Peter Schwarz, Robert Purtschert et al.: Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen
Rezensiert von Prof. Dr. Wolfgang Klug, 22.04.2003

Peter Schwarz, Robert Purtschert, Charles Giroud, Reinbert Schauer: Das Freiburger Management-Modell für Nonprofit-Organisationen. Haupt Verlag (Bern Stuttgart Wien) 2002. 4., weitgehend aktualisierte und ergänzte Auflage. 288 Seiten. ISBN 978-3-258-06542-7. 32,00 EUR.
Entstehungshintergrund
Das Buch beschreibt das so genannte Freiburger Management-Modell (FMM), das aus Erfahrungen in der Fortbildung von Nonprofit-Managern und der Auswertung langjähriger Unternehmensberatungen entwickelt wurde. Dass es mittlerweile in der 4. Auflage (Erstauflage 1995) erschienen ist, zeigt seine weite Verbreitung. Die Autoren sind ausgewiesene, in der Schweiz tätige Wirtschaftsprofessoren.
Aufbau und Inhalte
Als Grundthese des FMM postulieren die Autoren: "Da jedoch Profit- und Nonprofit-Organisationen nur in grundsätzlichen Eigenschaften gleich, in anderen aber ungleich sind, so sind der Übertragbarkeit von Erkenntnissen der (Profit-)Management-Lehre auf Nonprofits offenbar Grenzen gesetzt. Deshalb ist die Management-Lehre von Nonprofit-Organisationen als besondere Betriebswirtschaftslehre zu konzipieren [...]." (S. 32)
Diese besondere Betriebswirtschaftslehre (BWL) für Nonprofit-Organisationen wird systematisch in drei großen Abschnitten entwickelt:
I) Grundlagen des FMM
II) FMM: Zweck, Aufbauelemente, Überblick
III) Beschreibung der drei Management-Bereiche.
In Abschnitt I (Grundlagen des FMM) beschreiben die Autoren die zentralen Charakteristika von Nonprofit-Organisationen (NPOs) zunächst in Abgrenzung von anderen Organisationsformen (z.B. Profitorganisationen), um dann verschiedene Arten von NPOs nach Trägerschaft (privat, staatlich, halbstaatlich) zu identifizieren. Schließlich wird eine Einordnung ihrer NPO-Managementlehre in die klassische BWL vorgelegt. In diesem Zusammenhang finden die in der Sozialen Arbeit entwickelten Sozialmanagement-Ansätze wenig Anklang (S. 34).
Abschnitt II (FMM: Zweck, Aufbauelemente, Überblick) stellt nun das FMM selber vor. Dabei gehen die Autoren von einem systemischen Organisationsbegriff aus, gehen auf den Stakeholder-Ansatz ein, charakterisieren eine NPO als Dienstleistungsorganisation und als Werte- bzw. Kulturgemeinschaft, um am Ende dieses Kapitels sehr ausführlich darzulegen, was es bedeutet, eine NPO als "lernende Organisation" zu verstehen.
Der bei weitem umfangreichste Teil des Werkes ist Abschnitt III (Beschreibung der Management-Bereiche), der wiederum in drei Bereiche aufgeteilt ist: System-Management, Marketing-Management, Ressourcen-Management.
System-Management umfasst die klassischen Steuerungsinstrumente der BWL: Planung, Controlling, Qualitätsmanagement, Führung, Organisation und Innovation. Diese Bereiche werden ausführlich dargestellt. Entscheidend ist dabei aus Sicht der Autoren, die Ebenen der Steuerung in all den genannten Bereichen zu berücksichtigen: die normativ-strategische, die operativ-mittelfristige und die dispositiv-kurzfristige Planungsebene. Mit dieser Terminologie weichen die Autoren bewusst von der gängigen Unterscheidung (normativ - strategisch - operativ) ab (S.118). Eingearbeitet werden in diese Steuerungsinstrumente die weithin bekannten Konzepte von "Führung durch Zielvereinbarung" (Management by Objectives), Total Quality Management, aber auch Management-Techniken wie Portfolio-Analyse oder ein System integrierten Rechnungswesens. Der System-Management-Teil wird abgeschlossen mit einem Kapitel über "Organisation", das im wesentlichen aus einer Adaption klassischer Aufbauorganisations-Modelle auf NPOs besteht, und einem Abschnitt über Innovation, der Passagen zum Change-Management und Projekt-Management enthält.
Das Marketing-Management wird sehr weit gefasst, da es eine große Zahl von "Austauschbeziehungen" einer NPO gibt, die es zu gestalten gilt: Mitglieder, Mitarbeiter, öffentliches und politisches System, Spender, Marktteilnehmer oder Ehrenamtliche. Das FMM geht davon aus, dass die wichtigsten Instrumente des Marketing zwar aus dem Fundus der Werbewirtschaft übernommen werden können (S. 214), jedoch wegen der vielen Kommunikationspartner weitaus komplexer zu konzipieren sind als die einer Profit-Organisation (S. 212). Dem umfassenden Marketing-Auftrag entsprechend wird Marketing demnach als "Partizipationsphilosophie" mit den wichtigen Anspruchsgruppen verstanden (S. 213) und durch umfangreiche Überlegungen zur Kommunikation mit diesen Rechnung getragen. Beschrieben werden auch hier einzelne Marketingkonzepte (z.B. CI-Konzept; Konzept der Organisationsidentitäten) und Methoden (operative Marketing-Planung, Fundraising, Sponsoring).
Mit dem Kapitel über Ressourcen-Management wird das Buch abgeschlossen. Ressourcen werden als Potenziale verstanden, die verwendet werden können, um die Aufgaben der NPOs zu erfüllen. Die klassische Volkswirtschaftslehre nennt dies die "Produktionsmittel". Solche Ressourcen für NPOs sind: Mitglieder, Ehrenamtliche (hier besonders verstanden als Verbandsfunktionäre), Personal, Finanzen und Freiwillige. Besonders bezüglich Mitgliedern und Ehrenamtlichen ("Milizer") finden sich ausgiebige Erwägungen hinsichtlich Motivation, Gestaltung von Anreizsystemen und Problembehebung bei der Zusammenarbeit mit Professionellen. Das Kapitel über Hauptamtliche ist ebenso wie das über Freiwillige recht kurz gehalten, weil viele der Themen im Teil über System-Management schon behandelt wurden. Dagegen nimmt das Thema "Finanzierung" breiten Raum ein und zeigt mit dem systematischen Aufweis von Finanzierungsarten und -quellen die Gefahr von einseitiger Ausrichtung der Einnahmestruktur (S. 263).
Diskussion
Fast am Ende findet sich der spannendste Satz des ganzen Buches. Als es um ehrenamtliche Vorstände in NPOs geht, beschreiben die Autoren die Prozesse der Professionalisierung von NPO-Geschäftsführungen und das Abdrängen der Ehrenamtlichen ("Milizer") in "Aufsichtsräte". Ihre Bewertung solcher Veränderungen ist provokativ: "Wir erachten diese Entwicklung als gefährliche 'Denaturierung' der NPO, da wir nach wie vor (oder immer mehr) der Überzeugung sind, dass die politisch-strategische Steuerung durch die Milizorgane zwecks Vollstreckung des Trägerwillens eine unerlässliche Forderung bleiben muss." (S. 253)
Die Autoren legen damit den Finger in eine offene Wunde sozialer Organisationen: das Fehlen normativ-strategischer Ausrichtung, das eben nicht durch eine noch so gute betriebswirtschaftliche Führung durch Profis wettgemacht werden kann. Bedauerlicherweise sind in diesem Zusammenhang dem beispielsweise für Wohlfahrtsverbände zentralen Thema der "Wertorientierung" nicht einmal zwei Seiten gewidmet.
Und damit sind wir bei einer der Schwächen des Buches: Es werden auf den fast 300 Seiten sehr viele Themen angesprochen, die für ein funktionierendes NPO-Management unerlässlich sind. Allerdings: eben nur angesprochen. Wer beispielsweise Change Management, Zukunftswerkstatt, Zukunftskonferenz, Innovationsförderung auf fünf Seiten abhandelt, hinterlässt beim Leser das Gefühl einer Stichwortsammlung und das dringende Bedürfnis, nun zu wissen, wie die Methode konkret angewendet wird. Dieser Mangel hätte möglicherweise dadurch behoben werden können, indem an den entsprechenden Stellen auf weitere Literatur verwiesen worden wäre. Doch die Autoren glauben völlig ohne Literaturverweise auszukommen - mit Ausnahme ihrer eigenen Werke, auf die sie sich berufen. Insbesondere wenn Theorien namentlich zitiert werden, wäre ein Verweis auf das verwendete Werk zwingend notwendig gewesen. Warum die wissenschaftlich ausgewiesenen Autoren auf jeden Literaturnachweis verzichten, damit viele ihrer Behauptungen nicht belegen und ihre Erkenntnisse nicht mit den Ergebnissen der Wissenschaftskollegen abgleichen, erschließt sich nicht. Möglicherweise liegen die Gründe für die Vernachlässigung wissenschaftlicher Standards an der Zielgruppe: das Buch sollte wohl hauptsächlich dem Praktiker dienen und so von überflüssigem "Ballast" befreit werden.
Die Stärken des Buches liegen in der Systematik: Es wird versucht, eine umfassende Betriebswirtschaftslehre für NPOs zu entwickeln und dabei möglichst alle wichtigen Aspekte zu umfassen. Dies ist durchaus gelungen und anerkennenswert.
Besonders wichtig und ertragreich sind alle Kapitel, in denen es um Mitglieder, Ehrenamtliche und Freiwillige in NPOs geht. Die Autoren machen unmissverständlich und überzeugend klar: Sowohl die Mitgliederwerbung als auch das Rekrutieren von Ehrenamtlichen bedarf genauso gezielter Anstrengungen wie die Beschaffung von professionellem Personal. Hier bietet das Buch viele wertvolle theoretische und praktische Hinweise. In diesen Themenfeldern zeigt sich eine echte Besonderheit von NPOs, was für die eingangs erwähnte Grundthese und damit für weitere Forschung insbesondere in diesem Bereich spricht.
Fazit
Das Buch ist als Überblickswerk für NPO-Praktiker gut geeignet, insbesondere für diejenigen, die einen ersten Einstieg in das NPO-Management suchen und sich über die mannigfaltigen Aufgaben informieren wollen, die es zu bewältigen gilt. Allerdings sollte man sich nicht allzu viel konkrete Instrumente und Methoden erhoffen, denn diese sind allenfalls angesprochen, aber kaum hinreichend beschrieben. Das Anliegen jedenfalls, "einen Ordnungsraster für das Verständnis der NPO-Management-Probleme und ihrer Lösungen" (Klappentext) vorzulegen, kann - mit den genannten Einschränkungen - durchaus als erreicht betrachtet werden.
Nur bedingt geeignet ist das Buch für wissenschaftliche Zwecke, da der wissenschaftliche Apparat und die (empirischen) Belege für die aufgestellten Behauptungen fehlen.
Sehr gelungen ist die optische Aufmachung, insbesondere gefallen die reichlich vorhandenen Grafiken, die das Buch sehr gut lesbar machen und für Übersichtlichkeit sorgen, wie überhaupt das Buch leicht lesbar und didaktisch hervorragend aufgemacht ist.
Rezension von
Prof. Dr. Wolfgang Klug
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Fakultät Soziale Arbeit
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