Dagmar Orthmann Bless, Roland Steinbrucker (Hrsg.): Frühe Hilfen bei Behinderungen und Benachteiligungen
Rezensiert von Dipl. Soz. päd. Claudia Nicolaus, 28.09.2009

Dagmar Orthmann Bless, Roland Steinbrucker (Hrsg.): Frühe Hilfen bei Behinderungen und Benachteiligungen.
Schneider Verlag Hohengehren
(Baltmannsweiler) 2009.
196 Seiten.
ISBN 978-3-8340-0520-5.
18,00 EUR.
CH: 31,60 sFr.
Reihe: Basiswissen Sonderpädagogik - Band 1.
Reihe „Basiswissen Sonderpädagogik“ und Ziel des 1. Bandes
Allgemeine Informationen zur Reihe finden sich unter Reihe: Basiswissen Sonderpädagogik.
Dieser 1. Band beinhaltet Beiträge der aktuellen Entwicklung und Diskussion zum Thema Frühe Hilfen bei Behinderung und Benachteiligung. Es wird Grundwissen vermittelt, sowie vertiefende Aspekte, um Einblicke in dieses Arbeitsfeld zu gewinnen. Ebenso ist es als Arbeitsgrundlage zu sehen, Wissen komprimiert weiter zu geben.
Entstehungshintergrund und Zielgruppe
Der Wunsch/Anstoß einer Einführungsreihe in das sonder- und heilpädagogische Grundwissen äußerte der Schneider Verlag Hohengehren. Die Herausgeber konnten den Wunsch als Herausforderung annehmen und haben sich bewusst für eine Struktur nach den Lebensphasen- und bereichen entschieden was auch den zentralen Handlungsfeldern entspricht. Das Fachbuch bzw. die Reihe „Basiswissen Sonderpädagogik“ richtet sich vor allem an Lehrende und Studierende der Sonder- und Heilpädagogik gleichermaßen. Weiterhin ist es für Studierende der Sozialpädagogik unabdingbar. Gerade im Feld der Frühen Hilfen gibt es, wie im Beitrag von Frau Köckeritz dargestellt, eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Profession. Vor allem kann, durch Fachwissen und Weitsicht im Berufsfeld, Verständnis füreinander aufgebaut.
Aufbau und Inhalt
Roland Stein beginnt mit einem einführenden Beitrag zur Sonderpädagogik und begründet den Aufbau der Reihe „Basiswissen Sonderpädagogik“. In der Einführung werden grundlegende Begriffe beleuchtet, sowie eine Bestandsaufnahme und einen Ausblick in die Thematik Sonder-/Heilpädagogik gegeben.
In das Thema „Frühe Hilfen bei Behinderungen und Benachteiligungen“ führt Dagmar Orthmann Bless ein. Die Autorin umreißt kurz das interdisziplinäre Aufgabengebiet mit dem rechtlichen Hintergrund und begibt sich dann auf einen Streifzug durch die Entwicklung der Frühen Hilfen von den Anfängen bis zu den aktuellen Problemlagen. Weiterhin wird ein kurzer Ausblick über die vorliegenden Beiträge gegeben, die die Einführung untermauern und in vielen Facetten vertiefen.
Begonnen wird mit dem Beitrag „Vorgeburtliche Beratung und Unterstützung“ von Sabine Stengel-Rutkowski. Vordergründig geht es hier um den Konflikt der Eltern, wie Trauer, Verlust und Abschied vom Wunschkind und um die dazugehörige Elternberatung (psychologische und biologische Aspekte). Ein wenig zu kurz kommt der Beratungsprozess. Zu empfehlende Literatur sei hier K. Sarimski und M. P. Krause genannt. Statt dessen fokussiert der Beitrag auf die mögliche positive Entwicklung von Kompetenzen und Fähigkeiten unter fördernden inklusiven Umweltbedingungen von Kindern mit genetischen Dispositionen. Somit ein Appell und die Aufforderung zur Weiterentwicklung bestehender gesellschaftlicher Strukturen, die die Entscheidungsfindung von Eltern beeinflussen.
Mit Konzepten und Strukturen im medizinisch-therapeutischen Bereich beschäftigt sich der Beitrag von Hans G. Schlack mit dem Titel „Konzepte und Strukturen früher Hilfen im ärztlichen und medizinisch-therapeutischen Bereich“. Zunächst wird der Therapiebegriff geklärt, die medizinischen Aufgaben im System der frühen Hilfen umrissen und Veränderungen in der Sichtweise beschrieben. Im Folgenden werden Strukturen (Institutionen) beleuchtet, wobei niedergelassene Ärzte, Sozialpädiatrische Zentren/Ambulanzen, Öffentlicher Gesundheitsdienst, stationäre Angebote und niedergelassene nicht-ärztliche Therapeuten in den Blickpunkt rücken. Die Diskussion und Maßnahmen der Qualitätssicherung im medizinischen Bereich runden die Ausführung ab. Ferner zieht der Autor Bilanz, dass gerade im System der Frühen Hilfen, medizinisch-therapeutische, psychologische und pädagogische Unterstützung ein untrennbare Einheit bilden.
Armin Sohns führt in den Bereich der Kindertagesstätten ein. Überschrieben ist der Beitrag mit „Pädagogische Konzepte in Kindertagesstätten“. Historische Wurzeln (Fröbel)werden aufgezeigt, reformpädagogische Ansätze (Waldorf, Montessori, Freinet, Reggio-Pädagogik) und aktuelle pädagogische Konzepte (Situationsansatz, kindorientierter Ansatz, situationsorientierter Ansatz) werden zunächst dargestellt. In einem weiteren Schritt wird der strukturelle Wandel von sonderpädagogischen zu integrativen Einrichtungen beschrieben und in Hinblick auf die Entwicklung pädagogischer Konzepte diskutiert. Kritisch arbeitet der Autor „…die Kluft zwischen praktischer Umsetzung und theoretischen Ansprüchen...“ (S.112) heraus. Eine Überforderung des pädagogischen Personals resultiert vor allem aus den vorliegenden Rahmenbedingungen, daran gilt es zu arbeiten und zu verändern. In der Diskussion schreibt der Autor „böte sich im Zuge der anstehenden Neukonzipierung von Kindertagesstätten die historische Chance, den individuellen Bedürfnissen der Kinder mit einer hohen Differenzierung Rechnung zu tragen“ (S. 112).
Die „Häusliche Frühförderung für Kinder im Vorschulalter“ ist Mittelpunkt im Beitrag von Romain Lanners. Die Hausfrühförderung für Kinder im vorschulischen Alter (0-6) wird als traditionsreiches Teilgebiet der Frühförderung beschrieben. Die Entwicklung, die Formen und die Wirksamkeit dieser Hilfe werden kurz umrissen, um sich dann den Grundlagen der Eltern-Kind-Interaktionen zu widmen, einem außerordentlich wichtigem Thema. Hier geht es speziell um den Einfluss, Beeinträchtigungen der Interaktionsprozesse, Förderung (Interventionsmodelle), Evaluation und Effekte dieser. Der Autor gibt eine detaillierte Betrachtung, merkt im Fazit jedoch eine mangelnde bis fehlende Aus- und Fortbildung dieser Inhalte an, umso wichtiger sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Die „Zusammenarbeit mit den Eltern“ wird von Barbara Jeltsch-Schudel aus einer anderen Sichtweise betrachtet. Schwerpunkt des Beitrages ist zum einen die Familie/n in unserer Gesellschaft, Familien die verschiedenartiger Benachteiligung ausgesetzt sind, in verschiedenster Form Ambivalenzen erleben und deren Zusammenarbeit im Kontext Früher Hilfen. Hervorgehoben werden in der Interaktion Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Eltern und Fachpersonal, Erwartungen und Vorraussetzungen, aber ebenso Formen und Inhalte der Zusammenarbeit. Eine sehr übersichtliche Darstellung eines sehr komplexen Themas.
Im letzten Beitrag wird auf die soziale Vernetzung der Frühen Hilfen eingegangen. Christine Köckeritz kennzeichnet familiäre Notlagen und zieht die Verbindung zum SGB VIII Hilfen zur Erziehung - „Soziale Hilfen zur Erziehung“. Vor allem geht es in diesem Beitrag um Kindeswohl, Kindeswohlgefährdung, Vernachlässigung und Misshandlung. Es wird ein Überblick über Hilfestrukturen und Hilfeplanverfahren gegeben, über Hilfen zu Erziehung und Kooperationsbeziehungen der Jugendhilfe. Dieser Beitrag vertieft die soziale Dimension der Frühförderung, denn oftmals sind in Multiproblemfamilien mehrere Hilfesysteme involviert. Zum Abschluss werden Perspektiven der weiteren Entwicklung sozialer Hilfen für Familien diskutiert. Fokussiert werden fachliche Perspektiven, institutionelle Perspektiven und Perspektiven für Gesetzgebung und Rechtsprechung.
Fazit
Der vorliegende 1. Band vermittelt einen fundierten Überblick über die aktuelle Diskussion und Forschungsstand der Frühen Hilfen bei Behinderungen und Benachteiligungen. Die Beiträge zeichnen sich besonders durch eine flüssige, verständliche und klar formulierte Sprache bzw. Schreibweise aus. Mit umfangreichen Literaturverweisen lädt es zum Vertiefen des Themas ein. Als Basiswissen, gerade für Studierende der Sonder-,Heil- und Sozialpädagogik ist es unverzichtbar.
Rezension von
Dipl. Soz. päd. Claudia Nicolaus
Lehrkraft für besondere Aufgaben Hochschule Magdeburg-Stendal
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