Thorsten Klinger, Knut Schwippert et al. (Hrsg.): Evaluation im Modellprogramm FörMig
Rezensiert von Prof. Dr. Joachim König, 14.12.2008
Thorsten Klinger, Knut Schwippert, Birgit Leiblein (Hrsg.): Evaluation im Modellprogramm FörMig. Planung und Realisierung eines Evaluationskonzepts.
Waxmann Verlag
(Münster/New York/München/Berlin) 2008.
240 Seiten.
ISBN 978-3-8309-1989-6.
24,90 EUR.
Reihe: FörMig-Edition - Band 4.
Entstehungshintergrund und Funktion
Als vierter Band in einer Reihe, die sich mit dem Modellprogramm "Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund (FörMig)" des Instituts für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg auseinandersetzt, geht dieses Buch auf die Konzeption und Realisierung der Evaluation dieses Programms ein. Es dokumentiert dazu eine Tagung vom Frühjahr 2007, die den Evaluationsaktivitäten in den beteiligten Einrichtungen, auf der Ebene der insgesamt zehn beteiligten Bundesländer und auf der zentralen Steuerungsebene gewidmet war. Leider wird dabei nur ein Zwischenstand berichtet (Projektlaufzeit 2004 bis 2009). Befunde aus den Evaluationen sowie bewertende Schlussfolgerungen aus den einzelnen Evaluationsverfahren heraus liegen noch nicht vor. Gegenstand der Evaluationen vor Ort sind Projekte, die sich zum einen mit Fördermaßnahmen in den Themenfeldern "Sprachdiagnostik" und "Durchgehende Sprachbildung in allen Unterrichtsfächern und Lernbereichen" auseinandersetzen und zum anderen Sprachförderung an Schnittstellen im Bildungssystem beleuchten. Dies vor allem erscheint aus sozialpädagogischer Sicht deswegen spannend, weil damit sowohl berufsbiographische Schnittstellen gemeint sind als auch solche, die in "horizontalem" Sinne Kooperationen und lokale Netzwerke in ganz unterschiedlichen Bildungseinrichtungen berücksichtigen. Zudem erscheint es sinnvoll, dass sich Evaluation im Rahmen des Gesamtprogramms auf drei verschiedenen Ebenen realisiert:
- Auf der Programmsteuerungsebene, die versucht, die länderspezifisch – zumal vor dem Hintergrund der föderalen Struktur im Bildungsbereich - sehr unterschiedlichen Teilziele und Förderstrategien zu integrieren und aufeinander zu beziehen,
- auf der Länderebene, auf der sinnvoller Weise jeweils unterschiedliche Themenschwerpunkte gesetzt werden und die zudem eine wichtige Mittlerrolle und "Sandwichposition" im Gesamtrahmen einnimmt und
- auf der Projektebene, wo die Akteure ihre Ansätze und Konzepte in den so genannten "Basiseinheiten" (Akteure und ihre Kooperationspartner) einer extern begleiteten Selbstevaluation unterziehen.
Aufbau und Inhalt
In fünf verschiedenen Zugängen kommt dieses sehr breit und gleichzeitig differenziert angelegte Gesamtvorhaben Evaluation zum Ausdruck. Und so sollen die insgesamt 19 Beiträge - von mehr als 30 Autorinnen und Autoren sehr sorgfältig verfasst - im Folgenden auch jeweils exemplarisch diesen Zugängen zugeordnet kurz dargestellt werden:
- Evaluation der Förderung in den Ländern: Am Beispiel von Brandenburg thematisieren Agi Schründer-Lenzen und Stephan Mücke die komplexe Vernetzung von Evaluation und Intervention in einem landesweiten Projekt zur Sprachförderung von Kindern in der Schuleingangsphase, an dem mehrere Grundschulen und gleichzeitig auch Kindertagesstätten und Horte beteiligt sind.
- Evaluation von kooperativen Prozessen: Tanja Kaseric befasst sich hier mit einem Ansatz zur fragebogengestützten Selbstreflexion und Dokumentation von Sprachförderkonzepten in Nordrhein-Westfalen. Ein weiteres Projekt aus Schleswig-Holstein (Uwe Neugebauer und Sabine Rutten) dagegen untersucht die Perspektiven der Evaluation sozialer Netzwerke.
- Evaluation einzelner Fördermaßnahmen: "Erzählwerkstatt" und "Performative Spiele" sind die Titel von zwei Teilprojekten in Bremen, die die sprachfördernde Begleitung und Nachbereitung von Unterricht zum Ziel haben und ein Reflexionsraster zur Bewertung dieser Ansätze vorstellen und bewerten.
- Einsatz von Portfolios in der Evaluation: Die sehr unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten dieses Instruments werden in diesem Teil des Buches vorgestellt und diskutiert. Wie etwa Portfolios zur Prozessdokumentation in den verschiedenen Basiseinheiten des FörMiG-Programms eingesetzt werden können, zeigen Anke Engelmann, Dagmar Jakob, Kerstin Reitz und Margit Maronde-Heyl in ihrem Beitrag auf. Wie Portfolios dafür genutzt werden können, Schülern die Chance zu bieten, ihre eigenen Potentiale und Kompetenzen zu entdecken und auch präsentieren zu lernen, beschreibt und diskutiert Regina Piontek. Schließlich werden so genannte "Fachgruppenportfolios" auch als Begleitinstrument zur Weiterentwicklung des Unterrichts erprobt und geprüft (Uta Meentzen, Matthias Stadler und Christian Ostermeier).
- Rolle von "critical friends" in Evaluationen: Unter diesem Titel wird die zentrale Bedeutung eines externen Blicks auf ein solches Programm thematisiert. Bernd Groot-Wilken zeigt als externer Moderator auf, wie eine kollegiale, kritische und gleichzeitig konstruktive Begleitung der Evaluationen zu zusätzlichen, systematisch generierten Erkenntnissen führen und gleichzeitig zur - zumindest teilweisen - Verobjektivierung der Befunde beitragen kann. Ebenso spannend ist an der Stelle der Beitrag von Christiane von Schachtmeyer, die nicht als direkt Beteiligte, sondern als "Betroffene" zu Wort kommt und deutlich macht, was notwendig ist, um aus Evaluationsbefunden auch konkrete Verwertungszusammenhänge für die jeweiligen Praxis entwickeln und realisieren zu können.
Fazit
Schade, dass dieses ansprechende und an vielen Stellen inspirierende Buch bisher nur einen Zwischenstand abbilden kann. Gerade die Verwertungsperspektiven und Nutzen von Befunden einer systematischen Evaluation pädagogischer Praxis, etwa von Kindertagesstätten, Schulen und Horten, deutet sich zwar schon an, wird sich aber wohl erst nach Abschluss des Programms entfalten können. Und genau an der Stelle wird sich dann nämlich zeigen, ob die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Evaluationen auf diesen verschiedenen Ebenen auch wirklich in der Lage sind, eine konzeptionelle Kraft zu entfalten. Hier könnte, ja müsste dann nämlich auch weiter gedacht, weiter entwickelt und weiter geforscht werden. Neben den Möglichkeiten, aus den empirisch-methodischen Ansätzen der hier vorgestellten Konzepte heraus für die Beforschung der eigenen Praxis zu profitieren, liegt der besondere Wert solcher Publikationen wohl vor allem dort: Mehr über den Wert, die Effektivität und auch die Effizienz pädagogischer Praxis zuverlässig zu erfahren und daraus Perspektiven zu deren Verbesserung und Weiterentwicklung ableiten zu können.
Rezension von
Prof. Dr. Joachim König
Evangelische Hochschule Nürnberg
Allgemeine Pädagogik & Empirische Sozialforschung
Leiter des Instituts für Praxisforschung und Evaluation
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Es gibt 26 Rezensionen von Joachim König.
Zitiervorschlag
Joachim König. Rezension vom 14.12.2008 zu:
Thorsten Klinger, Knut Schwippert, Birgit Leiblein (Hrsg.): Evaluation im Modellprogramm FörMig. Planung und Realisierung eines Evaluationskonzepts. Waxmann Verlag
(Münster/New York/München/Berlin) 2008.
ISBN 978-3-8309-1989-6.
Reihe: FörMig-Edition - Band 4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6915.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.
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