budgets gibt.

Fazit

Obgleich das Modellprojekt selbst empirisch einige evidente Fragen aufwirft, leistet Susanne Kaas einen wichtigen und interessanten Beitrag zu der Diskussion, welche behindertenpolitischen Entwicklungen in Deutschland anstehen. Die Erfahrungen in Rheinland-Pfalz sollten auch deshalb kritisch gewürdigt und reflektiert werden, weil persönliche Budgets in naher Zukunft aus der sozialpolitischen Landschaft nicht mehr wegzudenken sein werden. Lesenswert also für alle, die die Maxime der Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderung in die Praxis umsetzen wollen.

Rezension von
Dr. Susanne Diemer
Politologin, Stuttgart
Mailformular

Es gibt 4 Rezensionen von Susanne Diemer.

Besprochenes Werk kaufen
Sie fördern den Rezensionsdienst, wenn Sie diesen Titel – in Deutschland versandkostenfrei – über den socialnet Buchversand bestellen.


Zitiervorschlag
Susanne Diemer. Rezension vom 18.02.2003 zu: Susanne Kaas: Persönliche Budgets für behinderte Menschen. Evaluation des Modellprojekts "Selbst bestimmen - Hilfe nach Maß für behinderte Menschen" in Rheinland-Pfalz. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2002. ISBN 978-3-7890-8058-6. Schriftenreihe Dialog sozial, Band 4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/677.php, Datum des Zugriffs 11.06.2023.


Urheberrecht
Diese Rezension ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion der Rezensionen für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.


socialnet Rezensionen durch Spenden unterstützen
Sie finden diese und andere Rezensionen für Ihre Arbeit hilfreich? Dann helfen Sie uns bitte mit einer Spende, die socialnet Rezensionen weiter auszubauen: Spenden Sie steuerlich absetzbar an unseren Partner Förderverein Fachinformation Sozialwesen e.V. mit dem Stichwort Rezensionen!

Zur Rezensionsübersicht