Peter Faulstich, Christine Zeuner: Erwachsenenbildung. Eine handlungsorientierte Einführung
Rezensiert von Mag.(FH) DSA MSc Doris Lepschy, 17.09.2009

Peter Faulstich, Christine Zeuner: Erwachsenenbildung. Eine handlungsorientierte Einführung. Juventa Verlag (Weinheim) 2008. 3., aktualisierte Auflage. 270 Seiten. ISBN 978-3-7799-1541-6. 19,50 EUR.
Thema
Mit „Erwachsenenbildung - Eine handlungsorientierte Einführung in Theorie, Didaktik und Adressaten“ haben Faulstich und Zeuner bereits 1999 ein umfangreiches Grundlagenwerk der Erwachsenenbildung erstellt, das 2008 in der 3. Aktualisierten Auflage erschienen ist.
Autorin und Autor
Beide AutorInnen haben Professuren für Erwachsenenbildung in Hamburg inne, Peter Faulstich, Dr. phil., am Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Freizeitpädagogik, Fachbereich Erziehungwissenschaft an der Universität Hamburg, Christine Zeuner, Dr. phil., an der Helmut Schmidt Universität der Bundeswehr.
Entstehungshintergrund
Die Vielfältigkeit der Handlungsfelder in der Erwachsenenbildung und die „unterschiedlichen Rollen, die Lehrende als DozentInnen in Seminaren und Kursen, als Planende von Programmen, als ModeratorInnen von Workshops, als Vorbereiter von Veranstaltungen, als Trainerinnen in Konfliktseminaren, als Beratende in der Unternehmensentwicklung, als Verhandelnde mit Firmen, Behörden usw., als Akteure in der Gemeinwesenarbeit und vieles andere“ einnehmen sind genauso Basis für die Ausführungen des Buches wie die unterschiedlichen Konzepte der Erwachsenenbildung und die Gegenstände der Erwachsenenbildungswissenschaft.
„Das System der Erwachsenenbildung steht in einem Spannungsfeld von Ökonomie, Politik und Kultur, aus welchen sich „Bedarfe“ ergeben und das Erfolge bewertet. Es ist einbezogen in die Vorgaben des Bildungssystems, umfasst aber außer dem institutionellen Lernen weitere Lernkontexte in Arbeits- und Lebenszusammenhängen. Das Lernen Erwachsener in seinen vielfältigen Formen, abhängig von der Situation der Lernenden und unterstützt durch „Lernvermittelnde“, ist der Kern des Gegenstandsfeldes.“
Die AutorInnen vertreten einen „kritisch-pragmatischen Ansatz, der an der Idee von Bildung in einer Gesellschaft, die Entfaltung ermöglicht, festhält“, wozu Erwachsenenbildung beitragen kann.
Inhalt
Im ersten Kapitel Lernvermitteln als Tätigkeitskern oder Lehren ohne Zukunft? verweisen die AutorInnen auf die Expanison des Tätigkeitsfeldes der Erwachsenenbildung, wobei sie den deutschen Markt beobachten. Zusätzlich betonen sie, dass die Diskussion über „Professionalisierung“ des Personals inzwischen selbst Teil der Tradition der Erwachsenenbildung ist, jedoch nach wie vor kein Konsens besteht „worüber und von wem geredet wird“. Qualifizierung, Rekrutierung, Selbstverständnis und Organisationen werden beleuchtet. Berufsform und Tätigkeitsbündel sowie andragogische Praxeologie mit den Schwerpunkten Lehren, Planen/Leiten und Beraten mit Fach-, Methoden-, Sozial- und Reflexiver Kompetenz werden ebenso ausführlich betrachtet.
Im zweiten Kapitel Lernen Erwachsener oder gar Bildung? werden Lerntheorien und Lernen in Bildungszusammenhängen besprochen. Besonders betrachtet werden Kognitivistische Lerntheorie, Gedächtnistheorie und „informationsverarbeitende Systeme“ sowie Handlungsregulationstheorien ebenso wie die Lernstufen: Signallernen, Reiz-Reaktionslernen, Kettenbildung, Sprachliche Assoziation, multiple Diskrimination, Begriffslernen und Problemlösen. Weiters werden Aspekte der Lernformen (intentional, separiert, informell, wissenschaftsbezogen, fremdbestimmt, inzident, integriert, institutionell, erfahrungsbezogen, selbstbestimmt) sowie Auswirkungen von Lernkontexten und Situativität miteinbezogen. Geschichtliche Exkurse bieten Erklärungsmodelle und spannen den Bogen zu Lernchancen Erwachsener und dem abschließenden Intervention und Organisation von Lernen mit didaktischen Konsequenzen auf alle Aspekte des Lehr-Lernprozesses wie Intentionalität, Thematik, Methodik, Sequenzen des Lernens, Arrangement, Ressourcen, Lernorte und Instruktionsprinzipien bis hin zur Lernenden Organisation.
Das dritte Kapitel Erwachsenenbildung als Lernvermitteln- mehr als Unterrichten zeigt die Ebenen didaktischen Handelns und unterscheidet zwischen Mikro- und Makrodidaktik. Näher beleuchtet werden Bidungstheoretische Didaktik, Curriculumtheoretische Didaktik, Identitätstheoretische Didaktik, Ermöglichungsdidaktik und Subjektwissenschaftliche Didaktik. Themen für das Lernen Erwachsener werden ebenso vermittelt wie auch Methodenaspekte.
Das vierte Kapitel Lernvermittlung durch Planen und Beraten handelt vom Planen von Lernumgebungen und stellt Struktur- und Aktivitätsfelder im Prozessmodell der Weiterbildung anschaulich dar. Methoden der Bedarfsentwicklung finden ebenso Beachtung wie Transferprobleme oder situative Anwendbarkeit. Auch der Themenkomplex Qualität, Controlling und Evaluation kommt nicht zu kurz. Dem Schwerpunkt Beratung wird ein eigener Absatz gewidmet.
Im fünften Kapitel Lernende- Adressaten, Teilnehmende und Nichtteilnehmende- Nichtlernende? Stellen Faulstich und Zeuner AdressatInnen der Erwachsenenbildung in den Mittelpunkt. Lerneinstellungen und sozialstrukturelle Merkmale und eventuell daraus folgende Strategien der Zielgruppen- und Teilnehmerorientierung werden mit Beispielen profund aufgearbeitet und dargestellt.
Lernwelten- Lernfelder, das sechste Kapitel, beschäftigt sich mit Selbstbestimmtem Lernen und Lernvermitteln, Lernen in Institutionen, Lernen mit Medien, Lernen im Betrieb und am Arbeitsplatz und Lernen im Lebenszusammenhang.
Das siebente Kapitel, Lernzeiten- Lebenszeiten wiederum spiegelt den Umgang mit Zeit in Bildungsbiografien (Zukunftsentwürfe, Biographizität, Lernzeitansprüche, Lebenslanges Lernen). Auch Zeitwerkstätten sind Thema.
Im achten Kapitel Institutionsspektrum und –profile wird das breite Spektrum der Anbieterlandschaft dargestellt und dabei der deutsche Markt analysiert. Gewerkschaftliche und konfessionelle Bildungsarbeit, Parteien und ihre Stiftungen, „freie“ Träger und unternehmensnahe Verbände werden klar verständlich und mit Zahlen untermauert präsentiert. Institutionalisierungstendenzen und Kooperationsstrategien werden als eigener Punkt behandelt.
Das abschließende neunte Kapitel bietet mit Historie, Situation und Perspektiven des Systems Erwachsenenbildung einen Streifzug durch die Erwachsenenbildung, bündelt die gewonnenen Erkenntnisse und bietet einen kritischen Abschluss.
Diskussion
Die AutorInnen verwenden durchgehend gendersensible Formulierungen und haben sich für die Verwendung der rein weiblichen Form entschieden, was bei der Lektüre als ungewohnt, auf Grund des hohen Frauenanteils in dieser Branche durchaus angebracht erscheint.
Die AutorInnen beziehen sich auf Zahlen des deutschen Bildungsmarktes, die Ergebnisse lassen sich jedoch meiner Meinung nach auf den österreichischen Markt übertragen.
Fazit
Das Werk ist praxisorientiert und vermittelt Kompetenzen für die Tätigkeiten in der Erwachsenenbildung. Die Spezialisierungen der AutorInnen auf die Arbeitsschwerpunkte der betrieblichen, beruflichen, politischen, kulturellen Erwachsenenbildung im internationalen Vergleich unter Einbeziehung der Institutions- und Adressatenforschung sowie der Bildungsberatung sind durchgehend gut erkennbar.
Der umfangreiche Inhalt ist leicht lesbar, der Aufbau schlüssig und bietet Betrachtungen auf unterschiedlichen Ebenen (Wissenschaft, Institution, Praxis,…), aufbereitet für verschiedene Zielgruppen (Ältere, Erwerbslose, AusländerInnen,…) immer ausgehend von der „zentralen Frage nach den Entfaltungsmöglichkeiten von Individuen.“
In diesem Sinne ist die Lektüre der Publikation sowohl für StudentInnen als handlungsorientierte Einführung in Theorie, Didaktik und Adressaten als auch für PraktikerInnen als Unterstützung zur Evaluation wie auch zur Adaption der täglichen Arbeit in der Erwachsenenbildung zu empfehlen.
Rezension von
Mag.(FH) DSA MSc Doris Lepschy
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