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Charlene Li, Josh Bernoff: Facebook, YouTube, Xing & Co

Rezensiert von Dr. Stefan Anderssohn, 04.11.2009

Cover Charlene Li, Josh Bernoff: Facebook, YouTube, Xing & Co ISBN 978-3-446-41782-3

Charlene Li, Josh Bernoff: Facebook, YouTube, Xing & Co. Gewinnen mit social technologies. Hanser Verlag (München) 2009. 294 Seiten. ISBN 978-3-446-41782-3. 24,90 EUR.
Originaltitel: Groundswell.

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Der "Groundswell": Unternehmen, Konsumenten und das Web 2.0

Thema dieses Buches ist der so genannte "Groundswell", und so lautet auch der amerikanische Titel des Werkes. – Ein Fachbegriff, für den es im Deutschen leider keine adäquate Entsprechung gibt, so dass der Buchtitel der Übersetzung etwas irreführend daherkommt.

"Groundswell" bedeutet so viel wie "Anschwellen", "Grundströmung" oder "Dünung" und bezieht sich hier auf die dynamische Wirkung von "Social Technologies" – besser auch als "Web 2.0" bekannt. Internetmedien wie Soziale Netzwerke, Blogs, Foren oder Wikis in der Hand von Konsumenten verändern grundlegend die Beziehung zwischen Unternehmen und ihren (potentiellen) Kunden: Eine millionenschwere Medienkampagne beispielsweise garantiert längst nicht mehr die Kontrolle über das Firmenimage. Stattdessen verbreiten sich Erfahrungsberichte über Produkte und Dienstleistungen außerhalb der PR-Wege rasch über das Internet. Insgesamt ist diese öffentliche und direkte Kommunikation mit den Konsumenten eine veritable Herausforderung für das Marketing. Sie birgt aber auch eine große Chance. Kurzum: Angesichts der „Naturgewalt“ des Groundswells dürfen Unternehmen nach Ansicht der Autoren nicht länger abwarten. Wie sie sich den Groundswell aktiv zunutze machen können, um ihre Produkte zu verbessern, mit ihren Kunden ins Gespräch zu kommen oder sie zu motivieren und zu unterstützen, wollen Li und Bernoff in ihrem Buch zeigen.

Autorin und Autor

Charlene Li ist unabhängige Beraterin und war ehemals Analystin und Vizepräsidentin von Forrester Research, einem international agierenden Marktforschungsinstitut, das auf IT-Technologie spezialisiert ist. Li ist Expertin für soziale Medien und Marketing.

Josh Bernoff ist als Senior Vice President und Principal Analyst ein wichtiger Ideengeber bei Forrester Research. Er hat seit 1996 wesentlich zur Entwicklung des "Social Technographics Profile" beigetragen, welches auch als Modell für die Analysen des vorliegenden Buches dient.

Aufbau und Inhalt

Nach der Einleitung, die einen strukturierten Überblick über die Inhalte der einzelnen Kapitel bringt, gliedert sich der Hauptteil des Buches in drei große Teile:

"Den Groundswell verstehen" – der erste Teil – umfasst drei Kapitel, die einen strukturierten Überblick über die Wirkung sozialer Medien auf die Unternehmenswelt geben:

  • Kapitel 1: "Weshalb der Groundswell – und weshalb gerade jetzt?" definiert dieses Phänomen als einen sozialen Trend, "bei dem die Leute Technologien benutzen, um das, was sie brauchen, voneinander zu bekommen statt von traditionellen Institutionen wie Unternehmen" (S. 16). Dabei handele es sich nicht um ein Strohfeuer, sondern um eine nachhaltige Entwicklung, auf die es zu reagieren gelte.
  • Die Dynamik des Groundswells mit der Weisheit und Eleganz eines asiatischen Kampfsportlers zu nutzen, ist die Botschaft in "Ju-Jutsu und die Groundswell-Technologien": Das zweite Kapitel befasst sich daher ausführlich mit den Web 2.0-Medien: Sozialen Netzwerken, kollaborativen Technologien (z.B. Wikis), Foren, Tagging, RSS und Widgets (Informations-Tools). Zudem geben Li und Bernoff Kriterien an die Hand, mit deren Hilfe sich abschätzen lässt, ob neue Technologien – wie z.B. Twitter – geeignet sind, den Groundswell zu transportieren.
  • Das dritte Kapitel wendet sich mit dem "Social Technographics Profile" den Menschen zu, welche Groundswell-Technologien benutzen. Bernoff und Li unterscheiden sechs Internetnutzergruppen anhand festgelegter Kriterien, je nachdem, wie aktiv sie sich in den Groundswell einbringen: Die Autoren unterscheiden beispielsweise zwischen Personen, die selbst Inhalte im Internet veröffentlichen (so genannte "Kreatoren") und "Kritikern" (die bestehende Inhalte kommentieren und bewerten), ferner zwischen Mitgliedern in sozialen Netzwerken ("Mitmacher"), passiven Internet-Konsumenten und Inaktiven. An Fallbeispielen und anhand empirischer Daten demonstrieren Li und Bernoff, dass verschiedene Zielgruppen ganz unterschiedliche Profile aufweisen.

Die "Erschließung des Groundswells" ist das Thema des zweiten Buchteils, bei dem es dann um Strategien geht, die auf der empirischen Analyse von Beispiel-Zielgruppe mit dem "Social Technographics Profile" aufbauen:

  • Sich über eigene Ziele und die Profile der Kunden im Klaren zu sein ist eine Hauptaussage des vierten Kapitels "Strategien für die Erschließung des Groundswells": Dazu skizzieren die Autoren fünf verschiedene Konzepte, die in den nachfolgenden Kapiteln entfaltet werden.
  • "Dem Groundswell zuhören" ist die erste Strategie, die das Thema des fünften Kapitels bildet und deren Erfolg weitgehend von dem Anteil produktiver Internetnutzer in der Zielgruppe abhängt. Dabei geht es darum, Konsumenten in Onlineforen und Communities das Wort zu geben und die Kommunikation untereinander anzuregen. Was Li und Bernoff an Beispielen aus dem medizinischen Bereich und aus dem Automobilmarketing illustrieren.
  • "Mit dem Groundswell sprechen" ist dann in logischer Konsequenz eine weitere Erschließungsstrategie, die darauf abzielt, über Videos, Blogs, Communities und Beteiligung an Netzwerken potentielle Kunden direkt anzusprechen. Anhand von Beispielen aus dem Marketing von Hygieneartikeln bis hin zu Computerfirmen stellen Bernoff und Li diese Strategie dar.
  • Wenn es in Kapitel sieben um die "Energisierung des Groundswells" geht, dann spielen hier vor allem Communities eine große Rolle. Hier motivieren Internetnutzer durch Produktbewertungen und gegenseitigen Austausch andere potentielle Kunden. Die Autoren zeigen, wie dieser Prozess durch Groundswell-Instrumente unterstützt werden kann – quasi als "Mundpropaganda" des Web 2.0.
  • Dass ein Computerunternehmen ein Support-Forum zu Hardwarefragen einrichtet, um Kunden zu helfen und die Hotline zu entlasten, ist an sich nichts Neues. Kapitel acht, "Dem Groundswell helfen, sich selbst zu unterstützen", beschreibt aber noch weitere kollaborative Möglichkeiten, Menschen in besonderen Lebenssituationen zu unterstützen und ihnen wichtige Informationen zukommen zu lassen.
  • Die hohe Schule der Internet-Strategie ist schließlich die "Integration des Groundswells". In Kapitel neun zeigen Li und Bernoff, wie verschiedene Firmen den Groundswell derart integriert haben, dass sie wertvolle Anregungen gewinnen, ihre Produkte und ihr Unternehmen weiterzuentwickeln.

Der dritte Teil des Buches – "Transformation durch den Groundswell" – befasst sich daher mit den Rückwirkungen, welche die Nutzung der Sozialen Medien für Unternehmen mit sich bringt, und macht damit deutlich, dass der Einstieg in den Groundswell keine Einbahnstraße darstellt.

  • Dies ist auch das Thema von Kapitel 10: "Wie die Verbindung mit dem Groundswell Unternehmen transformiert": Denn der Einstieg in Soziale Technologien und die stärkere Kundenorientierung wird ja um den Preis eines teilweisen Kontrollverlustes erkauft. Was sich allerdings nicht zum Nachteil auswirken muss, wie Li und Bernoff zeigen.
  • Aber nicht nur der Groundswell „draußen im Internet“, sondern auch "Der Groundswell in Ihrem Unternehmen", ist in Kapitel 11 im Fokus der beiden Autoren. Dabei geht es um Strategien, den Mitarbeitern im Unternehmen über die bereits erörterten Sozialen Medien eine Möglichkeit zur Partizipation, Kollaboration und zur gegenseitigen Unterstützung zu geben.
  • Im letzten Abschnitt, Kapitel 12, geben Li und Bernoff einen Ausblick auf "Die Zukunft des Groundswells" – natürlich mit der Prophezeiung: "Groundswell überall" (S. 253). Eingebettet in ein fiktives Zukunftsszenario skizzieren die Autoren die Allgegenwart des Groundswells für Unternehmen und postulieren sieben Prinzipien, welche die Übernahme der Groundswell-Philosophie erleichtern sollen.

Zielgruppe

Im engeren Sinne zielt die Veröffentlichung auf alle Entscheidungsträger in Agenturen und Unternehmen ab, die mit der Planung und Realisierung von Onlineangeboten befasst sind, z.B. im Bereich Kundenbetreuung, Marketing oder Public Relations. Aufgrund der universal einsetzbaren Analysen eignet sich das Buch aber auch für Personen in Non-Profit-Organisationen, die mit der Planung von Onlinekampagnen betraut sind.

Lehrenden und Studierenden aus dem Bereich Werbung, Medien- und Kommunikationswissenschaft bzw. aus der Wirtschaftsinformatik bietet das Buch eine interessante – theoretische wie praktische – Perspektive auf das Feld der Social Technologies.

Diskussion

Auch wenn das Thema – hieran ist der deutsche Titel nicht ganz unschuldig – zunächst etwas "technologielastig" klingt, so geht es bei dem vorliegenden Buch doch in der Hauptsache um Menschen, Beziehungen und Kommunikation: Die Autoren beurteilen den Groundswell nicht aus einer technologischen Machbarkeits-Perspektive heraus, sondern unter der Prämisse, wie Menschen Internet-Technologie in sozialen Kontexten nutzen. Anstatt dabei Allgemeinplätze zu bemühen, zeigen Li und Bernoff mit dem "Social Technographics Profile" einen empiriebasierten, klar strukturierten und ebenso praxisorientierten Ansatz auf, dieses Nutzungsverhalten zu verstehen und zielgruppenspezifisch auf den Groundswell zuzugehen. Obwohl das Buch marktwirtschaftlich orientierte Unternehmen im Fokus hat, halte ich die dort vorgestellten Analyseinstrumente auch für die Onlinestrategien von Non-Profit-Organisationen für sehr geeignet.

Allerdings werden auch in der Übersetzung des Buches hauptsächlich Fallbeispiele aus dem nordamerikanischen Raum behandelt, sodass für mich offen bleiben muss, in welchem Umfang die einzelnen Strategien auf europäische Internetnutzer übertragbar sind. Eingedenk möglicher kultureller Unterschiede wären aus meiner Sicht auch Fallbeispiele aus dem deutschsprachigen Raum sehr interessant gewesen. Aber auch gescheiterte Online-Projekte zu analysieren hätte der Best-Pratice-Darstellung einen erhellenden Aspekt hinzugefügt.

Stilistisch ist das Buch kurzweilig und eingängig geschrieben: Es gibt abwechslungsreiche Falldarstellungen, und oft kommen auch die Internetnutzer oder Entscheidungsträger mit ihren Originalbeiträgen zu Wort. Dies verleiht dem Ganzen eine gewisse Authentizität und stilistische Lockerheit, die man aus dem Web 2.0 kennt. Der stellenweise auftretende Enthusiasmus von Li und Bernoff war für mich etwas gewöhnungsbedürftig. Andererseits arbeiten die Autoren souverän mit empirischen Daten, einem griffigen Modell und einem reichhaltigen Erfahrungsschatz an Fallbeispielen, so dass ich trotz des "Easy Readings" nicht den Eindruck von Oberflächlichkeit hatte.

Bleibt anzumerken, dass das Buch die innere Struktur des Themas auch nach außen widerspiegelt: Die einzelnen Teile sind stringent aufeinander aufgebaut und werden logisch miteinander verknüpft. Ein umfangreicher Anmerkungsteil sowie Register zu den Fallbeispielen (gruppiert nach Branchen und Strategien/Sozialen Medien) und ein Personen- und Sachregister sorgen dafür, dass das Buch auch zum späteren Nachschlagen genutzt werden kann.

Wer angesichts des Titels einen konkreten Ratgeber zur Nutzung von Facebook oder Youtube erwartet, wird enttäuscht sein. Vielmehr geht es auf der Meta-Ebene um die zielgruppenspezifische, strategische Nutzung von Sozialen Medien. Li und Bernoff zeigen nicht nur, dass Social Technologies funktionieren, sondern vor allem auch, warum dies im konkreten Fall so ist. Sympathisch ist dabei, dass für beide Autoren der Mensch im Vordergrund steht. Dies ist die hervorragende Stärke des Buches, die das Werk wahrscheinlich auch nach einigen Jahren technischen Fortschritts noch lesenwert machen wird.

Fazit

Li und Bernoff entfalten einen strukturierten Ansatz, mit dem Unternehmen verschiedene Zielgruppen über das Internet durch Soziale Medien erreichen und differenziert einbinden können. Dabei geht es zwar auch um Technologien – im Mittelpunkt des praxisorientierten und authentisch geschriebenen Buches stehen aber die Menschen, die im "Web 2.0" interagieren und kommunizieren.

Rezension von
Dr. Stefan Anderssohn
Sonderschullehrer an einer Internatsschule für Körperbehinderte. In der Aus- und Fortbildung tätig.
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Es gibt 47 Rezensionen von Stefan Anderssohn.

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Zitiervorschlag
Stefan Anderssohn. Rezension vom 04.11.2009 zu: Charlene Li, Josh Bernoff: Facebook, YouTube, Xing & Co. Gewinnen mit social technologies. Hanser Verlag (München) 2009. ISBN 978-3-446-41782-3. Originaltitel: Groundswell. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8159.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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