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Konrad Maier (Hrsg.): Soziale Arbeit in der "Krise der Arbeitsgesellschaft"

Rezensiert von Prof. Dr. Brigitte Stolz-Willig, 04.11.2009

Konrad Maier (Hrsg.): Soziale Arbeit in der "Krise der Arbeitsgesellschaft". FEL Verlag Forschung Entwicklung Lehre (Freiburg) 2008. 278 Seiten. ISBN 978-3-932650-30-7. 19,80 EUR.
Reihe: Unterrichtsmaterialien und Lehrbücher - Band 1.

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Thema

Der vorliegende Band gibt eine Einführung in die Gesamtproblematik der Krise des traditionellen Systems der Erwerbsarbeit mit ihren individuellen und gesellschaftlichen Folgen und liefert einen Überblick über das expandierende Arbeitsfeld Soziale Arbeit mit Arbeitslosen.

Die Entstehung des Bandes geht zurück auf eine Tagung der Katholischen Akademie Freiburg zum Thema „Vom Ende der Arbeit und ihrer Zukunft. Wege aus der Krise der Arbeitsgesellschaft“ und umfangreiche Recherchen der ´Kontaktstelle für praxisorientierte Forschung an der evangelischen Fachhochschule Freiburg.´

Herausgeber und Autoren

Der Herausgeber Konrad Maier, em. Professor für Politikwissenschaft und Sozialarbeitswissenschaft an der Evangelischen Fachhochschule Freiburg, versammelt mit diesem Band Experten und Expertinnen aus der praxisorientierten Forschung, Lehre und Beratung im Berufsfeld der Sozialen Arbeit mit Arbeitslosen.

Zielgruppen

Zunächst für Studierende konzipiert, empfiehlt sich die Lektüre auch für PraktikerInnen, die sich einen Überblick über das Arbeitsfeld verschaffen wollen. Nicht zuletzt bietet der Band zahlreiche Einblicke und Anregungen für Forschende und politisch Verantwortliche in den Feldern der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik.

Inhalt und Diskussion

Im Bundestagswahlkampf 2009 wird das Thema Vollbeschäftigung von allen Parteien als universale Lösung der Krise und einzig zukunftsorientierter Weg gepriesen. Über die Umsetzung des Zieles ebenso wie deren Folgen für Arbeits- und Lebensqualität, soziale Sicherheit und Teilhabe schweigt man sich hingegen aus.

Im Gegenteil, in dem Maße, in dem die Arbeitsmarktperspektiven sich verdüstern, die Sektoren deregulierter und prekärer (Niedrig)Lohnbeschäftigung sich ausweiten und die sozialen Sicherungssysteme weiter unter Druck geraten, feiert der Glaube an die selig machenden Wirkungen der Marktgesellschaft fröhliche Urstände. Politik und Medien übertreffen sich in immergleichen formelhaften Beschwörungen, die Folgen der Arbeitsmarktkrise nicht der Logik entfesselter Kapital- und Finanzmärkte zuzuschreiben, sondern in dem Verhalten der Arbeitslosen, ihren mangelnden Arbeitstugenden und fehlender Eigenmotivation und –verantwortung die zu bekämpfenden Ursachen festzumachen.

In diesem Widerspruchs- und Spannungsfeld zwischen soziökonomischer Krisenentwicklung und dem nicht hinterfragten politischen und ideologischen Überbau einer (Erwerbs)Arbeitsgesellschaft muss sich Soziale Arbeit – dies ist die leitende These des vorliegenden Bandes – neu positionieren. Mit dem klassischen Doppelmandat zwischen Politik und Klientel lasse sich, so der Herausgeber Konrad Maier, der professionelle Auftrag der Sozialen Arbeit, verstanden als Gesamtsystem von beruflicher Praxis, Wissenschaft und Ausbildung, nicht mehr problemadäquat beschreiben, vielmehr bedürfe es eines autonomen Mandates auf der Grundlage eines demokratischen Staats- und Politikverständnis.

Die Beiträge des Bandes lassen sich den verschiedenen Handlungsebenen der Mikro-, Meso- und Makroebene zuordnen und geben damit einen vertieften und der Komplexität der Problemstellung entsprechenden Überblick über das Handlungsfeld der Sozialen Arbeit mit Arbeitslosen. Indem die Handlungsebenen und –ansätze der Sozialen Arbeit mit Arbeitslosen aber durchgängig auf dem Hintergrund einer sozialwissenschaftlichen und sozialphilosophischen Auseinandersetzung mit den Paradoxien der (Erwerbs)Arbeitsgesellschaft und ihren Verwerfungen und sozialen Problemen erfolgt, öffnet sich darüber hinaus der Blick auf eine gesellschaftskritische Deutung und Debatte um die Zukunft der Arbeit. Damit wird ein Diskurs der frühen 80er Jahre um die Krise und Zukunft der Arbeit aufgegriffen und wieder belebt – und das ist das zentrale Verdienst des Buches – der mit dem Paradigma des aktivierenden Sozialstaates und seiner schlichten Philosophie des „Hauptsache Arbeit“ schon entsorgt schien.

Der einleitende Beitrag von Konrad Maier gibt einen Überblick über die historische Herausbildung der (Erwerbs)Arbeitsgesellschaft und ihren krisenhaften Entwicklungen. Diskurse um die Deutung der Krisenprozesse und ihrer Bewältigung werden vorgestellt und kritisch hinterfragt.

Mit dem anschließenden Beitrag von Michael Opielka, einem langjährigen Verfechter der Vision Grundeinkommen, werden Konzeptionen sozialer Gerechtigkeit anhand historischer Ethik und Gerechtigkeitsprinzipien untersucht. Als Grundlage der Bewertung unterschiedlicher Konzeptionen entwickelt er die „Leitidee des Garantismus“, welche sich neben dem Versorgungsgedanken vor allem auf die Sicherstellung adäquater sozialer Teilhabe konzentriert.

Die einleitenden Artikel sind ideengeschichtlich und sozialethisch angelegt und bilden die Rahmung für die folgenden Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, die sich detailliert mit Geschichte, Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit in dem expandierenden Arbeitsfeld der Sozialen Arbeit mit Arbeitslosen auseinandersetzen. Dabei wird zum einen deutlich, dass Soziale Arbeit über ein differenziertes Handlungsrepertoire verfügt, das von der Einzelfallhilfe über kommunale und sozialraumorientierte Ansätze bis zum Aufbau einer alternativen, lokalen Ökonomie reicht.

Deutlich wird aber auch, dass die Aufgabe der Sozialen Arbeit, den KlientInnen zu einer Lebensführung zu verhelfen, die der Würde des Menschen entspricht, durch die arbeitsmarktpolitischen und sozialpolitischen Vorgaben immer schwerer einlösbar wird.

Fazit

In der gegenwärtigen Krise der Arbeitsgesellschaft gerät die Soziale Arbeit in Gefahr, sich eine defizitorientierte Sichtweise der Ursachen und Folgen von Arbeitslosigkeit zueigen zu machen und sich ganz in den Dienst des gesellschaftlichen Auftrages der Integration in das Erwerbsleben zu stellen. Deshalb ist die Soziale Arbeit mehr denn je gefordert, Kontroversen über das professionelle Selbstverständnis und das ethische und gesellschaftspolitische Fundament der eigenen Arbeit sichtbar zu machen und sich sozialpolitisch zu positionieren und zu profilieren. Dazu liefert der vorliegende Band einen guten Beitrag.

Rezension von
Prof. Dr. Brigitte Stolz-Willig
Fachhochschule Frankfurt/Main, Fachbereich Soziale Arbeit und Gesundheit
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Es gibt 8 Rezensionen von Brigitte Stolz-Willig.

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ISSN 2190-9245