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Nina Spröber, Peter F. Schlottke et al.: Bullying in der Schule

Rezensiert von Dipl. Sozialpädagogin Monika Hirsch-Sprätz, 17.08.2009

Cover Nina Spröber, Peter F. Schlottke et al.: Bullying in der Schule ISBN 978-3-621-27641-2

Nina Spröber, Peter F. Schlottke, Martin Hautzinger: Bullying in der Schule. Das Präventions- und Interventionsprogramm PRoACT + E. Beltz Psychologie Verlags Union (PVU) (Weinheim) 2008. 161 Seiten. ISBN 978-3-621-27641-2. D: 44,90 EUR, A: 46,50 EUR, CH: 76,00 sFr.
Reihe: Materialien für die klinische Praxis.

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Thema und Hintergrund

Der Problematik aggressiv ausgetragener Konflikte im schulischen Kontext, dem Bullying, wurde national wie international in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit geschenkt. Längsschnittstudien zeigten, dass es sich beim Bullying und der Viktimisierung um relativ stabile Verhaltensweisen handelt, mit ernsthaften kurz- wie langfristigen Folgen.

Um dieser weiteren Entwicklung entgegenzuwirken, wurden verschiedene Interventionen auf der präventiven Maßnahmenebene konzipiert. Ziel ist es, Risikofaktoren für ein Problemverhalten zu reduzieren und Schutzfaktoren zu fördern. Aggressive Verhaltensweisen sollen reduziert und das Auftreten positiven Sozialverhaltens gefördert werden. Als wirkungsvoll haben sich theoretisch fundierte und wissenschaftlich validierte Mehr-Ebenen-Programme erwiesen, die sowohl die personenbezogenen Faktoren, wie auch die Umgebungsfaktoren einbeziehen. Hier setzt das von den Autoren entwickelte und evaluierte Anti-Bullying-Programm an, das für die Sekundarstufe I konzipiert wurde.

Die Autoren weisen ferner darauf hin, dass es für die Psychologen, Sozialpädagogen und Lehrer wichtig ist zu wissen, dass das Präventionsprogramm erst nach wiederholter Anwendung und den damit gemachten Erfahrungen gelingen kann. Die Einführung sollte im ersten Drittel des 5. Schuljahres eingeführt und das Thema bzw. vereinzelte Übungen erneut im 6. Schuljahr wiederholt werden.

Autoren

Dr. rer.nat. Nina Spröber ist Dipl. Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin und leitende Psychologin der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Ulm. Sie arbeitet als Dozentin an verschiedenen Ausbildungsinstituten zu ADHS, Bullying, verhaltenstheoretischer Diagnostik und Gruppeninterventionen. Forschungsschwerpunkte sind: Bullying, ADHS bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, Prävention von Verhaltensauffälligkeiten, Psychoonkologie. Zudem wirkt sie als Sachverständige zur Glaubhaftigkeitsbeurteilung bei Gericht.

Prof. ret. Dr. Peter F. Schlottke ist doppelt approbierter Psychotherapeut und als Supervisor in der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz der Universität Tübingen tätig. Er ist zudem Direktor des Institutes für Erziehungswissenschaft und Psychologie, Leiter der Abteilung Psychologie der Universität Stuttgart und Mitglied des Institutes für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie an der Universität Tübingen. Arbeitsschwerpunkte sind u. a. Erlebens- und Verhaltensstörungen im Kindes- und Jugendalter, Psychologische Diagnostik, wie interventionsvorbereitende, - begleitende und -evaluierende Diagnostik, Diagnostik und Therapie bei Aufmerksamkeitsstörungen(ADHS) und Lern- und Leistungsstörungen, Elternberatung, Entwicklung und Evaluation von Präventionsprogrammen für Risikokinder.

Prof. Dr. Martin Hautzinger ist Dipl. Psychologe, Universitätsprofessor, Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie und Entwicklungspsychologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und Leiter der psychotherapeutischen Hochschulambulanz am Psychologischen Institut der Universität Tübingen, Mitglied in der Geschäftsführung der priv. Tübinger Akademie für Verhaltenstherapie, Ausbilder und Supervisor an verschiedenen Psychotherapie-Ausbildungsstätten, Arbeitsschwerpunkte sind u.a.: Interventionsforschung (Psychotherapie/Prävention), körperliche und psychische Störungen im Kindes- und Jugendalter.

Prof. Hautzinger ist zudem mit Herrn Prof. Dr. Franz Petermann Herausgeber dieses Buches im Rahmen der Reihe „Materialien für die klinische Praxis“.

Zielgruppen

Zielgruppen sind Psychotherapeuten, Diplompsychologen, Lehrer/-innen, Eltern, Schüler/-innen und sicher all diejenigen externen Trainer/-innen, die Anregungen aus dem Konzept dieses Mehr-Ebenen-Programmes für Ihre Arbeit in Schulen entnehmen können.

Aufbau und Inhalt

Das Buch beginnt mit der Inhaltsangabe (S. V-VIII), schließt das Vorwort der Autoren an (S. IX-XI) und untergliedert im Folgenden den Hauptteil in zwei Teile. Teil I (Grundlagen, S. 1-27) weist fünf und Teil II (Programm ProACT + E, S. 28-149) vier Unterkapitel auf. Mit Hinweisen zur Benutzung der innen liegenden CD-ROM und DVD, Literaturangaben, einem Stichwortregister und einer Aufzählung der auf der CD-ROM enthaltenen Arbeitsblätter, endet die Inhaltsbeschreibung.

Teil I: Grundlagen

  • Kapitel 1: Bei der Frage „Was ist Bullying?“, lenken die Autoren den Blick auf die Notwendigkeit von theoretisch fundierten, wissenschaftlich validierten und wirksamen Mehr-Ebenen-Programmen zur Prävention von Bullying und Viktimisierung.
  • Kapitel 2: Thema hier sind die Definition, Klassifikation und Prävalenz von Bullying in Deutschland im Vergleich zu internationalen Studien.
  • Kapitel 3: Der Teufelskreis von Bullying (Modell von Olweus / 1989, 1991, 1996), das Modell der sozialen Informationsverarbeitung bei Tätern/Opfern/Täter-Opfern im Vergleich zu unbeteiligten Schülern (Lemerise/Arsenio, 2000), das schulische Umfeld der Peers und Lehrer und der Einfluss der Eltern über deren Unterstützung und emotionale Beziehung zu ihren Kindern, dienen als Erklärungsansätze für Bullying-Situationen.
  • Kapitel 4: Das Kapitel „Bullying und Komorbidität“ weist auf kurz- und langfristige Folgen für alle Beteiligten hin.
  • Kapitel 5: In diesem Kapitel wird der Stand der Präventions- und Therapieforschung aufgegriffen. Ziele und Ansatzpunkte für Präventions- und Interventionsmaßnahmen, wie auch die Effektivität evaluierter Mehr-Ebenen-Programmen werden näher beleuchtet.

Teil II: Das Programm ProACT+E

  • Kapitel 6: Hier wird die Konzeption des Mehr-Ebenen-Programmes dargestellt, das sich in ein Klassen-, Lehrer- und Elterntraining aufgliedert. In den folgenden drei Kapiteln, werden neben zeitlicher Struktur und Ablauf, die Evaluation und vor allem die Einzeltrainings entsprechend detailliert geschildert. Alle Einzeltrainings verlaufen nach einer bestimmten Struktur: Zielsetzung, Durchführung, 1-3 oder 1-5 Sitzungen mit Einführung/ Trainingsphase und Abschluss. Jede Sitzung ist einem bestimmten Thema gewidmet.
  • Kapitel 7: Das Klassentraining hat zum Ziel, dass Schüler ihre Konfliktsituationen selbst-ständig und konstruktiv bearbeiten lernen. Die detailliert aufgeführten Sitzungsabläufe beinhalten Themen wie: - Erst hinschauen, dann handeln! - Wir handeln! - Wir sorgen vor! Neben der Beschreibung vielfältigster Übungen, Materialien, Arbeitsbögen, Regeln, Verhaltensverstärkern und Konsequenzen bei Regelverstößen, enthält das Kapitel eine hohe Anzahl von Tabellen mit Tipps und Tricks für Trainer bei der Durchführung der Sitzungen, wie auch ein Schülerhandbuch.
  • Kapitel 8: Das Elterntraining findet in einer Gruppe von 3-12 Personen in der Schule statt. Die Teilnahme ist freiwillig. Schwerpunkt liegt auf der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder. Sitzungsthemen sind: - Wie lernen Kinder im Alltag? - Wie können Eltern die Stärken ihres Kindes fördern? - Ideen zum Umgang mit Problemverhalten. Auch hier sind wieder zahlreiche Tipps für Trainer zu finden, wie auch Arbeitsblätter/Evaluationsbögen/ein Elternhandbuch für die Eltern und Hinweise/Szenen über DVD.
  • Kapitel 9: Das Lehrertraining gestaltet sich über 5 Sitzungsmodule und orientiert sich am Lehrerhandbuch, das auf der beiliegenden CD-ROM zu finden ist. Relevante Inhalte werden erläutert, dann durch den/die Trainer/-in an den Lehrer vermittelt. Jede Einheit endet mit einer kurzen Übung. Methoden werden gesondert eingeübt. Über Transferaufgaben in den Schullalltag des jeweiligen Lehrers, wird das Gelernte trainiert. Exemplarisch hier einige Themen: - Rolle des Lehrers - Erziehung/ Erziehungsfallen - Umgang mit Problemverhalten wie Schikanieren/Diskriminieren - Durchführung eines Klassentrainings mit Maßnahmen auch auf der Schulebene - Einführung des Klassenrates. Zahlreiche Tipps unterstützen auch hier wieder die Vorgehensweise der Trainer mit dem/ den Lehrer/n, ebenso die exakt auf die einzelnen Sitzungseinheiten abgestimmten Arbeitsblätter.

Diskussion

Der Buchtitel bezieht sich auf „Bullying in der Schule“ und erweckt damit leicht den Eindruck, dass speziell dieses Thema angegangen wird. Wie von den Autoren betont, wurde dieses Mehr-Ebenen-Programm auf präventive Ansätze hin konzipiert, die Risikoverhalten reduzieren und Schutzfaktoren fördern sollen. Damit könnten jedoch all jene Leser enttäuscht werden, die sich mehr Handlungsalternativen bei verschiedenen akuten Bullying-Situationen erhofft haben, zumal im präventiven Spektrum grundsätzlich auch Erziehungsfragen einen ebenso breiten Raum einnehmen. Für die Sekundarstufe I konzipiert, bewegen sich die dargestellten Situationen auf dem Schulhof noch im frühen Anfangsstadium des Bullying und beziehen sich auf erste Schikanen, was den rein präventiven Charakter von Interventionen unterstreicht.

Auffällig war, dass in den Szenen die Mädchen eher in der Opferrolle dargestellt werden, jedoch wenigstens ein Beispiel gezeigt wurde, wo die Mädchen sich solidarisieren und aus dieser Rolle heraus aktiv werden. Mögliche Handlungsoptionen der Jungs, wenn die Rollenverteilung umgekehrt verläuft, bleiben unerwähnt. Jedoch wird in den Beispielen trotzdem das Kräfteungleichgewicht zwischen den Akteuren deutlich, wie auch das Ziel, Schaden zuzufügen.

Fazit

Der erste, theoriebezogene Teil ist leider sehr knapp ausgefallen. Hier ließe sich auch im Sinne des sich anschließenden ProACT – E-Programmes einiges vertiefend hinzufügen.

Der praktische Teil hingegen bezieht sich äußerst ausführlich auf Trainertipps, Methodenhinweise, Spezialthemen und Arbeitsblätter.

Das Elterntraining ist realitätsnah über DVD-Videosequenzen aufgebaut, von konkreten Hinweiskommentaren der Psychologin Frau Nina Spröber begleitet und wird durch kurze Theorie-Inputs von Prof. Peter F. Schlottke abgerundet. Das Material wie auch die Sitzungsabläufe und deren Inhalte sind gut didaktisch aufbereitet und evaluiert.

Das Thema Gewalt im Zusammenhang mit Bullying kommt leider zu kurz.

Bei dem dringend benötigten Lehrertraining, ist die schrittweise Einführung des jeweiligen Lehrers im Umgang mit den Themen und Materialien des Programms sehr gelungen. Beim Elterntraining ist der Lebenswelt-Ansatz hilfreich und eindeutig der Zielgruppe zugeordnet.

Das Schülertraining bietet abwechslungsreiche Angebote, die sich thematisch bei den Eltern- und Lehrer-Sitzungen wiederholen.

Das gesamte Buch enthält in hoher Dichte überlegte, gut einsetzbare Materialien und Hinweise. Letztlich ist das Programm für alle o. g. Zielgruppen interessant und lässt auch Spielräume für eigene Gestaltungsideen offen. Eine umfangreiche „didaktische Materialsammlung“, die das Herz eines jeden Trainers höher schlagen lässt!

Rezension von
Dipl. Sozialpädagogin Monika Hirsch-Sprätz
Supervisorin, Mediatorin und Leiterin der Mobbingberatung Berlin-Brandenburg. Arbeitsschwerpunkte: Information, Beratung, Training, Moderation, Konfliktmanagement, Mediation, Kooperation mit interdisziplinärem Experten-Netzwerk. Face-to-Face- und Online-Beratung. Bereiche: Schule, Ausbildung und Arbeitswelt.
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Es gibt 25 Rezensionen von Monika Hirsch-Sprätz.

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ISSN 2190-9245