Jenö Bango: Studien zur transmodernen und transdisziplinären Sozialarbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Heiko Kleve, 10.08.2009

Jenö Bango: Studien zur transmodernen und transdisziplinären Sozialarbeit. Logos Verlag (Berlin) 2008. 187 Seiten. ISBN 978-3-8325-2069-4. D: 29,00 EUR, A: 29,80 EUR, CH: 51,60 sFr.
Thema
Jenö Bango präsentiert mit diesem Buch zahlreiche Reflexionen zu unterschiedlichen Aspekten Sozialer Arbeit, die er sowohl als „transmodern“ wie auch als „transdisziplinär“ bezeichnet. Mit der Vorsilbe „trans“ wird eine „Bewegung in Raum und Zeit und nicht eine stabile, etablierte Position“ (Backcover) benannt. Um sich diese Bewegung vorzustellen, führt Bango das Beispiel der transsibirischen Eisenbahn an: „[…] dann ist es nicht nur die Zeit, die einem bewusst wird (die Reise mit diesem Zug dauert eine Woche), sondern auch die Entfernung (von Moskau bis Wladiwostok) [sic!] die unendlichen Räume Sibiriens werde [sic!] spürbar“ (ebd.). Mit „Transmoderne“ meint der Autor den permanenten Übergang von einem zu einem anderen wissenschaftlichen Paradigma.
Das Buch versammelt zwölf sozialarbeitswissenschaftliche Reflexionen, von denen die meisten bereits an unterschiedlichen Orten, also verstreut publiziert wurden. Bango offeriert mit der Schrift seinen weiten Blick auf das Feld der Sozialen Arbeit, wobei seine Positionen zumeist systemtheoretisch, mit starken Bezügen zur Theorie Niklas Luhmanns untermauert werden.
Autor
Jenö Bango (Jahrgang 1934) ist belgischer Staatsbürger, gebürtiger Ungar und lehrte bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1999 als Professor für Soziologie an der Katholischen Fachhochschule Aachen. Außerdem hatte er in den Jahren 2001, 2003 und 2004 eine Gastprofessur an der Eötvös Lóránd Universität in Budapest inne. Bei der Betrachtung seines Lebenslaufs, der ausführlich im Buch aufgelistet ist (S. 7f.), wird deutlich, dass das Wörtchen „trans“ auch seine kulturellen bzw. nationalen Erfahrungen prägt. Trans- bzw. zwischenkulturell oder zwischennational erstrahlt seine Vita: Denn wir können dort lesen, dass er in Ungarn aufgewachsen ist, dort, in Österreich und in Belgien studiert hat, als Gymnasiallehrer sowohl in der Republik Kongo als auch in der Schweiz gearbeitet hat und schließlich als Professor in Deutschland (Düsseldorf und Aachen) tätig wurde.
Aufbau und Inhalt
In zwölf Kapiteln wird das transdisziplinäre Feld der Sozialen Arbeit erkundet. Dabei setzt sich Bango in jedem Kapitel mit einem anderen Begriff bzw. Aspekt auseinander und bezieht diesen auf unterschiedliche Ebenen der Sozialen Arbeit; im einzelnen werden folgende Themen vertieft:
- Knappheitsbegriff und Sozialarbeit;
- Soziale Zeit und Sozialarbeit;
- Funktionsbegriff und Sozialarbeit;
- Sozialarbeit als Funktionssystem;
- Die Autopoiesis der Sozialarbeit;
- Beobachtung in der Sozialarbeit;
- Konstruktivismus und Sozialarbeit;
- Kommunikation in der Sozialarbeit;
- Chaostheorie und psychoanalytische Sozialarbeit;
- Sozialarbeitswissenschaft im Wissenschaftssystem;
- Sozialarbeitswissenschaft – transmodern und transdisziplinär?;
- Übersicht der Konfliktsemantiken, globale Konflikte und systemisch-transnationale Sozialarbeit.
Die Themen, denen sich Bango widmet, sind also recht weit gestreut und grundlagentheoretisch verortet. Das verbindende Glied dieser diversen Reflexionen ist ihre systemtheoretische Unterfütterung. Weiterhin sind alle Auseinandersetzungen trotz ihrer theoretischen Fundierungen und Ansprüche auch für Theorieeinsteiger, etwa für Studierende, gut lesbar.
Diskussion
Die Kapitel des Buches sind ohne Frage sehr anregend und lehrreich. Das Wissen des Autors ist sehr breit. Bango versteht es, vielfältige, auch ungewöhnliche Bezüge zu diversen Theorien und Wissenschaftsdisziplinen herzustellen. Das Lesen der Ausführungen regt an und führt bestenfalls zu einem kreativen Weiterdenken. Diese Kreativität wird u.a. ausgelöst durch das Kombinieren und Zusammendenken diverser Ansätze und Konzepte.
Der große Wermutstopfen des gesamten Buches ist jedoch die schlechte Korrektur. Obwohl es eine umfangreiche Vorkorrektur gab, hat sich der Logos-Verlag selbst offenbar nicht viel Mühe dabei gegeben, das Buch fehlerfrei auf den Markt zu bringen. Dies schmälert den Gesamteindruck auf die zahlreichen neuen interessanten Zusammenhänge und Fragestellungen, die Jenö Bango versucht aufzuwerfen.
Zielgruppe
Das Buch bietet praktischen wie theoretisch arbeitenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern sowie Lehrenden der Sozialarbeitssoziologie vielfältige, originelle Anregungen. Es kann daher zugleich als eine eigenwillige, sozialarbeiterische Einführung in systemtheoretisches Denken gelesen werden.
Fazit
Bango hat ein Buch verfasst, das die gesamte Breite und Vielfältigkeit seiner sozialarbeitswissenschaftlichen und soziologischen Interessen präsentiert. Leider wird die Lust am Lesen der interessanten und kenntnisreichen Reflexionen immer wieder gestört durch die zahlreichen Druckfehler. Dennoch kann das Werk all jenen empfohlen werden, die nicht nur auf den Mainstream der Sozialarbeitswissenschaft schauen, sondern einen Seitenblick wagen wollen auf jene, die sich trauen, anders, ja alternativ zu denken. Zu diesen Autoren gehört mit Sicherheit Jenö Bango.
Rezension von
Prof. Dr. Heiko Kleve
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Wirtschaft und Gesellschaft, Department für Management und Unternehmertum, Wittener Institut für Familienunternehmen (WIFU)
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