Christiane Weber: Stiftungen als Rechts- und Ausdrucksform [...]
Rezensiert von Prof. Dr. Stefan Schaub, 21.09.2009
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Christiane Weber: Stiftungen als Rechts- und Ausdrucksform bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland. Nomos Verlagsgesellschaft (Baden-Baden) 2009. 239 Seiten. ISBN 978-3-8329-3866-6. 54,00 EUR. CH: 90,90 sFr.
Ein neues Werk zum Stiftungsrecht
Die Stiftung hat seit etwa 1997 erhöhte Aufmerksamkeit in der politischen Diskussion gefunden. Gesetzliche Reformen von 2000, 2002 und 2007 führten zu Verbesserungen der Rahmenbedingungen der Gründung und Führung einer Stiftung und zum vermehrten Einsatz dieser Rechtsform auch und gerade in der Sozialen Arbeit. Der (nicht klar abgrenzbare) Begriff der „Bürgerstiftung“ zielt seit einigen Jahren auf ein breites Engagement von (nicht nur besonders wohlhabenden) Bürgern in dieser Rechtsform.
Die Verfasserin stellt die aktuellen Erscheinungsformen der Stiftung umfassend dar und gibt einen lehrbuchartigen, vertieften Überblick über Rechtsformen der Stiftung, einschließlich der unselbständigen Stiftung und von Ersatzformen. Der „Bürgerstiftung“ widmet sie ebenso ein eigenes Kapitel wie Fragen der Motivation von Stiftern und der Datenlage im Stiftungswesen.
Wer schreibt so etwas?
Ist die Verfasserin also eine Rechtsdozentin, die ein Lehrbuch zum Stiftungsrecht geschrieben und auf Wunsch des Verlages im Titel mit dem modernen Begriff des „Bürgerschaftlichen Engagements“ verbunden hat? Nun, nicht ganz. Die Verfasserin hat sich im Rahmen ihres Studiums der Sozialen Arbeit in weit überdurchschnittlichem Umfange Rechtskenntnisse angeeignet, ihre praktischen Erfahrungen in stark rechtlich geprägten Arbeitsfeldern erworben und sodann ihre Diplomarbeit an der „KFH Köln“, der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln, geschrieben. Diese Arbeit wurde sodann für die Publikation nochmals erweitert und aktualisiert.
Ist das alles?
Nun, erneut nicht ganz: Während die Prüfungsordnungen für eine Diplomarbeit in der Regel eine Bearbeitungszeit von drei Monaten vorsehen, hat die Verfasserin „Feuer gefangen“ und einen weit größeren Umfang ihrer Lebenszeit in die Vorbereitung und Ausarbeitung ihres Themas gesteckt – ein Mühen, welches nicht nur die beste denkbare Note sondern auch die Veröffentlichung ihrer Arbeit in einem hoch angesehenen Verlag unter altruistischer Förderung der Publikationskosten nach sich zog. Das Ergebnis: Ein Werk, welches diese Förderung und Publizität auch verdient! Ein Werk, in das mehr Schweißtropfen und Kompetenz investiert sind als in viele andere. Ein lohnendes Werk!
Aufbau
Die vom Bundestag im Dezember 1999 eingesetzte Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ bezeichnete in ihrem im Jahre 2002 erschienenen Bericht Stiftungen als „die ältesten noch bestehenden Organisationen bürgerschaftlichen Engagements“ (BT-Drucksache 14/8900, S. 116). Die Verfasserin ist also nicht die erste, den seit einigen Jahren verwendeten Sammelbegriff des „bürgerschaftlichen Engagements“ mit der historisch schon seit Jahrhunderten bekannten Institution der Stiftung zu verbinden. Sie hat die umfangreiche Arbeit der Enquete-Kommission, zu deren Umsetzung der Bundestag einen eigenen Unterausschuss gebildet hat, vorgefunden und nutzt sie als Ausgangspunkt ihrer Arbeit: Sie übernimmt die Definition des „Bürgerschaftlichen Engagements“ aus diesem Bericht und analysiert ihre Tatbestandsmerkmale, die Reichweite des Begriffs und die subsumierbaren Formen freiwilligen und gemeinwohlorientierten Handelns.
Mit den Stichworten der „Gemeinnützigkeit und Steuerentlastung“ steuert sie sodann zu wesentlichen Säulen der Förderung des Stiftungswesens hin und kommt dann zum eigentlichen Kern ihrer Arbeit, der Darstellung der aktuellen Erscheinungsformen der Stiftung und ihrer vielfältigen rechtlichen Probleme. Hier ist die Fülle der behandelten Rechtsfragen angesiedelt; hier wurde ausführlich recherchiert, aufbereitet, diskutiert und in hervorragend flüssiger sprachlicher Form präsentiert, was heute für die Soziale Arbeit (und ein Stück weit auch darüber hinaus) im Stiftungswesen von Interesse ist. Hier finden sich lesenswerte gut 160 Seiten (S. 57-220) mit 23 Tabellen, einer tiefen Gliederung und einer klaren Zusammenfassung.
Inhalte
Die Überschriften
- Begriff und Wesen der Stiftung (3 Seiten)
- Stiften und Stiftung im historischen Rückblick (26 Seiten)
- Die rechtsfähige Stiftung des bürgerlichen Rechts (19 Seiten)
- Die unselbstständige Stiftung (10 Seiten)
- Die Stiftungsersatzformen (9 Seiten)
- Zu Typologie und Erscheinungsformen der Stiftung (12 Seiten)
- Die Bürgerstiftung (12 Seiten)
- Transparenz und Datenlage im Stiftungswesen (10 Seiten)
- Daten und Fakten zur selbstständigen Stiftung bürgerlichen Rechts (20 Seiten)
- Beweggründe, Profil und Engagement von Stiftern (32 Seiten)
- Zusammenfassung (10 Seiten)
mögen für sich sprechen: Eine ausgewogene Darstellung des Stiftungswesens mit einer Konzentration des Blickes auf die aktuellen rechtlichen Entwicklungen, welche die Stiftung für viele Bereiche der Gesellschaft und nicht zuletzt für die Soziale Arbeit interessant machen.
Wo positioniert sich die Arbeit?
Zur Stiftung bürgerlichen Rechts ist im 19. Jahrhundert das Konzept entwickelt und kodifiziert worden, dass durch Gründungsakt und staatliche Anerkennung eine quasi unsterbliche juristische Person gebildet wird, bei der dem Stifterwillen untergeordnete Verwaltungsorgane die Erfüllung des Stiftungszweckes sichern.
Diese Konzeption des Rechtsinstituts garantiert neben ihrer Dauerhaftigkeit, dass heutigen und künftigen Destinatären gleichermaßen Vermögenserträge zur Verfügung stehen. In einer Zeit der Krise von Umlagesystemen, welche heutige wie spätere Generationen notwendigerweise belasten, ist das Gebot der Vermögenserhaltung im Stiftungsrecht eine Art Rettungsanker vorausschauender Planung. So nimmt es nicht Wunder, dass die Stiftung als Institution zum Refugium von Fideikommiss-Nachfolgern, von Familienstiftungen, Unternehmensträgerstiftungen, unternehmensverbundenen Stiftungen (auch als Stiftung & Co. KG), Kulturstiftungen, Trägern von Stiftungshochschulen etc. wurde. Kirchliche und kommunale Stiftungen und Anstaltsstiftungen treten hinzu.
Dass es dabei nicht blieb, ist einer staatlichen ermutigenden Einflussnahme zu verdanken, welche die oben bereits erwähnte Enquete-Kommission wie folgt beschreibt: „In dieser Hinsicht sind einige „problematische Lesarten“ im Umlauf, die von der Kommission ausdrücklich nicht geteilt werden. Hierzu gehört etwa eine Vorstellung vom „aktivierenden Staat“, der eine einseitige Beeinflussungsbeziehung zur Gesellschaft unterhält, etwa in dem Sinne, dass eine als überwiegend passiv vorgestellte Gesellschaft durch den Staat erst aktiviert werden müsse. Ebenso wird die Vorstellung nicht geteilt, wonach sich ein überwiegend als „freiheitsberaubend“ eingeschätzter Staat möglichst weitgehend zurücknehmen solle, um eine sich selbst regulierende, selbst genügsame Gesellschaft aktiver Bürgerinnen und Bürger zur Entfaltung kommen zu lassen. Gemeint ist vielmehr ein Verständnis des „ermöglichenden Staates“, der bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben „auf Augenhöhe“ mit den unterschiedlichsten bürgergesellschaftlichen Akteuren kommuniziert und kooperiert. Unterstellt wird also eine gleichberechtigte Wechselbeziehung zwischen einem „ermöglichenden“ Staat auf der einen Seite und einer immer schon aktiven, Verantwortung übernehmenden Bürgergesellschaft andererseits.“ (ebd. S. 243)
Mit anderen Worten: Die Stiftung wird als Rechtsform breiteren Bevölkerungskreisen erschlossen und in der Sozialen Arbeit operabel. Dies hat die Verfasserin wahrgenommen und dies zeigt die Arbeit auf. Diese Aktualität spiegelt sich in den verwendeten Begriffen und den behandelten Themen: gemeinnützige Stiftungen, operative und Förderstiftungen, Verbrauchsstiftungen, Gemeinschaftsstiftungen, Bürgerstiftungen etc. Für diesen Bereich der Fortentwicklung des Stiftungswesens ist die Arbeit das passende „Lehrbuch“.
Fazit
Will man sich kundig machen (und auch Ideen sammeln), wie man sich das Stiftungswesen im Dritten Sektor unserer Gesellschaft nutzbar machen kann, sollte man an diesem Werk nicht vorbeigehen.
Rezension von
Prof. Dr. Stefan Schaub
Dozent für Bürgerliches Recht (incl. Familien- und Jugendrecht)
Katholische Hochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Köln, Fachbereich Sozialwesen
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