Angela Schorr (Hrsg.): Jugendmedienforschung
Rezensiert von Prof. Dr. Siegfried Höfling, 15.04.2010
Angela Schorr (Hrsg.): Jugendmedienforschung. Forschungsprogramme, Synopse, Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2009. 444 Seiten. ISBN 978-3-531-14170-1. 34,90 EUR.
Herausgeberin
Angela Schorr hat eine Professur für Medienpsychologie und Pädagogische Psychologie an der Universität Siegen. Ihre Publikationen in deutscher und englischer Sprache sind häufig das Ergebnis von Kooperationen mit europäischen und internationalen Wissenschaftlern. Das gilt auch in diesem Fall. In der Psychologie und in der Kommunikationswissenschaft ist die Herausgeberin auf europäischer und internationaler Ebene gut vernetzt und dadurch in der Lage, auch aktuelle Entwicklungen (z.B. das unterschiedlich offen diskutierte Problem der zunehmenden Internetsucht asiatischer Jugendlicher) mit authentischen Erkenntnissen aus der Forschungs- und aus der therapeutischen Praxis vorzustellen.
Thema und Zielgruppe
Der Band „Jugendmedienforschung“ ist aus psychologischer Perspektive geschrieben und stellt das sich entwickelnde Individuum im Kontext seiner sozialen Umwelt in den Mittelpunkt. Zielgruppe sind Studierende, Lehrende, Angehörige von Sozial- und Gesundheitsberufen sowie interessierte Eltern.
Aufbau und Inhalt
Das Buch gliedert sich in drei Teile.
In Teil 1 gibt die Herausgeberin einen Überblick über die moderne Jugendmedienforschung, skizziert Grundorientierungen, aktuelle Schwerpunkte und besondere Merkmale dieser Wissenschaft. Teil 2, das Kernstück des Bandes, besteht aus Originalarbeiten international bekannter Jugendmedienforscher (Daniel Anderson, Dolf Zillmann, Ulla Johnsson-Smaragdi, Heinz Bonfadelli, Sonia Livingstone) aus den USA, Großbritannien, der Schweiz und Schweden. Hier wird deutlich: Jugendmedienforschung war und ist ein internationales Projekt. Auch wenn die Medieninhalte und die Muster der Mediennutzung durch das junge Publikum von Nation zu Nation variieren, so weisen Mediennutzung und Medienwirkung dennoch erstaunliche Gesetzmäßigkeiten auf. Das ist wichtig für diesen durch eine hohe Innovationsgeschwindigkeit gekennzeichneten Lebensbereich.
Jedem der fünf „Autorenkapitel“ in Teil 2 des Buches ist ein eigenes Kapitel vorangestellt, in dem das Forschungsprogramm und die wichtigsten Erkenntnisse dieser Forscherpersönlichkeiten zur Jugendmedienforschung vorgestellt und analysiert werden. Auf diese Weise gelingt es, ein tieferes Verständnis für die z.T. ungewöhnlichen Vorgehensweisen zu vermitteln, die sie eingeschlagen haben, um der Dynamik und der natürlichen Flexibilität kindlichen und jugendlichen Handelns beim Mediengebrauch gerecht zu werden und das mediale Umwelthandeln Jugendlicher zu entschlüsseln.
Teil
3 des Bandes besteht aus zwei
von der Herausgeberin verfassten Kapiteln, die – vereinfacht
gesagt – „gute“ und „schlechte“
Medienkommunikation im Kindes- und Jugendalter behandeln.
Das Thema „Onlinesucht“, das in Kapitel 3.1 in allen
relevanten klinischen Bezügen herausgearbeitet wird, steht in
den Ländern, in denen schnelle Internetzugänge seit Jahren
zum Alltag der Familien gehören (z.B. in Südkorea),
inzwischen auf den ersten Platz der Sozial- und Gesundheitsprobleme
von Jugendlichen. Seinen vergleichsweise harmlosen „Vorgänger“,
die Fernsehsucht, hat es weit hinter sich gelassen, und auch in
Deutschland erleben wir die exzessive Online- oder Internetnutzung
bereits als Beziehungskiller ersten Ranges. Neben instruktiven
Fallbeispielen bietet das Kapitel auch Checklisten und Fragebögen
zur Evaluation des Nutzungsverhaltens durch Betroffene und
Angehörige.
Kapitel 3.2, in dem es um die „gute“
Medienkommunikation und um erzieherisch sinnvolle Strategien beim
Training der Medienkommunikation bei Kindern und Jugendlichen geht,
bestimmt „Good Communication“ zunächst noch ganz
traditionell aus der „Kritikzone“. So informiert es u.a.
über die aktuelle Gesetzeslage zu gewalthaltigen
Computerspielen, über neue Einspruchsmöglichkeiten
jugendsozialer Einrichtungen gegen ihre Verbreitung, über den
Sinn und Unsinn von Elternmerkblättern zu einer Kind-gerechten
Mediennutzung, über Gesundheitsfragen und, allen voran, über
die Suche nach dem „Mediennutzungsoptimum“. Aber es wird
auch ein Begriffsinstrumentarium geschaffen, mit dem die
Jugendmedienforschung neu orientiert werden kann.
Fazit
Zum Thema Jugendmedienforschung gibt es im deutschsprachigen Raum derzeit keine vergleichbare aktuelle Arbeit, die den Anspruch erheben kann, in das Thema grundlegend und gut verständlich einzuführen, den Gang der Forschung und ihre wichtigsten Erkenntnisse darzustellen und über aktuelle Entwicklungen in Forschung und Praxis umfassend zu informieren. Dieser Band, auch wenn er nur eine Auswahl zentraler Forschungsprogramme referiert, bestimmt die Grundlagen im Forschungsfeld neu. Verdienstvoll ist es, das Thema „gute Medienkommunikation“ aufzugreifen, das in den Jugendforschungsprogrammen und in der Medienpädagogik eine viel zu geringe Rolle spielt. Die „digital natives“, d.h. die heutigen Grundschulkinder, die bereits mit digitalen Medien aufgewachsen sind, brauchen einfach eine andere Orientierung als die üblichen „Gefahrenszenarien“.
Rezension von
Prof. Dr. Siegfried Höfling
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Zitiervorschlag
Siegfried Höfling. Rezension vom 15.04.2010 zu:
Angela Schorr (Hrsg.): Jugendmedienforschung. Forschungsprogramme, Synopse, Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften
(Wiesbaden) 2009.
ISBN 978-3-531-14170-1.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7298.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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