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Johannes F. Hallauer (Hrsg.): Umgang mit Demenz

Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 10.08.2009

Cover Johannes F. Hallauer (Hrsg.): Umgang mit Demenz ISBN 978-3-89947-304-9

Johannes F. Hallauer (Hrsg.): Umgang mit Demenz. Pflegequalität steigern und Pflegeverständnis sichern. B. Behr’s Verlag (Hamburg) 2008. 850 Seiten. ISBN 978-3-89947-304-9. 89,50 EUR.
Reihe: Pflegepraxis aktuell. + CD-ROM.

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Thema

Die Pflegeheime in Deutschland werden in den letzten Jahren zunehmend die Heimstatt für Demenzkranke im mittelschweren und schweren Stadium. Ca. 70 bis 80 Prozent der Heimbewohner leiden an massiven kognitiven Einbußen verbunden mit den demenzspezifischen Verhaltensweisen und Defiziten. Seit dem Qualitätssicherungsgesetz des Pflegeversicherungsgesetzes sind die Heime angehalten, im Bereich der Demenzpflege Pflegekonzepte und Betreuungsstrategien zu entwickeln, in der Praxis anzuwenden und die Ergebnisse zu dokumentieren. Hierüber wacht u. a. der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) bei seinen regelmäßigen Erhebungen vor Ort. Da im Bereich der Demenzpflege gegenwärtig noch eine Vielfalt an einschlägigen Modellen und Konzepten besteht, haben es die Verantwortlichen in den Einrichtungen nicht leicht, in diesem heillosen Durcheinander die richtige Strategie herauszufinden. Berücksichtigt man zusätzlich, dass die meisten Ansätze in der Demenzpflege obskurer Herkunft sind und den Nachweis ihrer Wirksamkeit und Effizienz bisher schuldig geblieben sind, dann potenzieren sich die Probleme in diesem Arbeitsfeld geradezu. Das Groteske in diesem Kontext ist jedoch der Sachverhalt, dass der MDK selbst nicht angeben kann, welches Vorgehen nun praxistauglich ist und damit den Kriterien einer Qualitätsüberprüfung entsprechen könnte. Es scheint diesem Dienst wohl auch nicht weiter zu interessieren. Eingefordert wird von den Einrichtungen denn auch nur der Nachweis irgendeines Konzeptes und sei es noch so weltfremd und ineffizient. Denn der MDK und die Heimaufsicht beschränken sich überwiegend auf die äußerst penible Überprüfung der Dokumentation mit der etwas eigenartigen Handlungslogik „Was nicht dokumentiert ist, ist auch nicht gemacht worden“. Und drohen bei Mängeln in der Dokumentation mit Rückforderungen von Leistungsentgelten. In diesem formalistisch-bürokratischen Umfeld von Qualitätssicherung ist denn auch der Bedarf an MDK-kompatiblen Handlungsempfehlungen groß, wie die vielen Publikationen in diesem Bereich zeigen.

Die vorliegende Loseblattsammlung versteht sich als ein Leitfaden für die Pflege desorientierter Menschen, als ein Handbuch zwecks Optimierung des Pflegealltags und zur Steigerung der Pflegequalität.

Herausgeber und Autoren

Herausgeber dieser Veröffentlichung sind PD Dr. med. Johannes Hallauer und PD Dr. med. Werner Hofmann. Als Autoren wirken hierbei mit: Uwe Brucker, Martin Hamborg, PD Dr. med. Martin Haupt, Dr. med. Eberhard Hesse, Christa Matter, Waltraud Rebbe, Regine Schmelzer, Jochen Peter Scriba, Petra Tiedemann, Frank Tillenburg, Thomas Scharfenberg, Christian Müller-Hergl, Anne Halbach, Dr. Svenja Sachweh, Dr. Jochen Steuer, Irmgard Klamant, Reformiertes Gemeindestift Elberfeld gGmbH, Claus Wächtler und Monika Sonnenberg.

Aufbau und Inhalt

Eine Loseblatt-Sammlung wird in regelmäßigen Abständen erweitert bzw. aktualisiert. Das vorliegende Exemplar der Publikation wurde im September 2008 aktualisiert. Es enthält insgesamt 76 Beiträge, die folgenden 13 Kapiteln zugeordnet sind:

  1. Grundlagen: u. a. Ursache, Symptome und Verlauf; Diagnostik und Epidemiologie
  2. Einstufung in die Pflegeversicherung: u. a. die Begutachtung und neue Begutachtungsregelungen für Pflegebedürftige
  3. Pflegeplanung: Pflegeleitbild und Pflegekonzept, Pflegeplanung, der Pflegeprozess am Beispiel Essen und Trinken, Fallbesprechungen und Pflegevisite
  4. Pflegerische Versorgung: u. a. Umgang mit verändertem Verhalten, Biografiearbeit, Tagesstruktur, Aktivitäts- und Bewegungsangebote, Musikarbeit und Schmerzerkennung
  5. Ernährung bei Demenz: u. a. Grundlagen der Ernährungs- und Flüssigkeitsversorgung, Ess- und Tischkultur, Medikamente und Ernährung, Ess- und Trinkbiografie und Gesundheitsgefahren bei großer Hitze
  6. Gestaltung der Heimumgebung: Gestaltung der Wohnumwelt, Bestimmungen des Brandschutzes und die „Eden-Alternative“
  7. Kommunikation: u. a. interne und professionelle Kommunikation, verbale und nonverbale Kommunikation mit den Demenzkranken
  8. Angehörigenarbeit: u. a. Angehörigen-Selbsthilfegruppen, Angehörigenarbeit im Heim, ehrenamtliche Betreuung von Demenzkranken
  9. Ärztliche Versorgung: u. a. Aufgaben und Möglichkeiten des Hausarztes und des Neurologen und Psychiaters, die Eingangsuntersuchung im Heim, Behandlungsmöglichkeiten der Demenz und kritischer Einsatz von Medikamenten bei Demenz
  10. Seelsorgerische Versorgung: u. a. Seelsorge bei Demenzkranken, Besuchsarbeit, kollegiale Beratung, allgemeine Gottesdienste und Palliativbetreuung
  11. Betreuungsrechtliche Aspekte: u. a. das Betreuungsgesetz, Vorsorgevollmacht, der Betreuer, der Verfahrenspfleger und die Kosten der Betreuung
  12. Weitere Entwicklungen der Demenzbetreuung: u. a. Herausforderungen für die Gesundheits- und Sozialsysteme, Demenzkranke im Akutkrankenhaus, Tages- und Kurzzeitpflege und Wohngruppen für Demenzkranke
  13. Schulung: 14 Overheadfolien mitsamt Begleittext zu den Themenbereichen Grundlagen, Diagnostik und Pflege und Betreuung

Diskussion

Die Bewertung dieser Veröffentlichung fällt zwiespältig aus. Eine Reihe von Kapiteln wie Ernährung, Angehörigenarbeit, ärztliche Versorgung und betreuungsrechtliche Aspekte sind der Intention entsprechend angemessen dargestellt und bieten Anregungen für die Praxis in den Heimen. Bei den Themenbereichen Pflege, Gestaltung der Heimumgebung, Kommunikation und Schulung hingegen zeigt sich deutlich die Verwirrung, die gegenwärtig in Deutschland im Bereich der Demenzpflege vorherrscht. So wird auch jedweder Ansatz in dieser Veröffentlichung ungeprüft und unkommentiert vorgestellt und damit implizit als Handlungsmodell empfohlen, wie z. B. Validation, Snoezelen, Zehn-Minuten-Aktivierung, Dementia Care Mapping und selbst Gedächtnistraining. Das bloße Aneinanderreihen teils divergenter Techniken und Vorgehensweisen ergibt jedoch noch kein in sich stimmiges Milieu- und Pflegekonzept. Eine an das Bewältigungsvermögen der Demenzkranken angepasste Lebenswelt kann in diesem Kontext nicht entstehen.

Die Aufgabe eines Leitfadens für die Pflege Demenzkranker besteht aber gerade in der Vermittlung der wesentlichen Gestaltungsprinzipien für eine optimierte Person-Umwelt-Passung, die wiederum Grundlage für die konkreten Vorgehensweisen bildet.

Fazit

Die vorliegende Loseblattsammlung vermag ihren Anspruch, Pflegequalität zu steigern und Pflegeverständnis zu sichern, nicht einzulösen. Im Gegenteil, durch diese Publikation wird eher noch die Orientierungslosigkeit in den Heimen gesteigert.

Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 10.08.2009 zu: Johannes F. Hallauer (Hrsg.): Umgang mit Demenz. Pflegequalität steigern und Pflegeverständnis sichern. B. Behr’s Verlag (Hamburg) 2008. ISBN 978-3-89947-304-9. Reihe: Pflegepraxis aktuell. + CD-ROM. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/6966.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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