Yvonne Dolan: Schritt für Schritt ins Leben zurück
Rezensiert von Dr. Michaela Schumacher, 25.01.2010
Yvonne Dolan: Schritt für Schritt ins Leben zurück. Das Leben nach dem Trauma meistern. Carl Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2009. 217 Seiten. ISBN 978-3-89670-706-2. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR.
Thema
Das Buch zeigt in über 50 präzise und adressatenorientiert beschriebenen Übungen, wie traumatisierte Menschen sich Schritt für Schritt in ein erfülltes Leben zurückführen können.Es wendet sich zum einen an Menschen mit traumatischen Erfahrungen und Erlebnissen, die (wieder) unbelastet leben und nicht nur eine Überlebendenidentität entwickeln wollen. Zum anderen kann jeder und jede, die selbstfürsorglich sein wollen, eine Vielzahl der Übungen dafür nutzen.
Autorin
Yvonne Dolan, M.A, arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Psychotherapeutin. Steve de Shazer beschrieb sie als "eine der drei besten lösungsfokussierten Therapeutinnen der Welt." Ihre Arbeit ist eine Integration der Lösungsorientierten Therapie und Ericksons Hypnotherapie. Schwerpunkt ihres therapeutischen Interesse ist die Hoffnung und wie sich diese wider alle schrecklichen Erfahrungen bewahren oder reaktivieren lässt. Sie ist Mitbegründerin und war Präsidentin der Solution-Focused Brief Therapy Association (SFBTA). Sie leitet Seminare in lösungsorientierter Therapie und Ericksonscher Hypnotherapie in den U.S.A., Kanada, Europa, Südamerika und im pazifischen Raum. Nachgesagt wird ihr eine einzigartige Kombination von praktischen Techniken, selbsterklärenden handouts und lebendigen Demonstrationen, interpunktiert durch ihren lebensbejahenden, sanften Humor. Bisher hat sie zahlreiche Artikel in amerikanischen Fachzeitschriften, sechs eigene Bücher und einige gemeinsam mit Steve de Shazer und Insoo Kim Berg veröffentlicht.
Aufbau
Das Buch besteht aus einer Einleitung, vier Teilen mit mehreren Kapiteln, einer Literaturempfehlung.
- Einleitung
- Teil I: Die Gaben der Gegenwart genießen
- Teil II: Eine freudige Zukunft schaffen
- Teil III: Mit den Herausforderungen des Lebens fertig werden
- Teil IV: Unterstützung und weitere Ressourcen
Einleitung
( S.9 – 24) Dolan erläutert die Eingeschränktheit einer Überlebendenidentität als ein Leben aus der eingeschränkten polaren Perspektive erinnert/ähnelt oder unterscheidet sich ein aktuelles Ereignis vom traumatisierenden oder lindert/verstärkt es die Auswirkungen der in der Vergangenheit erlebten Traumata. Sie erweitert die traditionellen zwei Phasen der Traumaverarbeitung um eine dritte.
Phase 1 Identifikation mit der Opferrolle,
d.h. erkennen, dass das Geschehene nicht selbstverschuldet, sondern zugefügt worden ist. Des Weiteren ist bedeutend, sich von der Scham zu lösen und anderen Menschen von dem Geschehenen zu berichten; denn wer verhaftet bleibt, bleibt hilflos, verzweifelt, erlebt sich reaktiv und verharrt in der Passivität.
Phase 2 Entwicklung einer Überlebendenbewusstheit,
d.h. die Stärken zu identifizieren, die das Überleben ermöglichten, zu identifizieren, sie zu würdigen und Zutrauen zu ihnen zu gewinnen. Der subjektive Gewinn ist, das Alltagsleben produktiv und interaktiv zu gestalten.
Phase 3 Aufblühen,
d.h. nicht nur das Überleben, sondern die Gesamtheit des Seins wird wieder ausschlaggebend. Selbstbewusstheit, Selbstgewissheit, Selbstvertrauen, Selbstachtsamkeit und Selbstwert wachsen und reifen.
Ziele des Buches sind:
- das authentische Selbst und seine Möglichkeiten zu erforschen und zu entfalten
- sich zu behaupten und das authentische Selbst zu verwirklichen
- sich mit Gleichgesinnten zu verbünden, sich wechselseitig zu fördern und zu stützen.
Die Übungen – 49 „kleine Schritte“ und 36 „Möglichkeiten“ zur reflexiven Selbstexploration - basieren auf dem lösungsorientierten Ansatz und dem Ericksonschen Utilisationsansatz.
Teil I: Die Gaben der Gegenwart genießen
( S. 25 – 91) Ziel des Kapitels „Lernen Sie Ihr wahres Selbst kennen“ (S. 26 – 50)ist es, sich selbst als Ort der Heilung, Insel der Sicherheit und Beständigkeit zu erfahren und als Quelle aller Teil-Ichs zu erleben. Drei Schritte werden aufgezeigt und mit Praxisübungen unterstützt.
- das wahre Selbst mittels Werten
erforschen (S.26 – 38)
Übungen – Tagebuch, Erinnerungsreise, Schutzengel-Botschaft, Zeitkapsel, Zeitstrahl Lebensgeschichte – - für das eigene Selbst
symbolische Repräsentanzen entwickeln (S.38 – 45)
Übungen – Wappen, Tier, Baum, Totempuppe - das wahre Selbst durch Entspannung
und Spiel finden ( S. 45 50)
Übungen – Mini-Urlaub, Aufmerksamkeitsfokussierung, Entspannung nach Erickson.
Ziel des Kapitels „Willkommen zu Hause!“ (S. 51 – 73) ist es, das Alltagsleben zu Hause nährend zu gestalten, zu sich gut zu sein, positive, persönliche Rituale zu entwickeln, einzuüben und zu pflegen, um von der Geschäftigkeit, der Hektik, des Eingespanntseins u.ä.m. zur Ruhe zu kommen oder umgekehrt. Konkretisierungen sind z.B.
- Tägliche Rituale entwickeln und installieren
- Trost durch Essen – positiv besetzte Kindheitsspeisen und/oder eine eigene Speisentradition, die mental positiv wirkt, entwickeln
- Räume gestalten – durch Farben, Möbel, Bilder und Objekte die eigenen vier Wände zu einem Ort der Schönheit, des Friedens, des Selbst-Ausdrucks und Wohlbefinden machen.
Ziel des Kapitels „Am
Arbeitsplatz mehr Freude erleben“ (S.74 – 91) ist es, die
Lebensqualität am Arbeitsplatz
- Eyecatcher
– Fotos, Objekte -, Pflanzen, Speisen und Getränken - eine freundliche, lebendige, kreative und ruhige Atmosphäre
- die Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens – wertschätzende, freundliche Begegnungen, verändern negativer innerer Selbstaussagen, Zentrierungssymbole, Entspannungstechniken
- die Sinnstiftung der eigenen Arbeit – positive Auswirkungen würdigen, Arbeit als spirituelle Chance
Teil II: Eine freudige Zukunft schaffen
( S. 92 – 140) Ziel des Kapitels „Hoffnungen und Träume“ ( S. 93 – 108) ist es, Hoffnungen, Träume und Ziele in der Tiefe des eigenen Herzens zu erkunden, dem inneren Lebensentwurf bewusst Raum zu geben und den Glauben zu entwickeln, er sei realisierbar. Methodische Impulse dazu sind kreative Imagination – z.B. Brief aus der Zukunft -, Collage des Herzenswunsch, Dankbarkeitstagebuch, einem Modell Einfluss geben.
Ziel des Kapitels „Sie können es! Hoffnungen und Träume Wirklichkeit werden lassen“ (S. 109- 121) ist es, Hoffnungen und Träume der Realität mittels der Übungen Wunderbrücke und Wunderfrage anzunähern und ihre schrittweise Realisierung zu konzipieren und zu controllen.
Ziel des Kapitels „ Die Zeit nutzen“ (S. 122 – 140) ist, das eigene Verhältnis zur Zeit zu identifizieren, die eigene Zeit selbstverantwortlich aktiv zu gestalten, der biologischen Uhr zu folgen und die Wirkkraft der Zeitlosigkeit zu genießen. Unterstützende Übungen sind u.a.: Sterben üben, Zeit symbolisieren, Zeit kontrollieren, Aufräumen und Entschlackung, Innere Uhr, Zeitlosigkeit, Zeit mit Tieren.
Teil III: Mit den Herausforderungen des Lebens fertig werden
( S. 141 – 206) Ziel des Kapitels „ Partner, Eltern, Kinder und erweiterte Familie“ (S 142 – 167) ist es, die eigenen Beziehungen, Beziehungsnetze und das in ihnen Erlebte – Konstruktives und Schmerzhaftes - aufzuklären, ‚neu‘ zu formulieren, um angemessen Grenzen zu setzen, ein unabhängiges Selbstempfinden zu entwickeln und sich selbst zu leiten. Methodische Impulse dazu sind: positive Komplementarität, Beziehungspersonen-Inventar, Eigenständigkeit entwickeln – Unabhängigkeit vom Partner, der Ursprungsfamilie, Konfliktlösung, Beziehungsstärkung, Schutzschild vor weiteren Verletzungen, Übertragungen und Idealisierungen neutralisieren.
Ziel des Kapitels „ Was tun, wenn die Vergangenheit ihr hässliches Haupt erhebt?“ (S 168 – 186) ist es, die traumatisierenden Belastungen der Vergangenheit zu mildern, zu minimieren, aufzulösen und die den schmerzvollen Erfahrungen und ihrer Bewältigung innewohnenden Stärken, Fertigkeiten und Ressourcen zu identifizieren und konstruktiv zu nutzen. Übungen sind: Externalisierung von Flahbacks und verinnerlichte Bilder durch Schreiben, Zeichnen u.ä.m., Negative Botschaften umschreiben, Heilende Briefe, Flussüberquerung,
Ziel des Kapitels „ Über den Umgang mit Regentagen und dunklen Nächten“ (S. 187 - 206) ist es, Phasen emotionaler Dunkelheit als zum menschlichen Leben gehörig zu akzeptieren und durch präventive und situative Selbstfürsorge erträglich zu machen. Vielfältige Anregungen für die fürsorgliche Selbstpflege werden gegeben: z. B. gesund essen, schlafen, baden, sich bewegen, sich massieren lassen, persönliche Rituale, Bewältigungsübertragung, sich abreagieren, Gegenwartsbezug, Pflichtenfrei, Trostbox u.v.m.
Teil IV: Unterstützung und weitere Ressourcen
( S.207 – 214) Ziel des Kapitels „Gründen Sie eine Kleine-Schritte-Unterstützungsgruppe“ ( S. 208 -212) ist es zur Gründung einer Selbsthilfegruppe anzuregen. Konkret und leitfadenähnlich werden die Bedeutung, der Aufbau, die Struktur und Arbeitsweisen einer solchen Selbsthilfegruppe erläutert.
Diskussion
Dolan benennt, was traumatische Erlebnisse bewirken können und exemplifiziert mit einer Vielzahl von eingängigen Fallvignetten. Der Fokus ist darauf gerichtet, nicht nur ÜberlebendeR zu sein, sondern zunehmend ein erfüllendes und volles Leben zu führen. Es gelingt der Autorin, sowohl einfühlend zu erzählen als auch die Perspektive zu wechseln, so dass sie Betroffene direkt anspricht, abholt und einbindet. Die Übungen – „Kleine Schritte“ und „Möglichkeiten“ – sind direkt umsetzbar. An kritischen Stellen empfiehlt Dolan, fachlich professionelle Hilfe – Therapie, Beratung, etc. – hinzuzuziehen. Viele der Übungen sind auch für Nichttraumatisierte produktiv nutzbar, wenn sie sich in der Selbst-Achtsamkeit, Selbst-Fürsorge, Selbst-Ermutigung und Selbstleitung üben und schulen wollen. Auch Beratende und TherapeutInnen finden eine reichhaltige Sammlung von erprobten Übungen für ihre Arbeit.
Fazit
Das Buch ist leicht verständlich und dennoch professionell sauber geschrieben, so dass Jede/Jeder es lesen und für sich nutzen kann. Ein sehr empfehlenswertes Buch.
Rezension von
Dr. Michaela Schumacher
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Zitiervorschlag
Michaela Schumacher. Rezension vom 25.01.2010 zu:
Yvonne Dolan: Schritt für Schritt ins Leben zurück. Das Leben nach dem Trauma meistern. Carl Auer Verlag GmbH
(Heidelberg) 2009.
ISBN 978-3-89670-706-2.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/7984.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
Urheberrecht
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