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Hatice Gündoğdu, Ulrike Zenk: Kampf der Kulturen? Zwei Frauen gestalten Integration

Rezensiert von em. Prof. Dr. Süleyman Gögercin, 23.03.2009

Cover Hatice Gündoğdu, Ulrike Zenk: Kampf der Kulturen? Zwei Frauen gestalten Integration ISBN 978-3-8370-4961-9

Hatice Gündoğdu, Ulrike Zenk: Kampf der Kulturen? Zwei Frauen gestalten Integration. Books on Demand GmbH (Norderstedt) 2008. 146 Seiten. ISBN 978-3-8370-4961-9. 12,90 EUR.
Vorwort von Ahmet Toprak.

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Thema und Hintergrund

In den zurückliegenden Jahren sind Aspekte der Integration auf mehrfache Weise besonders ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Es ist nicht nur der Terroranschlag vom 11.09.2001 in den USA und danach in Europa, der eine friedliche Integration der Kulturen auf eine harte Probe stellt, sondern auch die Erweiterung der EU mit ihren Unwägbarkeiten neben der Globalisierung mit ihren spürbaren Folgen für Wirtschaft und Politik, für den Arbeitsmarkt und die Sozialsysteme, aber auch für die Menschen im Alltag. Mit zunehmenden kulturellen Differenzerfahrungen in kulturellen Überschneidungssituationen wachsen auch Verständigungsschwierigkeiten. Die Bewältigung interkultureller Probleme ist nicht mehr nur eine Frage danach, wie eine Mehrheitsgesellschaft mit ihren Minderheiten umgeht. Sie ist vielmehr zur allgemeinen Lebensbedingung geworden.

Zwei Lehrerinnen unterschiedlicher Generationen, eine mit türkeistämmigem Migrationshintergrund, dokumentieren in ihrem Buch anhand eines sehr persönlichen Briefwechsels, wie sie ihre Begegnungen und gemeinsamen Erlebnisse aus der jeweils eigenen Perspektive begreifen und wie sie Integration vor Ort in einer Schule im Sauerland, in der sie beide arbeiten, gestalten und leben.

Autorinnen

Hatice Gündoğdu ist als Kind einer türkischen Einwandererfamilie in Duisburg-Marxloh geboren. Sie absolvierte das Lehramtsstudium der Fächer Deutsch und Türkisch an der Universität Duisburg-Essen. Sie ist heute Klassenlehrerin der Integrationsklassen am Gertrud-Bäumer-Berufskolleg Lüdenscheid/Plettenberg und Mitglied des Arbeitskreises Integration.

Dr. Ulrike Zenk studierte Erziehungswissenschaften, Psychologie sowie Soziologie und promovierte an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster über den kindlichen Erwerb der kommunikativen Kompetenz. Sie arbeitet ebenso als Lehrkraft am Gertrud-Bäumer-Berufkolleg in Plettenberg. Ihren außerunterrichtlichen Schwerpunkt hat Ulrike Zenk im schulischen Arbeitskreis Integration. (Angaben zu Autorinnen im Buch, S. 145)

Aufbau und Inhalt

Das Buch enthält neben einem Vorwort von Prof. Dr. Ahmet Toprak und einer Einleitung von Ulrike Zenk elf Briefe und einen Anhang.

In seinem Vorwort bewertet Toprak den von den Autorinnen gestalteten „Prozess des Verstehen-Lernens“ (Zenk, S. 17) völlig zutreffend wie folgt: „Wenn nur 20 Prozent der Lehrkräfte, Sozialarbeiter, ErzieherInnen etc. die Erfahrungen der beiden engagierten Lehrerinnen kopieren und umsetzen, brauchen wir in Deutschland weder einen Islam- noch Integrationsgipfel.“ (S. 9)

In ihrer Einleitung erläutert Zenk die Hintergründe ihrer Begegnung sowie des Entschlusses ihres Briefwechsels: Das Gertrud-Bäumer-Berufkolleg befindet sich in einem Stadtteil mit einer sehr hohen türkeistämmigen Migrantenquote. Deshalb stellt die Integrationsarbeit für die Schule eine besondere Herausforderung dar, der sie mitunter mit der Einstellung einer türkeistämmigen Lehrerin, der Mitautorin Gündoğdu, begegnen will. Zenk und Gündoğdu freunden sich sehr schnell an, besuchen sich gegenseitig privat, verbringen gemeinsam mit noch zwei weiteren Kollegen eine Schulprojektwoche in Istanbul und führen gemeinsame Studienreisen mit ihren Schüler/innen durch. Im März 2007 beschließen sie, in Form eines schriftlichen Dialogs einen Verständigungsprozess einzuleiten.

In den folgenden elf Briefen reflektieren sie ihre Begegnungen und gemeinsamen Erlebnisse. Zenk leitet die Reihe der Briefe mit dem Hinweis darauf ein, dass sie jedes Jahr in einem ‚interkulturellen Unterricht‘ kulturelle Unterschiede behandle. Die Schüler/innen lernten u.a. die verschiedenen Zeitsysteme kennen. Damit beginnt ein Austausch über theoretische Begriffe wie Zeit, Raum, Kollektivismus, Individualismus, Werte, Normen, Regeln, die man in fast allen Büchern zur Interkulturalität bzw. zum interkulturellen Lernen findet. Hier allerdings werden diese ganz authentisch und konkret, da diese zumeist bezogen auf das Zusammentreffen zweier vermeintlich gegensätzlicher Kulturen in der Großfamilie Gündoğdu und in der Familie Zenk thematisiert werden. Die Autorinnen verdeutlichen, dass die geschilderten gegenseitigen Besuche und Begegnungen von entscheidender Bedeutung für die Gestaltung der Integration sind.

Diskussion

In allen Briefen sind viele wesentliche Grundlagen einer gelingenden Integration deutlich erkennbar, die im Vorwort auch von Toprak aufgegriffen werden: Neugier, Interesse und Offenheit dafür, andere Kulturen kennen zu lernen, aber auch über die eigene Kultur viel zu erfahren.

Der gesamte Schriftwechsel zeigt eindrucksvoll, wie Menschen unterschiedlicher kultureller Prägungen Integration miteinander im Alltag gestalten können, wie daraus Erkenntnisse gewonnen und auch auf die praktische Arbeit professionell übertragen werden können. Zudem untermauern die Autorinnen ihre Ausführungen an passenden Stellen durchaus wissenschaftlich, indem sie bei ihren Reflexionen ihrer Erlebnisse auch auf einige themenrelevante Fachliteratur Bezug nehmen.

Fazit

Der angenehm lesbare Schriftwechsel zwischen einer türkei- und einer deutschlandstämmigen Lehrerin ist allen Lehrkräften zu empfehlen, die Integration als eine zwar aufwändige, aber allseits bereichernde pädagogische Arbeit begreifen. Das Buch ist aber auch all jenen zu empfehlen, die sich mit Fragen der Integration von Migranten/innen befassen und erfahren wollen, wie eine gute Integrationsarbeit praktisch verrichtet wird.

Rezension von
em. Prof. Dr. Süleyman Gögercin
Duale Hochschule BW Villingen-Schwenningen, Fakultät für Sozialwesen
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Es gibt 110 Rezensionen von Süleyman Gögercin.

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ISSN 2190-9245