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Friedhelm Schmidt-Quernheim, Thomas Hax-Schoppenhorst: Professionelle forensische Psychiatrie

Rezensiert von Dipl. Soz.-Päd. Melanie Hohlbach, 13.08.2009

Cover Friedhelm Schmidt-Quernheim, Thomas Hax-Schoppenhorst: Professionelle forensische Psychiatrie ISBN 978-3-456-84582-1

Friedhelm Schmidt-Quernheim, Thomas Hax-Schoppenhorst: Professionelle forensische Psychiatrie. Behandlung und Rehabilitation im Maßregelvollzug. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2008. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. 436 Seiten. ISBN 978-3-456-84582-1. 39,95 EUR.
Reihe: Fachpflege - Psychiatrische Pflege. Vorwort von Norbert Leygraf und Klaus Dörner.

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Thema

Der Maßregelvollzug verbindet Psychiatrie und Strafvollzug. Hier werden Menschen untergebracht, die auf Grund psychischer Erkrankungen oder Suchtmittelabhängigkeit Straftaten begangen haben. Der gesetzliche Auftrag der Unterbringung gemäß §63 bzw. 64 StGB umfasst gleichrangig die Aufgabe der Besserung und Sicherung. Es gilt die Gefährlichkeit der Patienten, welche auf ihrer Grunderkrankung gründet, durch Behandlung zu beseitigen bzw. zu reduzieren. Bis zur Mitte der 80iger Jahre existierten hierzu weder differenzierte Behandlungsprogramme noch Spezialisierungsmöglichkeiten für die im Maßregelvollzug tätigen Berufsgruppen. In diesem Randbezirk der Psychiatrie beschäftigt zu sein, war zu dieser Zeit wenig erstrebenswert. Auch der Öffentlichkeit blieben schließlich die vorhandenen Mängel nicht mehr verborgen. Es entstand eine Reformbewegung, die sich zum einen aus einem zunehmenden wissenschaftlichen Interesse für dieses Spezialgebiet der Psychiatrie und zum anderen aus der Entwicklung von speziellen Ausbildungs- und Weiterbildungsangeboten (z. B. Facharzt für Forensische Psychiatrie, Fachkrankenpfleger für forensische Psychiatrie) zusammensetzt. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, da sich mittlerweile über alle Berufsgruppen hinweg, die an der Behandlung von forensischen Patienten beteiligt sind, ein fachliches Selbstbewusstsein entwickelt hat, das der Boden für weitere Qualifizierung sein kann. So existieren beispielsweise Überlegungen für die Soziale Arbeit hinsichtlich einer Spezialisierung zur „Forensischen Sozialarbeit“ (Hahn 2008, S. 272.

Zielsetzung

Bereits in der 2003 erschienen ersten Auflage war das Ziel der Herausgeber, ein praktikables Arbeitsbuch vorzulegen, das Grundlagenwissen über den Maßregelvollzug vermittelt, pointiert aber auch tiefergehende Fragestellungen bearbeitet. Somit richtete sich bereits die damals verfasste Ausgabe sowohl an unmittelbar in der Forensischen Psychiatrie Tätige, als auch an nur am Rande mit dem Maßregelvollzug befasste Berufsgruppen und an interessierte Laien. In der nun vorliegenden zweiten Auflage wird diese Zielsetzung erneut unverändert deutlich. Neu sind eine durchgängige Aktualisierung aller Themenbereiche, die Erweiterung von einzelnen Kapiteln, ein kritischer Blick auf neue Konzepte und Methoden im Maßregelvollzug und ein thematischer Schwerpunkt auf der Betrachtung von multiprofessionellen Behandlungsansätzen.

Aufbau und Inhalte

Die zweite Auflage umfasst zehn Kapitel, wovon die ersten beiden die rechtlichen und ethischen Aspekte der forensischen Unterbringung beinhalten. Danach folgen die Kapitel zur aktuellen Situation im Maßregelvollzug, zur Behandlung allgemein, zu den multiprofessionellen Behandlungsansätzen, zur Pflege in der forensischen Psychiatrie und zu den Legalprognosen. Die letzten drei Kapitel befassen sich mit Forensischer Ambulanz, einem Forum, das neue Methoden kritisch beleuchtet und der Forensischen Psychiatrie in der Öffentlichkeit.

Das im Unterschied zu ersten Auflage deutlich umfassendere Kapitel zu den rechtlichen Fragestellungen enthält nun neben den gesetzlichen Grundlagen, informative und übersichtliche Erklärungen zum Vollstreckungsvorgang und der Vollzugspraxis der Maßregeln, sowie zu Gesetzesneuerungen. Hinzu kommen unverzichtbare und im Alltag von forensischen Berufspraktikern ständig präsente Themen, wie strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Lockerungsentscheidungen und Datenschutz. Es folgt das Kapitel, das die ethischen Aspekte beleuchtet. Danach wird die aktuelle Situation des Maßregelvollzuges dargestellt. Hier wird durch den Blick auf die „bedrohlichen Entwicklungen des Maßregelvollzuges“, hochaktuellen Themenstellungen, wie z.B. Privatisierungstendenzen oder der baulichen Übersicherung, Rechnung getragen. Das Kapitel über die Behandlung im Maßregelvollzug ist ebenfalls erweitert worden. Die Darstellung von Behandlungsansätzen für verschiedene Patientengruppen (z.B. Persönlichkeitsgestörte, Psychosekranke etc.) und Deliktbereiche, wird durch sehr treffende und eingängige Hinweise zur therapeutischen Haltung bereichert. Ausführlicher werden zudem unter anderem psychosoziale Therapien und Sozialarbeit, sowie schemafokussierte Therapie behandelt. Wie schon in der ersten Auflage ist die Notwendigkeit interdisziplinärer Zusammenarbeit und einer wertfreien Haltung den Patienten gegenüber, jederzeit in den Erläuterungen als roter Faden erkennbar. Auch die beiden folgenden Kapitel zu den multiprofessionellen Teams in Aktion und speziell der Pflege in der forensischen Psychiatrie unterliegen diesem Anspruch. Es werden hier Therapiemanuale und Behandlungskonzepte (z. B. Dialektisch-behavioraler Therapie, Reasoning & Rehabilitation Programm) für die Arbeit im multidisziplinären Kontext vorgestellt. Zusätzlich werden die derzeit in der Praxis aktuell diskutierten und bereits beginnend eingeführten Pflegediagnosen schwerpunktmäßig behandelt. Das Kapitel zu den Legalprognosen bei Patienten des Maßregelvollzugs befasst sich mit der Herausforderung Gefährlichkeit einzuschätzen und zu operationalisieren. Das Thema Forensische Ambulanz wird ebenfalls ausführlich vorgestellt. Dieses Kapitel bietet einen umfassenden Überblick über bestehende Nachsorgekonzepte, Qualitätsanforderungen und stellt die Kooperationspartner, die das Nachsorgenetzwerk für forensischen Patienten bilden, vor. Das vorletzte Kapitel Forum – Neue Methoden oder neue Moden greift Themenbereiche heraus, welche aktuell innerhalb verschiedener Fachdisziplinen diskutiert werden und unterzieht diese einer kritischen Überprüfung hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Forensische Psychiatrie. In der vorliegenden Ausgabe werden dafür die neurowissenschaftliche Sicht des „freien Willens“, das Stalking und operative Fallanalysen herausgegriffen. Das Buch schließt mit einer Bestandaufnahme der immer noch überwiegend angespannten Beziehung zwischen Forensischer Psychiatrie und Öffentlichkeit. Die Intention dieses Kapitel ist es, durch die Darstellung von Fakten, Vorurteile zu entkräften und ein Fundament für eine sachlich geführte Debatte um den Maßregelvollzug zu legen.

Das Buch ist schlüssig gegliedert. Es besticht durch eine verständliche und eingängige Sprache. Der durchgehende Praxisbezug durch Fallskizzen, Experteninterviews etc. dient der Veranschaulichung und hält über die gesamte Ausgabe hinweg das Interesse am Weiterlesen aufrecht.

Zielgruppen

Auch die zweite Auflage des vorliegenden Buches kann als Grundlagenwerk für alle, die an der Behandlung von forensischen Patienten beteiligt sind oder sich darüber informieren wollen, angesehen werden. Es empfiehlt sich sowohl für die Berufsgruppen, die unmittelbar im stationären forensischen Rahmen tätig sind, als auch für diejenigen, die in die Nachsorge von Maßregelvollzugspatienten involviert sind.

Fazit und Ausblick

Die beiden Herausgeber haben erneut einen Beitrag dazu geleistet, Forensische Psychiatrie verständlich zu machen und die dort mittlerweile herausgebildete Fachkompetenz zu würdigen. Für eine dritte Auflage wäre es in Betracht zu ziehen, dies auch für den Bereich der suchtkranken Straftäter in der Maßregel nach §64 StGB (Unterbringung in einer Entziehungsanstalt) vorzunehmen. Insgesamt bleibt aber ohne Zweifel festzustellen, dass der Leserkreis, der Interesse an einem lebendigen Fachbuch mit Praxisbezug hat und sich fundierte Kenntnisse über ressourcenorientierte multiprofessionelle Arbeit mit psychisch kranken Straftätern aneignen will, auf dieses Buch nicht verzichten kann.

Verwendete Literatur

Hahn G., Stiels-Glenn, M. (2008). Klinische Aspekte der Straftäterbehandlung. In Gahleitner S., u.a. (Hrsg.). Klinische Sozialarbeit. Zielgruppen und Arbeitsfelder (S. 163-175). Bonn: Psychiatrie-Verlag GmbH.

Rezension von
Dipl. Soz.-Päd. Melanie Hohlbach
M.A.
Mitarbeiterin im therapeutischen Team der Abteilung für Suchtforensik und Soziotherapie in der Klinik für Forensische Psychiatrie am Bezirkskrankenhaus Bayreuth

Es gibt 3 Rezensionen von Melanie Hohlbach.

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Zitiervorschlag
Melanie Hohlbach. Rezension vom 13.08.2009 zu: Friedhelm Schmidt-Quernheim, Thomas Hax-Schoppenhorst: Professionelle forensische Psychiatrie. Behandlung und Rehabilitation im Maßregelvollzug. Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2008. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. ISBN 978-3-456-84582-1. Reihe: Fachpflege - Psychiatrische Pflege. Vorwort von Norbert Leygraf und Klaus Dörner. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7078.php, Datum des Zugriffs 25.01.2025.


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