Tanja Dräger: Gender mainstreaming im Kindergarten
Rezensiert von Prof. Dr. paed. Michaela Rißmann, 09.09.2009
Tanja Dräger: Gender mainstreaming im Kindergarten.
ibidem-Verlag
(Hannover) 2008.
184 Seiten.
ISBN 978-3-89821-869-6.
24,90 EUR.
Reihe: Dialogisches Lernen - Band 10.
Thema
Die Autorin gibt in ihrem Buch einen Überblick über die politische Strategie des Gender Mainstreaming, bezieht dies dann auf das Handlungsfeld des Kindergartens und zeigt konkrete Ansatzmöglichkeiten für die Umsetzung der Strategie im Alltag des Kindergartens auf.
AutorIn oder HerausgeberIn
Tanja Dräger ist Diplom-Sozialpädagogin mit der Zusatzqualifikation Beratung, zuvor hat sie eine Ausbildung als Erzieherin absolviert.
Entstehungshintergrund
Das Buch ist die 10. Veröffentlichung in der Reihe „Dialogisches Lernen“, welche von Prof. Dr. Cornelia Muth herausgegeben wird. Seit den 90er Jahren ist Gender Mainstreaming eine verbindliche Richtlinie der EU und ein Leitprinzip der Politik der BRD. Da dieses Thema immer noch zu wenig Beachtung erfährt, aber auch bei den Jüngsten schon Berücksichtigung finden sollte, hat Tanja Dräger das Buch verfasst.
Aufbau ...
Das Buch ist aus 7 Kapiteln aufgebaut und enthält ein Literaturverzeichnis.
... und Inhalt
1 Einleitung. Hier wird das Ziel des Buches erläutert: Die Autorin will untersuchen, welche Bedeutung die politische Strategie des Gender Mainstreaming für den Kindergarten haben kann.
2 Was bedeutet Gender Mainstreaming? Zunächst ist eine Begriffsbestimmung nachzulesen, anschließend folgt ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen. Dem folgt ein Kapitel mit der Entstehungsgeschichte des Gender Mainstreaming. Dabei ist u. a. nachzulesen, dass es sich nicht um ein neues Konzept handelt, sondern dass Gender Mainstreaming ein Ergebnis eines etwa 30-jährigen Diskussionsprozesses mit frauenpolitischen Wurzeln ist. Drei Analysedimensionen der Geschlechterforschung werden betrachtet: Geschlecht als soziales Verhältnis, als soziale Konstruktion (Doing Gender) und als Strukturkategorie der Sozialen Arbeit.
3 Methoden und Instrumente zur Implementierung von Gender Mainstreaming. Folgende Methoden und Instrumente werden in jeweils kurzen Abschnitten vorgestellt:
- 3-R-Methode (Repräsentation, Ressourcen, Realisierung),
- GIA (Gender Impact Assessment und SMART),
- Gleichstellungsprüfung der Europäischen Kommission,
- 6-Schritte-Prüfung nach Karin Tondorf,
- Geschlechtsspezifische Statistiken, Genderexpertisen, Checklisten und Leitfäden,
- Gender Budgeting.
4 Gender Mainstreaming als Handlungsprinzip einer geschlechtergerechten Pädagogik. Zunächst wird die Bedeutung des Gender Mainstreaming für Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe diskutiert. Anschließend greift die Autorin strukturelle Aspekte des Gender Mainstreaming im Kindergarten, wie z. B. den Männer- und Frauenanteil, auf.
5 Theorien einer
geschlechtergerechten Pädagogik im Kindergarten. Als erstes
stellt Tanja Dräger hier die Frage, ob es sich beim
Gender Mainstreaming um ein pädagogisches Konzept handelt. In
diesem Zusammenhang merkt sie an, dass es um die Schaffung von
Voraussetzungen zur Verwirklichung einer Pädagogik geht, die die
Interessen von Jungen und Mädchen gleichermaßen
berücksichtigt. Dies wäre eine Chance, an Qualität in
Kindergärten zu gewinnen. Gender Mainstreaming ist ein
politisches Instrument, Genderpädagogik die differenzierte
fachliche Perspektive.
Anschließend betrachtet die
Autorin die theoretischen Grundlagen einer geschlechtergerechten
Pädagogik unter drei Perspektiven: der Gleichheitsperspektive,
der Differenzperspektive und der (de-)konstruktivistischen
Perspektive. Mit Blick auf eine erforderliche Genderkompetenz, die
Erzieherinnen und Erzieher benötigen, werden die einfache
Genderkompetenz (sie umfasst das Wissen um Gender Mainstreaming) und
die Genderkompetenz im erweiterten Sinne (die Einnahme
geschlechtsreflexiver Perspektiven) erläutert.
Im
Abschnitt über die Bedeutung der Sozialisation für die
Entwicklung der Mädchen und Jungen geht die Autorin u. a. auf
das Geschlechterverhältnis und die Persönlichkeitsentwicklung,
soziale Probleme durch ungleiche Geschlechterverhältnisse und
die Möglichkeiten sowie Grenzen der geschlechtergerechten
Pädagogik ein. Da Gender Mainstreaming auch im Kindergarten mit
einer Analyse beginnen sollte, empfiehlt Tanja Dräger die
erweiterte 6-Schritte-Prüfung nach Karin Tondorf.
6 Zur Umsetzung
geschlechtergerechter Pädagogik im Kindergarten. Zunächst
werden in der Einleitung zu diesem Kapitel Ziele einer
geschlechtergerechten Pädagogik formuliert. Anschließend
steht die Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher im Fokus. Mit
einem kurzen Blick auf die Professionalisierungsdebatte wird auf die
Forderungen nach einer akademisierten Erzieherinnen- und
Erzieherausbildung verwiesen. Selbstreflexion und Teamgespräche
sind der Weg, um eine geschlechtergerechte Pädagogik im
Kindergarten zu etablieren. In diesem Buchabschnitt sind auch einige
Reflexionsfragen und Anregungen für Reflexionen zur
Sensibilisierung für die Thematik zitiert. Weiterhin gibt es
hier Anregungen für Themen, die im Team besprochen werden
können.
Danach werden Anregungen für die
Elternarbeit gegeben. Anhand eines Beispiels aus den Materialien zur
geschlechtergerechten Kinder- und Jugendhilfe aus Sachsen-Anhalt wird
aufgezeigt, wie ein Elternabend aussehen könnte, der die
Thematik des Gender Mainstreaming aufgreift.
Zielgerichtete
Beobachtungen der Beziehungen zwischen Mädchen und Jungen sind
der Ausgangspunkt für Reflexionen und die Ableitung
pädagogischen Handelns. So kann zum Beispiel die Raumgestaltung
geschlechtsbewusster realisiert bzw. verändert werden. Hier ist
es erforderlich, die Mädchen und Jungen einzubeziehen, also auch
hier Partizipation zu verwirklichen, was ebenso ein Bestandteil einer
geschlechtergerechten Pädagogik ist.
Die Analyse der
Bewältigungsstrategien von Mädchen und Jungen kann im
Hinblick auf drei Themenbereiche aufschlussreich sein: Umgang mit
Konflikten und Aggression, mit Naturwissenschaft und Technik sowie
mit Körper und Raum. Für alle drei Themenbereiche werden
kurz Praxisanregungen und Veränderungsansätze gegeben.
Ein Mittel zur Öffentlichkeitsarbeit ist die Konzeption der
Einrichtung. Tanja Dräger führt in diesem Abschnitt
Fragen aus der Literatur auf, die – auch mit Blick auf Gender
Mainstreaming - Hinweise für Inhalte der Konzeption geben
können.
7 Resümee. Zusammenfassend stellt die Autorin fest, dass Gender Mainstreaming im Kindergarten in der „(Re)Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluation von allen wichtigen Entscheidungsprozessen“ (S. 163) besteht mit dem Ziel, dass alle Beteiligten den Blickwinkel der Gleichstellung zwischen Frauen/Mädchen und Männern/Jungen einnehmen. Die Autorin leitet auf dieser Basis einige Forderungen an Erzieherinnen und Erzieher, an Träger und die Politik ab.
Diskussion
Tanja Dräger beschäftigt sich mit einem aktuellen Thema, dem Gender Mainstreaming im Kindergarten. Sie zeigt auf, dass es sich bei Gender Mainstreaming um eine politische Strategie handelt. Dabei zeigt sie zunächst allgemeine und geschichtliche Aspekte des Themas auf und erläutert in einer gut verständlichen Sprache das Konzept des Gender Mainstreaming. Sie berücksichtigt bei ihren Erläuterungen aktuelle Erkenntnisse der Genderforschung und gibt mit vielfältigen Querverweisen und Zitaten einen guten Überblick über den aktuellen Diskussionsstand. Einige gegenwärtig in der Kindergartenpädagogik diskutierte Themen, wie Beobachtung, Raumgestaltung und Partizipation, werden – wenn auch jeweils kurz - mit dem Blick auf Gender Mainstreaming betrachtet, was andere Blickwinkel eröffnet.
Das vorliegende Buch kann für den Einstieg in die Thematik sehr hilfreich sein, da ihm eine umfangreiche Quellenrecherche zugrunde liegt.
Fazit
Das Buch bietet eine sehr gut lesbare wissenschaftliche Analyse zum Thema „Gender Mainstreaming“ und Handlungsstrategien für die Arbeit in Kindergärten.
Rezension von
Prof. Dr. paed. Michaela Rißmann
Fachhochschule Erfurt
Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften
Professur "Erziehungswissenschaften, Erziehung und Bildung von Kindern"
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Zitiervorschlag
Michaela Rißmann. Rezension vom 09.09.2009 zu:
Tanja Dräger: Gender mainstreaming im Kindergarten. ibidem-Verlag
(Hannover) 2008.
ISBN 978-3-89821-869-6.
Reihe: Dialogisches Lernen - Band 10.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7107.php, Datum des Zugriffs 13.12.2024.
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