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Frank Eckardt: Die komplexe Stadt

Rezensiert von Prof. Dr. Detlef Baum, 25.08.2009

Cover Frank Eckardt: Die komplexe Stadt ISBN 978-3-531-16507-3

Frank Eckardt: Die komplexe Stadt. Orientierungen im urbanen Labyrinth. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2009. 231 Seiten. ISBN 978-3-531-16507-3. 39,90 EUR.

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Thema

Städtisches Leben ist durch die gleichzeitige Überlagerung von räumlichen Strukturen, zeitlichen Dynamiken, sozialen und funktionalen Differenzierungen immer komplexer geworden. Ihre Eigenlogik ist bestimmt durch die Art und Weise wie ihre Bewohnerinnen und Bewohner sich selbst in dieser Stadt verstehen, verorten können. Das Verhältnis der Individuen zueinander und zu der sie umgebenden Umwelt war in der Stadt schon immer ein Thema; die heutige Stadt der Moderne macht allerdings dieses Verhältnis auch immer schwieriger, komplizierter und unübersichtlicher.

Die Probleme, die sich aus der Komplexität von Strukturen und Prozessen ergeben und die die Kerndynamik und Eigenlogik der Städte inzwischen bestimmen, soll einerseits in der Darstellung von elf Metropolen deutlich werden, andererseits sollen aus der urbanen Komplexität Schlussfolgerungen gezogen werden für eine zukünftige - auch komplexer werdende - Stadtforschung.

Autor

Der Autor ist Juniorprofessor für Soziologie der Globalisierung am Institut für Europäische Urbanistik der Bauhaus-Universität Weimar.

Untersuchung

In seiner Einleitung zu diesem Buch geht der Autor von der These aus, dass sich die Stadtforschung letztlich nicht institutionalisiert hat. Wir haben eine lange Tradition stadtsoziologischer Forschung, auch stadtgeographische Arbeiten; was uns fehlt ist eine Institutionalisierung von Interdisziplinarität, indem alle an der Stadt beteiligten Wissenschaften zusammenarbeiten. Damit wird auch die Konstitution und Entwicklung einer allgemeinen Stadttheorie nicht weiter befördert. Selbst die etablierte Stadtforschung in der Tradition der Chicago School - so Eckardt - wird dem neuen Verständnis der Stadt in modernen und komplexen Gesellschaft letztlich nicht gerecht. Deshalb verbindet der Autor mit seinem Buch zwei Ziele:

  1. Der Autor möchte einen Nachholbedarf decken, den die Stadtforschung gegenüber den sozial- und gesellschaftswissenschaftlichen Disziplinen immer noch hat.
  2. Die in den meisten Stadtforschungen angewandten sozialwissenschaftlichen Methoden und rekapitulierten Theoriebestände sowie die mit den Forschung verbundenen Fragestellungen und Wissensbestände sollen unter dem Gesichtspunkt diskutiert werden, wie sie in eine zukünftige komplexe Stadtforschung eingebunden werden können.

Stadtforschung soll dabei verstanden werden "als Ort der theoretischen Innovation des gesellschaftswissenschaftlichen Diskurses insgesamt" (12).

Die Komplexität der Stadt, die Überlagerung von Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit, die zeitliche, räumliche und soziale Überlagerung von Prozessen und Strukturen muss sich auch in der Komplexität einer Theorie der Stadt abbilden lassen. Dabei geht es auch um die Überwindung disziplinärer Grenzen, innerhalb derer die einzelnen Wissenschaften in ihrer Erklärung der Stadt verhaftet bleiben. Dabei teilt der Autor sein Buch in drei Teile ein.

Im ersten Teil arbeitet er analytisch und phänomenologisch Charakteristika der urbanen Komplexität heraus. Anhand spezifischer urbaner Probleme soll eine Identifikation mit bestimmten urbanen Bedingungen des Lebens in ihrer Komplexität erfasst werden, wobei es nicht um eine ethische Positionierung geht, sondern um eine substanzielle Beschäftigung mit dem Gegenstand Stadt und den Theorien, die sich mit der Stadt auseinandersetzen. Dabei beschränkt sich Eckardt auf die Großstädte und das, was inzwischen "Megacities" genannt wird.

Im zweiten Teil geht es um die Überprüfung von Theoriebeständen der Stadtforschung, inwieweit sie Komplexität der Stadt ins Auge fassen. Dabei werden unterschiedliche Ansätze unter dem Gesichtspunkt diskutiert, in welcher Weise und inwieweit diese Ansätze Komplexität bearbeiten und geeignet sind, einen Beitrag zu einer allgemeinen Theorie urbaner Komplexität zu leisten. Ziel dabei könnte sein, einen Kanon von "urban studies" als Grundlage einer Stadtforschung zu entwickeln.

Schließlich soll im dritten Teil ein Vorschlag erarbeitet werden, wie eine derartige allgemeine Theorie urbaner Komplexität in Anschluss an der im ersten Teil erfolgten Identifizierung urbaner komplexer Strukturen und der im zweiten Teil erfolgten Auseinandersetzung mit den Theoriebeständen der Stadtforschung aussehen könnte.

Erster Teil

Im ersten Teil werden dem Leser eine Reihe von Großstädten und Metropolen vorgestellt, deren Auswahl erst einmal erschlossen werden will. In der Einführung zu diesem Teil werden die Charakteristika urbaner Komplexität dann deutlich, für die jeweils offensichtlich die einzelnen Städte stehen sollen.

  • Stadt und Menschenmasse ist der erste Problemkomplex, für den Tokio stehen soll. Eine Stadt, die auf das Zusammenleben ihrer Bewohnerinnen und Bewohner angewiesen ist, ist Tokio wohl nicht.
  • Demographie und das Verhältnis des Individuums zur Masse sind zwei weitere Problemkomplexe, für die Frankfurt in der Verdichtung seines Raumes steht.
  • Öffentlichkeit und die Bedeutung öffentlicher Räume für Austausch und Begegnung, die Logik des bewegten Raumes und die damit verbundene Mobilität und das Nicht-festgelegt-sein auf den geographisch begrenzten Raum als typische Problemlagen urbaner Strukturen bilden das 3. Kapitel, in dem Bangkok vorgestellt wird.
  • Urbane Mobilität im Zeichen der Globalisierung hat eine neue Qualität, weil sich diese Mobilität nicht mehr lokal auf die Stadt beschränkt und als solche identifizierbar ist. Damit sind weitere Komplexitätsindikatoren benannt, die am Beispiel von London nachgezeichnet werden.
  • Allerdings wird am Beilspiel von Istanbul deutlich gemacht, dass diese Beziehung von Lokalität und Globalisierung auf eine andere Dimensionierung verweist: auf das Verhältnis von Innen und Außen als Komplexitätsmuster von Urbanität. Wir erfahren etwas über die Bedeutung intermediärer Instanzen als Integrations- und Strukturierungsmuster und wie Urbanität zu einem "hybriden Prozess" wird.
  • Wenn man von einer Urbanitätsdefinition ausgeht, die Kollisionen und damit Konflikte in ihrer Logik als zwangsläufige Folge von Mobilität mit einbezieht, dann ist Komplexität von Urbanität auch immer konfliktbeladen - das zeigt uns die Analyse von New York.
  • Rio de Janeiro ist ein Beispiel für anomische Urbanität, was hier auf das Ausbleiben von Strukturierung zurückgeführt wird - gibt es dies überhaupt, wo doch von Tokio auch behauptet wurde, dass bei allem Chaos auch ein Strukturierungsprinzip unterstellt werden könnte? Nach welchen Strukturierungslogiken müssten wir hier eigentlich fragen?
  • Komplexe Stadtforschung hat sicher die Frage nach dem Politischen zu stellen und wie Urbanität auch durch das Politische mit gestaltet wird. Shanghai ist sicher eine Stadt, in der deutlich wird, wie sehr der politische Wille und die politischen Akteure diese Stadt geprägt haben.
  • Urban Governance als Beispiel für die Steuerungsfähigkeit komplexer Strukturen und Prozesse wird uns am Beispiel von Amsterdam verdeutlicht.
  • Komplexität als die Überlagerung von Gleichzeitigkeit intentionaler Prozesssteuerung und der Ungleichzeitigkeit strukturbildender - nicht intentionaler? - Prozesse wird uns am Beispiel von Berlin vorgeführt.
  • Und schließlich macht uns die Darstellung von Dhaka auf das Problem aufmerksam, dass in der komplexen Stadt Natur und Soziales nicht mehr antagonistisch gegenüber gestellt werden können, was ja durchaus ein Muster der Stadtgeschichte ist, zumindest suggeriert wird.

Alle diese charakteristischen Merkmale des Urbanen werden einleuchtend an den einzelnen Städten festgemacht. Manchmal geht dem kritischen Leser der kulturelle Kontext verloren, der nun mal Istanbul von Berlin, Amsterdam von Dhaka unterscheidet, weil sie unterschiedlichen kulturellen Entstehungs- und Entwicklungskontexten angehören und dort verortet sind. Kann der europäische Städtebauer Shanghai noch bauen, wenn er das chinesische Verständnis von Stadt, Stadtentwicklung und Stadt als Lebensraum kennt oder braucht er das nicht, um trotzdem eine doch eher europäisch anmutende Stadt zu bauen?

Zweiter Teil

Wichtig ist in diesem Kontext - und dies wird sehr deutlich, dass das Städtische nur noch in seiner komplexen Struktur zu denken ist und sich jede einfache Sichtweise schlicht verbietet, ja dass auch Definitionen der Stadt, die wirklich das Urbane zum Fokus ihrer Beschreibungen machen, nicht in den Maschen politisch-administrativer oder geographischer Definitionen hängen bleiben dürfen, sich von ihnen befreien müssen. Und selbst stadtsoziologische Definitionen werden oft dem hier angestrebten und geforderten Begriff von Komplexität nicht gerecht.

In seinem zweiten Teil versucht F. Eckardt die Theoriebestände aufzuspüren, die bislang tragfähig waren, in einer bestimmten Sichtweise die Stadt als Lebensraum zu bestimmen. Vor allem geht es auch darum Theorien zu finden, die sich ansatzweise mit der Komplexität des Urbanen beschäftigen. Welche der "unter den Gesichtspunkt der räumlichen, historischen, gesellschaftlichen, architektonischen, virtuellen und gender-bezogenen Theoretisierungen" nehmen sich der Themen der Stadt an und "lassen sich in die Richtung einer komplexitätssensiblen Diskursivität für die Stadtforschung nutzen?" (117).

Dabei spielt in einem Kapitel die Stadt als Raum eine Rolle - und das Raumverständnis der unterschiedlichen Disziplinen kann kaum kontroverser sein. Wie eignen sich Subjekte diesen Raum an, wie deuten sie ihn vor dem Hintergrund ihrer Möglichkeiten, ihrer Bedürfnisse und ihrer Interessen einerseits und den objektiven Bedingungen des Raumes und seiner Gestalt andererseits? Wie wird Raum konstruiert und konstituiert und wie setzt sich das Individuum ins Verhältnis zum Raum, dessen Bestandteil es ist. Diese Fragen werden mit diskutiert, wobei auf prominente Vertreter dieser Ansätze Bezug genommen wird.

Das Gleiche gilt für das Kapitel, das sich mit der "Gesellschaft der Stadt" beschäftigt. In Rückgriff auf Morin und Luhmann - die einzigen Vertreter, die sich mit dem Begriff der Komplexität auseinandergesetzt haben - werden Komplexitätsvorstellungen entwickelt, die dann auch verbunden werden mit anderen Autoren, wie Lefèbvre, Soja u. a., die sich auch mit der Frage der (post)modernen Stadt auseinandergesetzt haben.

Kritisch setzt sich F. Eckardt im Kapitel über die historische Stadt mit der Stadtgeschichtsforschung - namentlich mit L. Mumford - auseinander. In der Tat hat die Stadtgeschichtsforschung mit einem relativ einfachen Stadtbegriff zu kämpfen, in dem das komplexe Verhältnis von Kultur-, Gesellschafts- und Naturgeschichte nicht zum Tragen kommt. Deshalb wird auch das Verhältnis von gewachsenem Raum und Habitus nicht zum Fokus der Betrachtung. Explizit wird auf Max Weber eingegangen, in dessen kulturgeschichtliche und -soziologische Überlegungen die Stadt als Bürgerstadt eingebettet ist. Weber geht es ja weniger um die bebaute und strukturierte Stadt, sondern um die Stadt als Vergesellschaftungsform und ihre historische Bedeutung für die Entwicklung des Bürgertums und des Kapitalismus. Und darin unterscheidet er sicher auch die europäische Stadt von der Stadt anderer Kulturkreise.

Im Kapitel über die gebaute Stadt wird deutlich, dass die Stadt eine besondere Konfiguration von Zeit und Raum ist, von Geschichtlichem und Gegenwärtigem, von bebauter Umwelt und dem daraus entstehenden Sozialen, aber auch von dem Sozialen und seiner Gestaltungskraft des Räumlichen. Dabei wird hier auf die Bedeutung der Semiotik zurückgegriffen und auf Autoren, die sich mit der Semiotik des bebauten Raumes auseinandersetzen. Bedeutung und Repräsentation der Bauformen und die Funktionalität des Gebauten müssen immer wieder neu in Verhältnis zu einander gesetzt werden, was laut Eckardt der Architekturtheorie nur unzulänglich gelingt.

Die Stadt ist nicht nur eine Realität, ihre Eigenlogik entwickelt sie auch im Verhältnis von realer Physikalität und imaginierter Vorstellung mehr in ihrer dialektischen Verschränkung als in ihrer Dualität, in der auch das Nicht-Sichtbare ans Licht gerät. Komplexe Urbanität erfasst dann auch die Dynamik unterschiedlichster Akteure und Prozesse vielschichtiger Kommunikationen und Interaktionen. Das macht die Komplexität einer virtuellen Stadt aus, wie sie im so überschriebenen Kapitel vorgestellt wird. Diese Dimension von komplexer Stadt wird immer bedeutsamer angesichts der wachsenden Bedeutung des virtuellen Raumes, der ja auch das Raumverständnis neu dimensioniert. Dies wirft nämlich auch die Frage der sozialen Verortung von Individuen in einer Stadt neu auf, die ja bislang vom Konzept einer lokalen Zugehörigkeit, bzw. einer auf lokale Bezüge angewiesenen Anerkennung als Teil einer res publica angewiesen ist.

Das letzte Kapitel des zweiten Teils beschäftigt sich mit dem Geschlecht der Stadt oder besser mit dem Geschlecht in der Stadt und durch die Stadt. Diese eher jüngere Dimension von komplexer Stadt macht deutlich, dass Männer und Frauen die Stadt als Erlebnis-, Handlungs-, Interaktions- und Funktionsraum jeweils spezifisch deuten und aneignen. Auch hier rekapituliert der Autor die Forschungslage umfassend und fragt kritisch, inwieweit der Genderaspekt in der Tat eine neue Komplexität der Urbanität hervorgebracht hat. Wenn überhaupt, muss diese Diskussion eingebettet werden in einen Kontext, in dem Stadt, Raum und Geschlecht in ihrer Verschränkung diskutiert werden.

Dritter Teil

Im dritten Teil diskutiert der Autor "Konturen einer komplexen Stadtforschung".

Dabei interessiert zunächst einmal den Autor die Frage, die er im ersten Kapitel diskutiert, nämlich inwieweit die Urbanitätsforschung anschlussfähig ist an eine allgemeine Komplexitätsforschung. Dabei ist wichtig, die Dichotomie von Gesellschaftlichkeit und Natürlichkeit in eine dialektische Beziehung zu transformieren, in der die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht nur Ausdruck des Sozialen, sondern auch des Physischen ist und vice versa. Und das macht ja auch die Eigenlogik von Städten aus: Sie sind nicht nur der Handlungsrahmen, innerhalb man zu handeln hat, sondern die Handlungen konstituieren Wirklichkeit, wie die Wirklichkeit auch den Akteur mit seinem Bewusstsein, seinen Möglichkeiten und Chancen und seinen Dispositionen und Bedürfnissen konstituiert.

Im zweiten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit dem Wissen in der komplexen Stadt. Im Rückgriff auf S. Kracauer lässt sich formulieren, dass die Stadt nicht nur durch intentionales Handeln, durch Planung und intentionale Steuerung sich entwickelt, sondern auch durch eine Art "Selbstorganisation". Und: diese Selbstorganisation gründet auch auf einer Eigendynamik von Entwicklung, die den Strukturen immanent ist und nicht auf individuellen Entscheidungen einzelner Akteure beruhen. Diese Erkenntnis ist wichtig, um die Grenzen auch der Wirklichkeitsbeeinflussung durch intentionales Handeln auch machtvoller Akteure zu erkennen.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der urbanen Komplexität als Forschungsprogramm. "Nirgendwo anders als in der Stadt sind diese komplexen Beziehungen bereits sichtbar und erforschbar, weswegen eine Stadtforschung nur als transdisziplinären (sic!) Programm denkbar ist, in die urbane Komplexitätsforschung mit einer umfangreichen Fragestellung konfrontiert ist." (211) Eine bessere Zusammenfassung dieses Kapitels wäre dem Rezensenten auch nicht eingefallen! Es geht in der Tat nicht um Interdisziplinarität, in der die Wissenschaften bei Beibehaltung ihrer eignen Logik sich austauschen. Vielmehr geht es um eine auf anderen Prinzipien beruhende andere Logik, die die Disziplinen überwindet.

Im folgenden Kapitel geht es um das Subjekt im "Dickicht der Großstädte". Es geht um die Subjektivität des Forschers. Im Sinne Foucaults ist die Stadt ein Ort, an dem Wissen, Raum und Macht zusammenfließen. Die Stadt ist der Ort, an dem politische Macht identifizierbar ist in Diskursen, aber auch die "community power" deutlich wird, die Einfluss nimmt auf urbane Strukturen und Prozesse und zwar jenseits institutionalisierter politisch-administrativer Macht.

Schließlich werden im letzten Kapitel des dritten Teils die Grenzen des Komplexitätsansatzes angesprochen. Diese Kapitel stellt gleichzeitig ein Fazit der gesamten Argumentation dar. Dabei geht der Autor auf die Computerorientierung der Gesellschaftswissenschaften ein, die dann auch zu artifiziellen Modellen führt. In diesem Kontext wird zunehmend deutlich, dass sich Gesellschafts- und Naturwissenschaften besser verzahnen müssen, um zu komplexer werdenden Diskursen und Aussagen über die Stadt zu kommen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten werden allerdings ebenfalls reflektiert.

Diskussion

Für diejenigen, die sich sowohl in der wissenschaftstheoretischen Diskussion als auch in der stadtsoziologischen Forschung und Theoriebildung sehr gut auskennen, ist die Arbeit eine wirkliche Bereicherung. F. Eckardt legt seine Habilitationsschrift vor, in der er den Nachweis mit Erfolg erbracht hat, dass er in beiden Bereichen gut bewandert ist und den Forschungsstand nicht nur kennt, sondern vor dem Hintergrund seiner Überlegungen kritisch zu reflektieren vermag.

Wenn man sich auch mit Fragen der Interdisziplinarität in der Stadtforschung auseinandersetzt, wird man hier sehr viele Ansätze finden, wie diese Interdisziplinarität in einen transdisziplinären Diskurs über die Stadt überführt werden könnte, allerdings auf einem Niveau, der dem fachlichen Laien den Zugang zunächst auch schwer macht.

Was den Leser überrascht und was den Nachvollzug der Argumente manchmal auch einschränkt, ist das Fehlen einer Literaturliste. Auch angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Habilitationsschrift handelt, ist dieser Umstand eher ungewöhnlich.

Fazit

Es geht weniger um die Komplexität der Stadt, wie der Titel suggeriert, als vielmehr um eine komplexe Urbanitätsforschung, die die Stadt in der Komplexität ihrer Strukturen, ihrer Prozesse und ihrer ökonomischen, kulturellen und sozialen Eigendynamik erfassen kann. Wo im ersten Teil diese Komplexität anhand verschiedener Metropolen und Großstädte phänomenologisch nachgezeichnet wird, geht es im zweiten Teil um die Dimensionen von Komplexität, um die qualitativen Ausprägungen des Begriffs Komplexität. Schließlich wird im dritten Teil der Versuch unternommen, die Quintessenzen aus den beiden vorherigen Teilen in einen Vorschlag für eine komplexe Stadtforschung zusammenzuführen.

Rezension von
Prof. Dr. Detlef Baum
Professor em. Arbeits- u. Praxisschwerpunkte: Gemeinwesenarbeit, stadtteilorientierte Sozialarbeit, Soziale Stadt, Armut in der Stadt Forschungsgebiete: Stadtsoziologie, Stadt- und Gemeindeforschung, soziale Probleme und soziale Ungleichheit in der Stadt
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Es gibt 172 Rezensionen von Detlef Baum.

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Zitiervorschlag
Detlef Baum. Rezension vom 25.08.2009 zu: Frank Eckardt: Die komplexe Stadt. Orientierungen im urbanen Labyrinth. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2009. ISBN 978-3-531-16507-3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7863.php, Datum des Zugriffs 10.12.2023.


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