Heinz Deger-Erlenmaier, Susanne Heim et al. (Hrsg.): Die Angehörigengruppe
Rezensiert von Prof. Dr. phil. habil. Johannes Jungbauer, 08.04.2009
Heinz Deger-Erlenmaier, Susanne Heim, Bertram Sellner (Hrsg.): Die Angehörigengruppe. Ein Leitfaden für Moderatoren.
Psychiatrie Verlag GmbH
(Bonn) 2006.
3., aktualisierte Auflage.
64 Seiten.
ISBN 978-3-88414-212-7.
12,90 EUR.
Reihe: Psychosoziale Arbeitshilfen - 12.
Thema
Angehörige psychisch kranker Menschen müssen oft gravierende Belastungen und Probleme bewältigen. Oft fühlen sie sich schuldig, überfordert oder hilflos; vielfach sind sie auch unsicher, an wen sie sich in ihrer Not wenden können. Von der Psychiatrie konnten die Angehörigen lange Zeit wenig Hilfe und Entlastung erwarten. In den letzten 30 Jahren hat sich hier glücklicherweise vieles zum Positiven verändert. Inzwischen wurden vielerorts Angehörigengruppen gegründet, in denen Angehörige soziale Kontakte, Information, Entlastung und Trost finden. Doch längst nicht überall gibt es ein solches Angebot. Die vorliegende Broschüre will Psychiatrie-Mitarbeiter und Angehörige dabei unterstützen, eine Angehörigengruppe zu konzipieren und durchzuführen.
Herausgeber und Herausgeberin
Heinz Deger-Erlenmaier ist Diplom-Sozialarbeiter und langjähriges Vorstandsmitglied im Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker. Er hat zahlreiche Bücher und Artikel zur Angehörigenarbeit publiziert. Susanne Heim ist Mutter eines psychisch kranken Sohnes und Mitbegründerin der Kölner Angehörigen-Selbsthilfe RAT UND TAT e.V. Bertram Sellner ist Fachkrankenpfleger für Psychiatrie und arbeitet als Pflegedienstleiter des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren.
Entstehungshintergrund
Bei der vorliegenden Arbeitshilfe handelt es sich um eine Broschüre, die bereits in der dritten Auflage erschienen ist (erste Auflage 1997). Sie fußt wesentlich auf der Verlaufsdokumentation einer Angehörigengruppe, die Bertram Sellner ursprünglich im Rahmen einer Fortbildung erstellt hat. Diese Dokumentation wurde redaktionell gründlich überarbeitet und durch weitere Beiträge ergänzt.
Aufbau und Inhalt
Herzstück der Arbeitshilfe ist die Dokumentation einer Angehörigengruppe am Bezirkskrankenhaus Regensburg. Bertram Sellner hat diese Angehörigengruppe moderiert und über ein halbes Jahr hinweg schriftlich protokolliert, wie die Treffen verlaufen sind. Von der Vorbereitung über den Beginn der Angehörigengruppe wird beschrieben, welche Themen und Probleme in den einzelnen Sitzungen besprochen wurden. Dabei wird auch deutlich, wie sich die Teilnehmer gegenseitig unterstützten und wie die Gruppe im Lauf der Zeit immer mehr zusammengewachsen ist. Eingeschobene fachliche Exkurse (z.B. zu Kränkungen und Grenzverletzungen, Umgang mit heiklen Themen wie z.B. Suizid, Tabu Sexualität und Gruppenspielregeln) ergänzen die Dokumentation. Außerdem finden sich in dem Beitrag weitere Materialien wie Plakate, Handzettel, persönliche Anschreiben und Gesprächshilfen.
Die Verlaufsdokumentation der Angehörigengruppe wird durch weitere Beiträge gleichsam eingerahmt. Zu Beginn sind auf wenigen Seiten wesentliche Informationen für Leser zusammengestellt, die eine Angehörigengruppe planen: Zunächst werden Arbeitsweisen und unterschiedliche Organisationsformen von Angehörigengruppen beschrieben. Unter der Überschrift „Aller Anfang ist gar nicht so schwer“ findet sich eine Checkliste zur konkreten Planung und Vorbereitung einer Angehörigengruppe. Für die Moderatoren einer Angehörigengruppe sind einige wichtige Grundregeln zusammengestellt, die sich auf die Rahmenbedingungen, den Beginn, die Durchführung und den Gruppenprozess beziehen.
Im Anschluss an die Dokumentation von Bertram Sellner wird dargelegt, warum Angehörigenarbeit zu den wesentlichen Aufgaben der Psychiatrie gehört. Dabei wird deutlich, dass nicht nur die Angehörigen, sondern auch dass auch die Erkrankten und die Klinikmitarbeiter von Angehörigengruppen profitieren. Einige Zitate und schriftliche Zeugnisse belegen, dass die Angehörigengruppe eine enorm wichtige entlastende Bedeutung haben kann.
Auf mögliche begleitende Angebote, wie z.B. Informationsabende, gerontopsychiatrische Angehörigengruppen, Angehörigentage und Psychoseseminare wird gesondert eingegangen. Für Angehörige, die selbst aktiv werden wollen und sich z.B. im Rahmen eines Vereins organisieren wollen, finden sich hilfreiche Tipps und Materialien. Abschließend sind 18 Thesen zur Arbeit mit Angehörigengruppen aufgeführt, die Grundpositionen einer angehörigenzentrierten Angehörigenarbeit umreißen.
Ein ausführlicher Abschnitt mit kommentierten Literaturempfehlungen vervollständigt die Broschüre. Hier finden sich zahlreiche Hinweise zu Erfahrungsberichten von psychiatrieerfahrenen Menschen, Grundlagenliteratur zur Angehörigenarbeit, Ratgeber und Verständnishilfen für Betroffene und Angehörige sowie Fachbücher für Studierende und professionelle Helfer.
Fazit
Bei dem vorliegenden „Leitfaden“ handelt es sich nicht um ein akademisches Fachbuch, sondern um eine leicht verständliche Einführung und Arbeitshilfe. Sie wendet sich nicht nur an professionelle Helfer, sondern auch an Angehörige, die eine Angehörigengruppe planen und durchführen wollen. Die Broschüre vermittelt eine sehr konkrete Vorstellung darüber, wie eine Angehörigengruppe verlaufen kann, mit welchen Schwierigkeiten Moderatoren rechnen müssen und wie mit diesen umgegangen werden kann. Darüber hinaus stellt sie zahlreiche nützliche Tipps und Anregungen bereit, wie Angehörigengruppen initiiert und langfristig im Klinikalltag verankert werden können. Mittlerweile in der dritten Auflage erschienen, kann man diese Arbeitshilfe wohl zu Recht als „kleines ABC der Angehörigenarbeit“ bezeichnen.
Rezension von
Prof. Dr. phil. habil. Johannes Jungbauer
Diplom-Psychologe; Supervisor (BDP). Professor für Familien- und Entwicklungspsychologie an der Kath. Hochschule NRW in Aachen
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Es gibt 6 Rezensionen von Johannes Jungbauer.
Zitiervorschlag
Johannes Jungbauer. Rezension vom 08.04.2009 zu:
Heinz Deger-Erlenmaier, Susanne Heim, Bertram Sellner (Hrsg.): Die Angehörigengruppe. Ein Leitfaden für Moderatoren. Psychiatrie Verlag GmbH
(Bonn) 2006. 3., aktualisierte Auflage.
ISBN 978-3-88414-212-7.
Reihe: Psychosoziale Arbeitshilfen - 12.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7152.php, Datum des Zugriffs 15.11.2024.
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