Carl R. Rogers: Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und [...]
Rezensiert von Monika Pietsch, 23.10.2009
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Carl R. Rogers: Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehung.
Ernst Reinhardt Verlag
(München) 2008.
112 Seiten.
ISBN 978-3-497-01990-8.
D: 14,90 EUR,
A: 15,40 EUR,
CH: 26,30 sFr.
Reihe: Personzentrierte Beratung & Therapie - 8.
Thema
Die Schrift von C. Rogers wurde 1959 veröffentlicht. Sie versteht sich als Gerüst der Theorie der Psychotherapie und soll ausdrücklich als Arbeitsgrundlage verstanden werden. Veränderungen und Korrekturen durch neue Erkenntnisse sind gewünscht.
Autor
Carl R. Rogers (1902- 1987) war amerikanischer Pädagoge, Psychologe und Psychotherapeut. Er begründete den Personzentrierten Ansatz in der Psychotherapie.
Entstehungshintergrund
Der Anlass zur Veröffentlichung der Schrift ist 1957 die Bitte der American Psychological Association um eine systematische Darstellung Rogers Theorie der Psychotherapie. Rogers hat in dieser Schrift die Erfahrungen, Erkenntnissen, Untersuchungen und Forschungen vieler Kollegen zusammengefasst.
Aufbau
Im Vorwort weist J. Kriz darauf hin, dass die Schriften von Rogers 50 Jahre alt sind. Mit dieser Neuauflage soll die Urfassung der Theorie der Psychotherapie im Hinblick auf 2 schädliche Einflüsse begegnet werden:
- die „flower-power“- Bewegung, die den Ansatz in eine „seid -nett-zueinander“ Ideologie verzerrte
- die ausschließliche Orientierung an messbaren Effekten
Anschließend beschreiben die Übersetzer Probleme mit den verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten feststehender Begriffe und deren Verständnis in der englischsprachigen bzw. deutschsprachigen Welt.
In der Einführung erklärt Rogers seine eigene Biographie als Grundlage seiner Theorie. Dazu zählt das jugendliche Interesse an wissenschaftlicher Arbeit, Kontakte und Einflüsse zu verschiedenen Richtungen der Pädagogik und Psychologie und vor allem die Arbeit mit Klienten.
Grundsätzliches ist für Rogers:
- Forschung und Theorie haben den Nutzen eine Ordnung in subjektive Erfahrungen zu erkennen.
- Wissenschaft beginnt mit der Beobachtung und den daraus resultierenden Schlüssen.
- Es gibt eine natürliche Entwicklung von Wissenschaften.
- Theorie muss für das jeweilige Feld relevant sein.
- Die Dominanz des Subjektiven. Es gibt keine wissenschaftliche objektive Erkenntnis; es gibt nur individuelle Wahrnehmungen.
Im Anschluss beschreibt Rogers in 5 Kapiteln seine Theorie, beginnend mit der allgemeinen Struktur unseres systematischen Denkens, in der er Fachbegriffe auflistet, clustert und erläutert. Auf diese Fachbegriffe kommt er im Verlauf immer wieder zurück.
1. Kapitel: Theorie der Therapie und der Persönlichkeit
- Bedingungen des therapeutischen Prozesses
- Der Therapieprozess
- Ergebnisse im Bereich der Persönlichkeit und des Verhaltens
- Einiges Schlussfolgerungen, die sich auf die Natur des Menschen beziehen
Dieses 1. Kapitel beinhaltet die Auflistung sowohl der Bedingungen, des Ablaufes und der möglichen Ziele eines Therapieprozesses.
2. Kapitel: Persönlichkeitstheorie
- Postulate über das Wesen des Kindes
- Die Entwicklung des Selbst
- Das Bedürfnis nach Bezug
- Die Entwicklung des Bedürfnisses nach Selbstbeachtung
- Die Entwicklung von Bewertungsbedingungen
- Die Entwicklung der Inkongruenz zwischen Selbst und Erfahrungen
- Die Entwicklung von widersprüchlichem Verhalten
- Die Erfahrung von Bedrohung und der Prozess der Abwehr
- Der Prozess des Zusammenbruchs und der Desorganisation
- Der Prozess der Reintegaration
Einmal mehr erklärt Rogers, dass die Behauptungen von Theorien fragwürdig sind. Die Behauptungen müssen seiner Meinung nach kontinuierlich an die Erfahrungen der Praxis angenähert werden.
Rogers geht davon aus, dass das Kind seine Erfahrungen als Realität wahrnimmt und diese bewertet. Es strebt immer wieder nach positiv bewerteten Erfahrungen. Dabei spielt das Bedürfnis nach Selbstbeachtung, Wertschätzung und Selbst- Wertschätzung eine entscheidende Rolle. Wertschätzung wird erlebt, wenn beim Gegenüber eine positive Selbsterfahrung wahrgenommen wird und dessen Haltung von Wärme, Liebe Respekt, Achtung und Anerkennung geprägt ist. Daraus entsteht die Selbst- Wertschätzung, die jedoch zunehmend vom anderen unabhängig ist und eine positive Erfahrung des eigenen Selbst ist. Als Ziel der Therapie formuliert Rogers, eine Person, die in Übereinstimmung mit ihren Erfahrungen ist.
Bis hierher sind die Bedingungen auf alle Menschen anwendbar. In Abschnitt I ändert sich dies, es handelt ich um Extreme, die bei besonderen Bedingungen vorkommen.
Rogers beschreibt seine Theorie abschließend als noch nicht ausgereift und hofft, das sie außer mit den vorliegenden Beispielen noch weiter überprüfbar wird.
3. Kapitel: Theorie der voll entwickelten Persönlichkeit
Hier stellt Rogers eine optimal entwickelte Persönlichkeit vor und stellt seine Ergebnisse aus dem Kapitel 1. und 2. noch einmal strukturiert dar.
4. Kapitel: Theorie der zwischenmenschlichen Beziehung
Das Ziel eines theoretischen Konstruktes ist der Versuch eine Ordnung zu formulieren, die in allen zwischenmenschlichen Beziehungen als auch in der Kommunikation vorliegt.
Zunächst beschäftigt sich Rogers mit den Bedingungen, dem Prozess und dem Ergebnis gestörter Beziehungen, im Folgenden mit denen einer verbesserten Beziehung.
Zusammenfassend wird der Versuch eines Gesetzes unternommen, dass sich jedoch nach seinen Aussagen im Stadium der Entwicklung befindet und so durch weitere Erkenntnisse, Erfahrungen oder wissenschaftliche Fakten noch bestätigt oder falsifiziert werden muss.
5. Kapitel: Anwendungstheorien
Für die Bereiche: Familienleben, Erziehung und Lernen, Gruppenleitung, Gruppenspannung und Konflikt stellt Rogers die Anwendungen seiner Theorie dar und verweist auf weitere Publikationen.
Das theoretische System im Kontext der Forschung
Die Entwicklung einer Theorie verlangt nach Rogers folgende Vorgehensweise:
- klinisch- therapeutische Erfahrungen
- Formulierung der Theorie
- Forschung zur Überprüfung der Theorie
- Entdeckung neuer Aspekte der Erfahrung durch die Forschung
- Modifikation der Theorie in Hinblick auf die neue Erfahrung und die Forschung
- weitere empirische Überprüfung der überarbeiteten Hypothesen
Rogers beschreibt unter anderem die Überprüfung der Theorie durch statistische Messungen. Durch die Fragestellungen der personzentrierten Therapie konnten diese verfeinert werden. Er stellt auch die Frage nach „Erfolg“ und „Misserfolg“ in der Therapie. Seiner Auffassung nach wird die Bewertung überwunden, da vielmehr ein zukünftiges Konstrukt entwickelt wird, das unabhängig von einer Bewertung eintreten kann oder nicht.
Rogers Vision ist die Nutzung der Theorie unter anderem für Regierungszwecke und für internationale Beziehungen.
Nach wie vor sieht Rogers die Notwenigkeit nach:
- neuen und sinnvolleren Messinstrumenten
- umfassenderen Erfahrungen mit Psychotikern
- mehr Erfahrungen und Hypothesen in Gruppenbeziehungen
- Übersetzung der Begriffe in theoretische Begriffe
- mehr kreatives Denken und theoretisieren
Im Kapitel Schluss zeigt sich Rogers von der Fülle der Schrift überrascht und hofft auf ein geschlossenes Bild der Theorie. Zu Abschluss des Buches folgen Literaturhinweise.
Fazit
Eine vollständige Zusammenfassung dieser kurzen Schrift und der Theorie Rogers macht wenig Sinn. So ist es wie von Rogers angesprochen notwendig, all die kurzen und zusammengefassten Theorieteile mit Leben zu füllen und zu durchdenken.
Die Relevanz Rogers und der gemeinschaftlich entwickelten Theorie steht außer Frage. Viele der heute modernen und erfolgreichen Therapien aber auch Randbereiche wie Seminare und Trainings berufen sich auf die Erkenntnisse seiner Theorie. So finden sich aktuell in konstruktivistischen Trainings seine Gedanken und Erkenntnisse wieder. (z. B. die Subjektivität allen Erlebens)
Es macht dabei durchaus Sinn sich mit der Urfassung der Theorie zu befassen, um den Gedanken Rogers, auch gerne in seiner Sprache, zu folgen.
Beim Lesen erlebt man den dynamischen und lebendigen Prozess der Entwicklung der Schrift. Die Erkenntnisse mit ihren Fragen und kritischen Auseinandersetzungen werden authentisch gezeigt und die Begeisterung Rogers ist spürbar. Dabei wirkt der offene Wunsch nach Verbesserung und Korrektur und das Einbinden neuer Erkenntnisse als wirkliches Interesse und dringender Wunsch.
Alles in allem eine gelungene Übersetzung und Erinnerung an einen bedeutenden Psychologen, Theoretiker wie Praktiker.
Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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