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Verein der Förderer der Schulhefte (Hrsg.): Offen und frei? Beiträge zur Diskussion Offener Lernformen

Rezensiert von Dr. Sandra Schaffert, 16.04.2009

Cover  Verein der Förderer der Schulhefte (Hrsg.): Offen und frei? Beiträge zur Diskussion Offener Lernformen ISBN 978-3-7065-4555-6

Verein der Förderer der Schulhefte (Hrsg.): Offen und frei? Beiträge zur Diskussion Offener Lernformen. Studienverlag (Innsbruck, Wien, München, Bozen) 2008. 132 Seiten. ISBN 978-3-7065-4555-6. 19,90 EUR.
Schulheft 130, 33. Jahrgang.

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Kritisch hinterfragt: offene Lern- und Lehrarrangements

Offene Lern- und Lehrarrangements werden nicht nur in reformpädagogischen Schriften beschrieben, sondern auch in vielen aktuellen Publikationen eingefordert: Sie werden dort als Vorraussetzung beschrieben, selbst organisiertes Lernen zu realisieren um damit selbst bestimmtes Lernen, gar lebenslanges Lernen und freie Kompetenzentwicklung, zu ermöglichen. Ob diese offene Lernformen, wie die Projektarbeit, Facharbeit oder Portfolioarbeit, tatsächlich quasi zwangsläufig und bei allen SchülerInnen solche positiven Entwicklungen hervorrufen, wird dabei in aller Regel nicht hinterfragt. Es scheint an der Zeit, offene Lern- und Lehrarrangements kritisch zu hinterfragen.

Entstehungshintergrund

Die Zeitschrift „schulheft“ hat sich seit mehr als 30 Jahren zur Aufgabe gemacht, bildungs- und gesellschaftspolitische Themenstellung kritisch zu hinterfragen. Das vorliegende Einzelheft in Form eines Taschenbuchs, das im Buchhandel erhältlich ist, wurde redaktionell von Gerhard Patzner, Michael Rittberger und Michael Sertl betreut und umfasst neben einem Editorial und einer Rezension sieben Beiträge zum Themenschwerpunkt.

Inhalt

Stilistisch und argumentativ ganz unterschiedlich, jedoch stets kritisch und reflektiert stellen die AutorInnen Offene Lernformen in Frage, wobei dies nicht darin resultiert, dass sie diese Lernform an sich und prinzipiell ablehnen, sondern dass sie etliche Hinweise auf Schwierigkeiten, Herausforderungen und Schwächen des Ansatzes geben.

Im Editorial weist Michael Sertl eingangs darauf hin, dass unklar ist, inwieweit offene Lernformen die Förderung von Kindern aus bildungsfernen Schichten, mit Lernbehinderungen oder Migrationshintergrund ermöglichen, inwieweit das Angebot offener Lernformen nicht unreflektiert den Wünschen der Arbeitgeber nach flexiblen Arbeitskräften folgt und dass auffällig ist, dass offene Lernformen häufig mit (elitärer) Begabten- oder Begabungsförderung in Zusammenhang gebracht werden. Er gibt anschließend eine Einführung in die folgenden Beiträge.

  • Andreas Gruschka nähert sich dem Thema mit einer bildungstheoretischen Reflexion. Seine Auslegung des Bildungsbegriffs lässt sich mit der Grundidee eines „offenen Unterrichts“ weitestgehend verbinden, er zeigt jedoch am Beispiel der Präsentation auf, dass die unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten des offenen Unterrichts sehr unterschiedliche bildende Wirkung haben.
  • Helmut Bremer und Uwe H. Bittlingmayer hinterfragen selbst gesteuertes Lernen als Ideologie und „soziales Spiel“ in Bildungseinrichtungen, indem sie unter anderem darauf hinweisen, wie unterschiedliche soziale Milieus mit Lernen, insbesondere dem selbst gesteuerten Lernen, umgehen und dass auch Lehrende hier nicht „außen vor stehen“, sondern eben auch standortgebunden und milieubezogen „pro“ selbst gesteuertem Lernen argumentieren.
  • Barbara Müller-Naendrup stellt Forschungsbefunde zu offenen Lernsituationen und die Probleme der Forschung dar, beispielsweise im Bezug auf unterschiedliche Definitionen und Verständnisse des offenen Lernens sowie auch die unterschiedlichen verwendeten Erfolgskriterien.
  • Michael Rittberger stellt sich die Frage, wie fruchtbar offene Lernsituationen für lernbehinderte Kinder sind: Er stellt dar, wieso aus seiner Perspektive nur ein Argument den Einsatz offener Lernformen rechtfertigt, nämlich „die Tatsache, dass sie den Lehrenden Zeit und Raum geben, sich mit einzelnen SchülerInnen und kleinen Schülergruppen zu beschäftigen, was bei frontalen Unterrichtsformen von vornherein nicht möglich ist“ (S. 84).
  • Gerold Patzner stellt klar: „Ich glaube an den offenen Unterricht!“ – und verweist darauf, dass Glaube Berge versetzen kann, Selbstzweifel dafür aber nicht förderlich sind.
  • Ingrid Teufel verweist auf die Möglichkeiten der Individualisierung des Unterrichts durch offenen Unterricht.
  • In einem Gespräch mit Grete Anzensgruber werden Frustrationen und Bedenken wie auch Begeisterung und Erfolge des Lernens mit offenen Lernformen angesprochen.

Fazit: Spannend und lesenswert!

Es gibt zwar immer wieder kritische Töne, dass die Forderung nach selbst gesteuerten und eigenverantwortlichen, lebenslangen Lernen auch eine Konsequenz neoliberaler Politik ist, die jeden für das eigene Fortkommen verantwortlich machen will. Im Bezug auf Schule und offene Lernformen findet man weitaus seltener kritische Beiträge. Auch dieses Buch zieht wohl insgesamt ein positives Fazit für offene Lernformen, bzw. ist die Sympathie vorhanden. Die kritische Reflexion offener Lernformen aus unterschiedlichen Perspektiven – unter anderem aus bildungstheoretischer, empirisch-forschender, der Unterrichtspraxis – ist spannend zu lesen und sehr empfehlenswert für alle, die offene Lernformen propagieren und einsetzen.

Rezension von
Dr. Sandra Schaffert
Pädagogin. Tätigkeit in Wissenschaft und Weiterbildung

Es gibt 23 Rezensionen von Sandra Schaffert.

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ISSN 2190-9245