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Klaus A. Schneewind, Beate Böhmert: Kinder im Grundschulalter kompetent erziehen

Rezensiert von Prof. Dr. Marius Metzger, 23.03.2009

Cover Klaus A. Schneewind, Beate Böhmert: Kinder im Grundschulalter kompetent erziehen ISBN 978-3-456-84514-2

Klaus A. Schneewind, Beate Böhmert: Kinder im Grundschulalter kompetent erziehen. Der interaktive Elterncoach "Freiheit in Grenzen". Verlag Hans Huber (Bern, Göttingen, Toronto, Seattle) 2008. 192 Seiten. ISBN 978-3-456-84514-2. 19,95 EUR. CH: 33,90 sFr.

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Thema

Im Buch „Kinder im Grundschulalter kompetent erziehen“ werden Eltern in das Erziehungskonzept „Freiheit in Grenzen“ eingeführt. Die zentralen Merkmale dieses Erziehungskonzeptes sind: Elterliche Wertschätzung, Fordern und Grenzensetzen sowie Gewähren und Fördern von Eigenständigkeit. Ahand fünf typischer Erziehungssituationen von Eltern mit Kindern im Grundschulalter wird das Erziehungskonzept „Freiheit in Grenzen“ veranschaulicht.

Autor und Autorin

Prof. Dr. Klaus A. Schneewind war von 1977 bis 2008 Professor für Psychologie an der Universität München mit den Schwerpunkten Persönlichkeitspsychologie, Psychologische Diagnostik und Familienpsychologie. Zahlreiche Publikationen zeugen von seiner regen wissenschaftlichen Tätigkeit.

Beate Böhmert ist Lehrbeauftragte am Departement Psychologie der Universität München und Diplom-Psychologin. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen im Themenbereich Familie und Erziehung.

Entstehungshintergrund

Gemäß dem Autor und der Autorin mehren sich in neuerer Zeit die Belege für die These, wonach die Erziehungskompetenz von Eltern im Abnehmen begriffen ist. Durch diese Entwicklung ist die nachwachsende Generation in ihrem persönlichen Wohlergehen und insbesondere auch in ihrer Leistungs- und Gemeinschaftsfähigkeit gefährdet. Dieser Entwicklung kann durch die Stärkung der Familie entgegen gewirkt werden, getreu dem Prinzip „kompetente Eltern haben kompetente Kinder“. Der dafür nötige Kompetenzzuwachs wird durch den interaktiven Elterncoach realisiert, welcher zum Ziel hat, die Eltern in den folgenden drei Teilkompetenzen zu stärken: Elterliche Wertschätzung, Fordern und Grenzensetzen sowie Gewährung von Eigenständigkeit.

Inhalte

Im ersten Teil des Buches werden die Eltern zum Nachdenken über Erziehung und Bildung angeregt. Anhand von Selbsttests und Reflexionsübungen wird die aktive Auseinandersetzung mit der eigenen Erziehungshaltung und dem eigenen Erziehungsverhalten gefördert. An die Selbsttests anschließend, wird deren Auswertung beschrieben und mit weiteren Ausführungen ergänzt. Die Eltern werden so an die Erkenntnis herangeführt, dass das System Familie mit Eltern als Erziehende und deren Kinder als passive Empfänger dieser Erziehungsbemühungen nur ungenügend umschrieben ist. Vielmehr kann in Anlehnung an Kurt Lüscher die zentrale Aufgabe von Familien als Gestaltung einer Lebensform für verlässliche Beziehungen beschrieben werden, welche zu den miteinander verknüpften Leistungen der Herausbildung einer individuellen und kollektiven Identität führen soll. In diesem Sinne besteht die Funktion von Elternschaft darin, sich als Interaktionspartner, Erzieher und Lehrer sowie Arrangeur von Entwicklungsgelegenheiten zu engagieren. Diese drei Elternfunktionen stehen dabei „sowohl untereinander als auch hinsichtlich der Effekte, die sie bei ihren Kindern erzeugen, in einem Wechselbeziehungsverhältnis“ (S. 46). Die damit verbundenen, herausfordernden Erziehungssituationen werden vom Autor und der Autorin als „Familientänze“ (S. 64) bezeichnet und bezüglich deren erfolgreichen Bewältigung genauer betrachtet: Von Erfolgsfertigkeiten ausgehend, werden konkrete Methoden des Grenzensetzens beschrieben. Diese Methoden werden mit praktischen Beispielen ergänzt, wie beispielsweise bei der Lösung eines Konfliktes unter Geschwistern, wo nach einer Abkühlungsphase die Kinder ermutigt werden, unterschiedliche Möglichkeiten der Problemlösung zu erkunden: „Habt ihr eine Idee, wie ihr mit der Sache anders umgehen könnt und jeder zu seinem Recht kommt, ohne dass ihr euch anschreit und zankt?“ (S. 73).

Der zweite Teil des Buches veranschaulicht den Erziehungsansatz „Freiheit in Grenzen“ anhand fünf alltäglicher Erziehungssituationen von Eltern mit Kindern im Grundschulalter, welche auf der beiliegenden DVD als Filmsequenzen angesehen werden können. Diese Situationen tragen die Titel

  1. „Wo warst du so lange?“,
  2. „So ein Saustall!“,
  3. „Das ist meins!“, „
  4. Kann ich das haben?“
  5. „Ich kann das nicht!“.

Die Eltern können aus diesen fünf Erziehungssituationen eine Situation auswählen, welche als kurze Filmsequenz dargestellt wird. Nach der Präsentation der Ausgangssituation treffen die Eltern eine Auswahl unter drei Reaktionsmöglichkeiten, welche wiederum als kurze Filmsequenzen dargestellt werden. Abgeschlossen werden die Übungen sowohl mit allgemeinen Erläuterungen zur ausgewählten Reaktion als auch mit spezifischen Erläuterungen zum elterlichen Verhalten und den Lernerfahrungen der Kinder. Zwischen den einzelnen Elementen regen Reflexionsübungen zur aktiven Auseinandersetzung mit den Situationen und den Reaktionsmöglichkeiten an.

Im dritten Teil des Buches werden die Eltern nochmals an die unterschiedlichen Erziehungsprinzipien erinnert und daran, dass sich das Erziehungsprinzip „Freiheit in Grenzen“ wie ein roter Faden durch die alltäglichen Erziehungssituationen hindurch ziehen sollte. Zwölf Erziehungstipps sollen den Eltern die Bewältigung des herausfordernden Erziehungsalltages erleichtern, wie beispielsweise der Tipp 7 „Sprechen Sie von sich selbst“ (S. 165). Darüber hinaus werden Ergebnisse einer Umfrage bei 904 Nutzerinnen und Nutzer des interaktiven Erziehungscoachs zu dessen Verwendung und Nützlichkeit vorgestellt. Dabei zeigte sich, dass der Erziehungscoach mehrheitlich im professionellen Kontext verwendet und als nützlich eingeschätzt wird. Zum Schluss wird eine Verwendungsmöglichkeit des interaktiven Elterncoachs im professionellen Kontext als Kursangebot der Elternbildung in vier Modulen aufgezeigt.

Diskussion

Um keine übertriebenen Erwartungen zu wecken, weisen der Autor und die Autorin gleich zu Beginn der Einführung des Erziehungskonzeptes „Freiheit in Grenzen“ einschränkend darauf hin, dass „ebenso wie es keine perfekten Eltern und keine perfekten Kinder gibt, gibt es auch keine perfekte Erziehung“ (S. 15). Diese Einschränkung auf das Streben nach dem bestmöglichen Erziehungsansatz kommt dem real vorzufindenden Erziehungsalltag näher als die Orientierung an idealtypischen Erziehungs(erfolgs)modellen. Trotz dieser Einschränkung wird auf die empirisch hinreichend belegte Tatsache verwiesen, wonach sich die unterschiedlichen Formen elterlicher Erziehung auf die Entwicklung von Kindern sehr wohl auswirken. Insbesondere der autoritative Erziehungsstil hat sich dabei übereinstimmend als aussichtsreichster Erziehungsstil erwiesen. Entsprechend wird das Erziehungsprinzip „Freiheit in Grenzen“ im Unterschied zu den Erziehungsprinzipien „Grenzen ohne Freiheit“ und „Freiheit ohne Grenzen“ als konsequent autoritative Erziehungshaltung beschrieben und legitimiert.

Obwohl sich der Elterncoach direkt an die Eltern selbst richtet, darf bezweifelt werden, dass sich Eltern die zum Teil anspruchsvollen Inhalte dieses Elterncoachs ohne professionelle Begleitung selbstständig erschließen können. So überrascht auch das zentrale Ergebnis der Nutzerbefragung nicht, wonach der interaktive Elterncoach mehrheitlich im professionellen Kontext Verwendung findet und nur von vergleichsweise wenigen Eltern privat genutzt wird. Sicherlich ist grundsätzlich denkbar, dass sich bildungsnahe und interessierte Eltern die Inhalte selbstständig erschließen und mit dem interaktiven Elterncoach arbeiten können. Insbesondere bei bildungsfernen Eltern scheint hier jedoch Skepsis angebracht. Darüber hinaus gilt zu bedenken, dass die fiktive Modellfamilie „Berner“ einem typisch mittelständischen Milieu entstammt und über beachtliche personale, soziale, ökonomische und ökologische Ressourcen verfügt. Die hier präsentierten Erziehungssituationen decken sich daher nur in begrenztem Maß mit der Lebensrealität von Familien, die aufgrund von zahlreichen Herausforderungen schneller in einen Erziehungsnotstand zu geraten drohen.

Fazit

Bei den in diesem Elterncoach zur Verfügung gestellten Selbsttests, Reflexionsübungen, Erziehungstipps und insbesondere den interaktiven Erziehungsübungen handelt es sich um anschauliche, praxisnahe und hilfreiche Materialien, welche den Erziehungsalltag von Eltern mit Kindern im Grundschulalter erleichtern helfen. Insbesondere im professionellen Kontext von Erziehungsberatung und Elternbildung dürfte sich der Einsatz des interaktiven Elterncoachs als nützlich erweisen.

Rezension von
Prof. Dr. Marius Metzger
Verantwortlicher Kompetenzzentrum Erziehung, Bildung und Betreuung in Lebensphasen am Institut für Sozialpädagogik und Bildung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
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Es gibt 17 Rezensionen von Marius Metzger.

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ISSN 2190-9245