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Burkard Sievers (Hrsg.): Psychodynamik von Organisationen

Rezensiert von Prof. Dr. Karin Lackner, 15.10.2009

Cover Burkard Sievers (Hrsg.): Psychodynamik von Organisationen ISBN 978-3-89806-803-1

Burkard Sievers (Hrsg.): Psychodynamik von Organisationen. Freie Assoziationen zu unbewussten Prozessen in Organisationen. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2008. 415 Seiten. ISBN 978-3-89806-803-1. D: 39,90 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 67,00 sFr.
Reihe: Psyche und Gesellschaft.

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Thema

Die AutorInnen der 14 Texte dieses Sammelbandes gehen davon aus, dass das Standardmodell des rationalen Akteurs, mit dem Ökonomen menschliches Handeln zu erklären beanspruchen, weitgehend psychologiefrei konstruiert ist und sich der Selbstreflexion emotionaler Motivationsdynamiken entzieht (Klaus Gourgé, 343f). Zur Ergründung und zum Verständnis dieser dem Bewusstsein nicht unmittelbar zugänglichen Affektlagen wird eine psychanalytische Ökonomie vorgeschlagen, die nach dem programmatisch verhängten Kommunikationsverbot die eingetretene Sprachlosigkeit aufheben soll (Klaus Gourgé, 348). Der Grundidee des Buches folgend - nämlich aufzuzeigen, dass die neoklassische Rational-Choice-Ökonomie unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem (Klaus Gourgé, 353ff) zunehmend dominiert und unbewusste Aspekte des Lebens und Handelns dadurch mehr und mehr ausgeblendet werden -, widmen sich die einzelnen Beiträge den verborgenen Seiten des organisationalen Lebens, der Welt der Bedürfnisse, der Wünsche, der Motive, der Ängste, der Aggression, der Schuld, der Rache - um nur einige zu nennen. So erscheint die Organisation ambivalent. Sie hat eine öffentliche und eine verborgene unbewusste Seite (Dieter Ohlmeier, 101). Die einzelnen Beiträge in diesem Buch schildern aus unterschiedlichen Perspektiven, wie diese unbewusste Motivdynamik rationale Entscheidungsstrukturen und -logiken beeinflusst und steuert.

Aufbau und Inhalt

Die Texte gliedern sich in vier thematische Schwerpunkte. Beginnend mit einer Sozioanalyse, wo das emotionale Leben von Organisationen beleuchtet wird, widmen sich die beiden nächsten Themenbereiche konkreten organisationalen Handlungsfeldern, nämlich Führung, Management und Organisationsberatung und fokussieren anhand von Fallbeispielen die Macht von unbewussten Motiven als handlungsleitende Variablen. Der letzte Themenbereich setzt sich mit der gesellschaftlichen und ökonomischen „Großwetterlage“ auseinander, die quasi die unbewusst dynamischen Rahmenbedingungen beschreibt, in denen Organisationen verankert sind.

Der erste Teil des Buches - so wie im Übrigen jeder einzelne Beitrag auch - widmet sich in sieben Texten einer Sozioanalyse von Organisation. Die Welt der Organisation, eingebettet in ein wirtschaftsdominiertes gesellschaftliches Umfeld wird einer schonungslosen Analyse unterzogen. Vor allem die Beiträgen von Yiannis Gabriel: „Das Unbehagen in Organisationen - zu einer Theorie organisatorischen Miasmas“, Howard Stein: „Organisatorischer Totalitarismus und Dissens“ und Burkhard Sievers: „„Es ist neu und muss gemacht werden!“ Einige sozioanalytischen Überlegungen zu Verrat und Zynismus bei organisatorischen Veränderungen“ zeichnen ein düsteres Bild von den Organisationen des Heute: Vor dem Hintergrund eines als theoretisches Konzept verstandenen Miasmas weisen laut Gabriel Organisationen ein hohes Maß an Täuschungen, Toxizität und Leiden auf. Er spricht von verschmutzten Räumen, in denen Menschen Leichen oder Mörder (36) sind, von institutionellem Selbstmord (39). Stein beschreibt einen organisatorischen Totalitarismus in einem extrem konkurrenzbetonten Kapitalismus, geprägt von der Allmacht des Profits (47). Zu den Machenschaften von Organisationen in einem derartigen Ambiente zählt er die Verleugnung und das Ausüben von Druck durch totalitäre Managementstile, die Unterdrückung und Diskreditierung von Meinungen jener, die sich dem vorherrschenden Mainstream entgegenstellen. Der Wille von Menschen werde gebrochen, zunehmender Individualismus unterstütze die Neigung, sich bei Misserfolg selbst die Schuld zu geben. Fatalismus, abgehobener Unternehmergeist, manische Schnelllebigkeit (72) und halsbrecherische Veränderungsgeschwindigkeit bestimmen das Klima am Arbeitsplatz, wo bedingungslose Loyalität verlangt wird und ein chronisch raues Klima herrscht.

Klaus Gourgé (367) beschreibt das „Dikatat der Schnelligkeit“ (366) nicht nur als Erscheinungsform veränderungswütiger Organisationen, sondern als gesellschaftliches Phänomen. Die paradoxe Gleichzeitigkeit von mehr Hektik und mehr Zeit schafft eine zeitliche Leere, die mit Aktivitäten gefüllt werden will. Dieser Aufgabe widmen sich institutionalisierte ökonomische Freizeit- und Erlebnisangebote, die selbst wiederum dem Diktat einer Rational-Choice-Ökonomie unterliegen, dem Einzelnen eine individuelle Lösung ersparen oder gar in Form einer psychischen Prämie ein Abwehrmodell zur Verfügung stellen.

Yiannis Gabriel, Howard F. Stein und Burkhard Sievers sind sich in der Diagnose einig, dass die Szenarien von Organisationen durch die Verherrlichung des Neuen und einer Neigung zur Selbstdarstellung und Imagebildung bestimmt sind. Sievers benennt den Topos der Moderne „Neophilie“ (165). Für Organisationen bedeutet Neophilie, sich Veränderungs- und Innovationszwängen auszuliefern. Er verweist auf schlecht gemanagte organisatorische Veränderungen, unbedachte Reformen von Autoritätsstrukturen und Rollenausstattungen. Die Folge davon sind kollektive Gefühle wie Verrat und Verzweiflung, Zynismus als Form der Abwehr und Rückzug. Für Stein (50) verlieren die durch Downsizing, Outsourcing oder Re-ingeneering Maßnahmen - laut Stein Hinterlassenschaften eines kulturellen Krieges gegen jene, die als Bedrohung für ein Unternehmen erachtet werden - Betroffenen nicht nur einen Job, sondern eine Welt. Menschliche Lebewesen werden behandelt wie tote Objekte, Unpersonen, Dinge. Die menschliche Existenz wird ausgelöscht. Für Gabriel (29) führt der Terror am Arbeitsplatz durch die Objektivierung von Individuen zu fatalistischen Anpassungstendenzen, durch die Spaltung von gutem Management und bösen MitarbeiterInnen zu introjektiver Identifikation mit dem Wertlosen. Es bleiben emotionale Narben des Verrats, die Arbeitsatmosphäre ist mit Angst und Verlust vergiftet (Stein, 71). Der Arbeitsplatz wird zum Gefängnis mit Bezahlung (Stein, 53), eine bittere, leblose und abgestumpfte mentale Landschaft. Mit der Verherrlichung alles Neuen geht eine radikale Verunglimpfung der Vergangenheit einher (Gabriel 28). Die neue Religion ist Erfolgsorientierung (Gabriel 32), MitarbeiterInnen werden durch Ideologie an das Unternehmen gebunden (Stein, 58), Abweichungen oder Verweise auf Werte der Vergangenheit werden abgelehnt. Unliebsame oder widerständige MitarbeiterInnen werden aus dem System entfernt. Gabriel spricht in diesem Zusammenhang von Holocaust (32), er zitiert Stein, der von unternehmerischen und ethnischen Säuberungen, von der Ausrottung unerwünschter Teile spricht (32). Homogenisierung und Gruppenregression, eine über die Komplexität triumphierende Simplizität sind weitere Indizien für einen organisatorischen Faschismus (Stein, 61). Menschen werden entindividualisiert. Das Kollektiv hat, so Ohlmeier (100), kein Überich. So kann es gnadenlos gegenüber nicht ins kollektive Bild passende Individuen sein. Durch den sozialen Tod, den Rufmord, die emotionale Ausstoßung fühlen sich Individuen unfähig, minderwertig und gescheitert. Folgt man Ohlmeiers Argumentation, so hat Strukturbildung selbst unbewusste Motive und bindet unbewusste Konflikte und Triebkräfte. Das geschaffene organisatorische Gefüge ist selbst Ausdruck eines unbewussten Abwehrvorgangs, weil das Irrationale nicht verhindert werden kann. In Organisationen ist daher latentes aggressives Triebpotential gebunden, das die Angst der MitarbeiterInnen in Schach zu halten weiß.

Burkhard Sievers widmet sich in seinem Beitrag „Es ist neu und muss gemacht werden“ dem kollektiven Gefühl des Verrats und der Verzweiflung, das kaskadenartig vom Top Management an die Mitarbeiter weitergegeben wird. Top Manager sind nicht bereit, Erfahrungen des Chaos und der Verzweiflung in sich selbst und in ihren Rollen zuzulassen. Sie erkennen ihre eigene Beschränktheit und Machtlosigkeit im Umgang mit den Anforderungen der Umwelt nicht an und projizieren daher Chaos und Verzweiflung in die Belegschaft. Das Thema des Verrats wird in einem zweiten Beitrag von Burkhard Sievers gemeinsam mit Rose Redding Mersky: „Die Ökonomie der Vergeltung“ noch einmal aufgegriffen und im Kontext menschheitsgeschichtlicher Entwicklung diskutiert. Rache, die Auswirkungen auf andere hat, ist als Teil eines größeren sozialen Dramas zu sehen, und kann nicht auf die innere Welt des Individuums uns seiner Psychodynamik reduziert werden. Einem menschheitsgeschichtlichen Muster folgend ist Rache die Reaktion auf eine schon geschehene Verletzung, eine Antwort auf transgenitive Traumata. Rache dient dazu, die Illusion aufrechtzuerhalten, dass der individuelle und kollektive Tod durch den Tod der Anderen verhindert werden kann. Den Zusammenhang von Ökonomie und Rache sieht Burkhard Sievers in dem Wunsch, den anderen zu vernichten und damit zugleich das eigene verzweifelte Verlangen nach Überleben und Unsterblichkeit zu befriedigen (330).

Organisationen und die in ihr agierenden Rollenträger sind in dieses Muster verstrickt und können die Organisation für ihr persönliches „Geschäft mit der Rache“ missbrauchen. In solchen Fällen wird die psychische Ökonomie der Rache zu einer sozialen (332).

Rolf Haubl nähert sich in dem Text: „Tatort Krankenhaus: Statuspassagen und symbolische Gewalt“ der dunklen Seite der Organisation aus einem archaischen Blickwinkel. An einem Fallbeispiel beschreibt er die Muster von Übergangsritualen bei der Integration einer neuen Mitarbeiterin. Die Unterwerfung unter dieses Ritual ist an Verletzungen und Gewaltakte gekoppelt mit dem Zweck, das neue Individuum dazu zu zwingen, die kulturellen Muster des Denkens, Fühlens und Handelns der Organisation bedingungslos anzuerkennen. Die InitiantInnen, noch innovativ und individuell, verkörpern kulturelle Unordnung und Chaos, das abgewehrt werden muss. Für die Betroffenen bedeutet ein solches Ritual nicht selten eine Traumatisierung und Ich-Regression.

Solcherart Szenarien beschädigen laut Burkhard Sievers (168) soziale Bindungen und Beziehungen. Der Verlust von Hoffnung wird geleugnet und selbst Vertrauen wird engineert.

Diese Dynamik von einer rationalen ökonomischen Theorie und den nicht zugelassenen Gefühlen und Motiven beschränkt sich nicht auf innerorganisatorische Vorgänge, sondern ist in einen größeren ökonomischen und gesellschaftlichen Kontext eingebettet. Diesem Kontext widmet sich der vierte und letzte Teil des Buches: „Psychoanalyse und Ökonomie“. In den beiden Beiträgen von Burkhard Sievers und Rose Redding Mersky: „Die Ökonomie der Vergeltung“ und Klaus Gourgé: „Worüber man nicht schweigen kann, darüber sollte man reden“ wird noch einmal die Welt der Ökonomie und die Entwicklung des Wirtschaftssystems unter die Lupe genommen. Schon in seinem ersten Beitrag „Es ist neu und muss gemacht werden“ sieht Burkhard Sievers den Grund für die Entstehung solcher organisationalen Spannungen unter anderem in der gegenwärtigen Entwicklung des Kapitalismus, in dem die soziale, politische und ökonomische Wirklichkeit auf Geld reduziert wird (181). Dass Geld zum Maß aller Dinge geworden ist, zählt laut Burkhard Sievers zum „Hauptverdienst“ der Revolution der Finanzdienstleistungsindustrie. Hinter der Vorstellung einer Shareholder-Value-Optimierung, Wachstum und Profitmaximierung verbergen sich nicht nur Wünsche nach Grandiosität und Größenwahn, sondern auch versteckte Rachefantasien, die dann bei Fusionsvorhaben zu konkreten Rachestrategien ausgearbeitet werden (Sievers und Mersky, 333). Die Finanzindustrie hält einen Teufelskreis psychotischer Projektionen und Introjektionen aufrecht, der eine gemeinsame Kollusion der Abwehr psychotischer Ängste stützt (185). Dass diese im Verborgenen eines kollektiv Unbewussten bleiben, hat möglicherweise mit der Zukunftsorientierung von Konzernen zu tun, bei der alles Vergangene abgespalten wird. Rache induzierende, transgenitive Traumata bleiben unbemerkt.

Die einzelnen Beiträge in diesem Buch stellen hauptsächlich diese unbewusste Seite der Organisation in den Vordergrund. Zumutungen seitens der Organisation und im weiteren Sinn der Ökonomie an das Individuum werden zum Teil sehr drastisch dargestellt, so dass man zwischendurch geneigt ist, die rationale Ökonomie verteidigen oder ihr wenigstens das eine oder andere Positive abgewinnen zu wollen. Damit würde man sich jedoch, der Logik des Buches folgend, der Bemühung eigener Abwehrmechanismen verdächtig machen.

Der letzte Beitrag versöhnt die mittlerweile möglicherweise beunruhigten LeserInnen insofern, als der Autor Klaus Gourgé in seinem Beitrag „Worüber man nicht schweigen kann, darüber sollte man reden“ u.a. die Verschränkungen der beiden Welten des Rationalen und des Unbewussten aufzeigt. Er spricht von einem psychosozialen Arrangement zwischen psychischen Bedürfnissen nach Entlastung, Angstreduktion und Konfliktlösung und den dazu komplementären Angeboten der Institutionen einer Gesellschaft, diese Affekt zu kontrollieren und zu sublimieren (365). „Die Institutionen der Arbeitswelt bieten den „Akteuren“ neben einer Rolle auch zugleich eine Bühne, auf der jeder neben seiner bewussten Selbstdarstellung auch seine unbewussten biographischen Leitmotive oder Dramen in Szene setzen und „ausagieren“ kann“ (364). Wurde die Bewältigung von Angst vor dem Tod einst durch Institutionen wie Kirche und Religion gewährleistet, so übernehmen heute zunehmend säkulare Institutionen diese Aufgabe (364).

Nach den Schilderungen dieser organisationalen Szenarien wird auch bis dato ungläubigen LeserInnen klar, dass dererlei Zumutungen nicht spurlos an den betroffenen Personen vorübergehen und dass sich hinter den Kulissen einer ökonomisch rationalen Organisationsvorstellung emotionale und affektive Dramen abspielen müssen.

Die Beiträge von Rose Redding Mersky: „Lost in Transition - Eine psychoanalytische Untersuchung zur Objektbindung in heutigen postmodernen Organisationen“ und Susan Long: „Systeme unbewusster Vereinbarungen: Schatten durch die Zeit“ im ersten Teil und die im zweiten und dritten Teil des Buches diskutierten Fallgeschichten vermitteln Erscheinungsformen dieser dunklen Seite der Organisation. Die Autorinnen sehen eine zunehmende Bedeutung psychoanalytischen Denkens und psychoanalytischer Theoriebildung für Management und Beratung.

Die beiden Beiträge des zweiten Teils des Buches, das unter dem Titel „Führung und Management“ steht, geben Rolf Haubl: „Risikofaktoren des Machtgebrauchs von Leitungskräften“ und Thomas N. Gilmore: „Zur Psychodynamik von Führungswechseln“ den LeserInnen einen Einblick hinter die Kulissen von Führungsmachenschaften. Haubl seziert die innerpsychischen Veränderungen einer Person bei dem Wechsel in eine Führungsposition und stellt den Aspekt der Führungshemmung dabei in den Vordergrund. Er diagnostiziert bei einer Hemmung des Machtgebrauchs Vermeidung von Aggressionen, Nähe und Distanzverschiebungen, soziale Isolierung und Illusionsbildungen, wobei die komplementären Reaktionen der MitarbeiterInnen diese Emotionen unterstützen. Die Illusion der Unabhängigkeit führt zu Immunisierung gegenüber Empathie und Kritik, MitarbeiterInnen werden instrumentalisiert. Die Illusion der Unentbehrlichkeit bestätigen narzistische Wünsche und verschärfen Kontrollbedürfnisse. Die Illusion persönlicher Überlegenheit erlaubt es dem Akteur unkontrollierbare Risiken einzugehen. Weil aber nicht versagt werden darf, werden Risiken nicht mehr überprüft. Aktionismus führt zur Vertreibung von Ohnmachtsgefühlen.

Gilmore widmet sich anhand von zwei Fallbeispielen den Übergangssituationen bei Führungswechseln und den dadurch entstehenden Zwischenräumen: Einfallstore für Gefühle des Verlustes, des Bedauerns, der Erwartungen, der Angst und der Hoffnung. Zu den Verhaltensantworten auf diese Gefühle zählt er manisches Verleugnen, Rückzug und restaurative Nostalgie als Abwehrmechanismus. Die zunehmende Geschwindigkeit, mit der Führungswechsel vollzogen werden, verschärft die Problematik insofern, als Beziehungen zur neuen Führungskraft nur oberflächlich gestaltet werden, um sich vor zukünftigen Verlusterfahrungen zu schützen.

Der dritte Teil des Buches widmet sich der Psychoanalytischen Organisationsberatung.

Der Beitrag von Heike Westenberger-Breuer: „Psychoanalyse ohne Couch. Einige Überlegungen zu methodischen und begrifflichen Aspekten bei der Anwendung psychoanalytischer Erkenntnisse in der Organisationsberatung“ ist ein Plädoyer für die Berücksichtigung systemischer Zusammenhänge in der Beratung. Entlang eines Fallbeispiel wird deutlich gemacht, dass in jedem Fall die Herausarbeitung und Betrachtung des jeweiligen Kontextes bzw. der systemischen Zusammenhänge notwendig ist, in denen psychoanalytische Interpretationen vorgenommen und vermittelt werden.

Der Beitrag von James Kranz und Thomas Gilmore: „Projektive Identifizierung in der Organisationsberatung“ richtet sich an OrganisationsberaterInnen und empfiehlt, die nicht sichtbaren, impliziten und nicht bewussten Anteile im Klientensystem zu erkennen, zu verstehen und in Interventionen umzusetzen. Anhand von drei Fallbeispielen werden projektive Identifizierungen aufgedeckt und Interventionsmöglichkeiten herausgearbeitet. Dabei dienen die im Beratersystem auftretenden Irritationen als Hinweise für unbewusste Dynamiken im Klientensystem. Die Autoren gehen davon aus, dass Informationen aus dem Klientensystem häufig verzerrt und durch implizite Kräfte unterwandert werden, die dem System selbst nicht bewusst sind.

Ähnliche Zusammenhänge zwischen den Gefühlen und dem Erleben der BeraterInnen in einem Beratungsprozess und tiefer liegenden Konflikten im Klientensystem beschreiben Veronika Grüneisen und Renate Jorkowski in ihrem Beitrag: „Wie Gefühle einen Konflikt verschieben können. Erkenntnisprozesse psychodynamisch-systemischer Organisationsberatung“ auf. An einem Fallbeispiel zeigen sie auf, wie die Harmoniekultur eines Unternehmens die funktionalen Beziehungen verschleiert und sich diese Dynamik im Beratersystem widerspiegelt. Die Dynamik des Konfliktes innerhalb des Beratersystems erlaubte ein vertiefendes Verständnis in dem geschilderten Fall.

Fazit

Die Botschaft des Buches ist, darüber sind sich die einzelnen Autoren einig, die Wiederherstellung der Kommunikations- und Reflexionsfähigkeit, die Aufhebung des Reflexionsverbotes, das Ansprechen von Tabus, Wege aus der Sprachlosigkeit mit Hilfe einer psychoanalytischen Ökonomie zu finden. In der Welt der Wissenschaft gilt es, die wissenschaftliche Ökonomie wieder an die ethisch-praktischen Fragen der Zeit anzukoppeln. Klaus Gourgé (352) sieht in der Aufhebung des theoretischen Refelxionsverbotes einen ersten Schritt zu einer anderen Ökonomie. Wenn die Rational-Choice-Ökonomie davon ausgeht, dass Menschen wissen, was sie wollen und ihre Präferenzen rational und widerspruchsfrei ordnen können, so fehlt der Theorie jener Anteil der selben Menschen, die zwar eine Vorstellung davon haben, was sie wollen, dieses Wissen über sich selbst sich jedoch verzerrt, unvollständig und störanfällig erweist, da es, von Emotionen aller Art gefärbt, unbewusst motiviert ist.

Rezension von
Prof. Dr. Karin Lackner
Universität Kassel, Fachbereich 1 Humanwissenschaften, Institut für Psychologie, Lehrstuhl für Organisationsberatung, Supervision und Coaching
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Es gibt 5 Rezensionen von Karin Lackner.

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Zitiervorschlag
Karin Lackner. Rezension vom 15.10.2009 zu: Burkard Sievers (Hrsg.): Psychodynamik von Organisationen. Freie Assoziationen zu unbewussten Prozessen in Organisationen. Psychosozial-Verlag GmbH & Co. KG (Gießen) 2008. ISBN 978-3-89806-803-1. Reihe: Psyche und Gesellschaft. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7624.php, Datum des Zugriffs 18.09.2024.


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