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Thorsten Bohl, Hanna Kiper (Hrsg.): Lernen aus Evaluationsergebnissen

Rezensiert von Dr. Monika Wilkening, 07.11.2009

Cover Thorsten Bohl, Hanna Kiper (Hrsg.): Lernen aus Evaluationsergebnissen ISBN 978-3-7815-1677-9

Thorsten Bohl, Hanna Kiper (Hrsg.): Lernen aus Evaluationsergebnissen. Verbesserungen planen und implementieren. Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung (Bad Heilbrunn) 2009. 309 Seiten. ISBN 978-3-7815-1677-9. 19,90 EUR.

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Herausgeber

Dr. Thorsten Bohl ist Professor für Erziehungswissenschaft/Schulpädagogik am Institut für Erziehungswissenschaft in Tübingen.

Dr. Hanna Kiper ist Professorin für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt ´Theorie und Praxis des Sekundarbereichs I´ am Institut für Pädagogik in Oldenburg

Aufbau

Das Buch ist in 8 Kapitel mit jeweiligen Unterkapiteln unterteilt:

  1. Einführung
  2. Lernen aus Evaluationsergebnissen – Grundlegende Überlegungen
  3. Umgang mit Lernstandserhebungen und Schulleistungsstudien
  4. Lernen aus Evaluationsergebnissen – Vom Wissen zum Handeln
  5. Widerstand, Belastung und Kritik
  6. Lernen aus Evaluationsergebnissen – Zur Professionalität von Lehrkräften
  7. Lernen aus Evaluationsergebnissen – Zur Rolle von Schulleitung und Schulaufsicht
  8. Fazit

Einführung

Thorsten Bohl, Hanna Kiper: Lernen aus Evaluationsergebnissen – Verbesserungen planen und implementieren, S. 9-12

Das Buch stellt Aufsätze zur Veranstaltung „Lernen aus Evaluationsergebnissen - Verbesserungen planen und implementieren“ von der Bildungsmesse Didacta in Stuttgart am 20. und 21.2.2008 zusammen. Allen Beiträgen unterliegt die Auffassung, dass Schulen und ihre Lehrer vor der Aufgabe stehen, ihre Leistungen in Selbst- und Fremdevaluation systematisch zu erheben und auszuwerten. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Bildungsmonitoring des Schulsystems sollen zielgerichtete und wirksame Innovationen geplant werden. Die mit den Evaluationen verbundenen Fragen werden in diesem Buch unter verschiedenen Blickwinkeln diskutiert. Am Ende jedes Einzelbeitrags befindet sich eine ausführliche Literaturliste.

Lernen aus Evaluationsergebnissen – Grundlegende Überlegungen

Hanna Kiper: Schulentwicklung im Rahmen von Kontextsteuerung – Welche Hinweise geben (durch Evaluation und Vergleichsarbeiten gewonnene) Daten für ihre Ausrichtung?, S. 13-28 Kiper beschreibt die Stellung von Schule in der Wissensgesellschaft, dabei die Anforderungen an Lehrer als „Wissensarbeiter/innen“. In dieser Gesellschaft wird auf wissensbasierte Formen der Steuerung von Schule gesetzt ebenso wie Modelle zur Umsetzung der staatlichen Verantwortung für Schule (Rahmensteuerung).
Kontextsteuerung bedeutet, dass die Aufgaben an die Schule delegiert werden (z. B. die aus den internationalen Vergleichsstudien erwachsenen Bildungsstandards bzw. Kerncurricula). Dort sollen die Lehrkräfte die Qualität ihrer eigenen Arbeit erfassen, , mit vorgegebenen Zielen abgleichen und Verbesserungen planen. Schulen erhalten dazu mehr Eigenverantwortung. Die Leistungen der Einzelschule werden auch über externe Evaluation erfasst. Schulen entwickeln sich auf der Basis von Daten., die von innen und außen gesammelt werden und dann mithilfe von externen Evaluatorinnen und Evaluatoren diskutiert und weiterentwickelt werden.
Die Lehrer müssen über neue Wissensformen verfügen: Wie werden Daten erhoben und ausgewertet? (methodisches Wissen) – Das Diagnosewissen fragt nach den erwarteten Leistungen der Schule in verschiedenen Dimensionen. Auch theoretisches Wissen über die äußeren Umstände ist relevant, um die erhobenen Daten interpretieren zu können. Wertwissen handelt von der Wertschätzung bestimmter Vorstellungen, Ziele.
In allen Evaluationen wird die Ist-Situation wird der Soll-Lage gegenübergestellt.
Zentral dafür sind Managementkonzeptionen, z.B. die Führungsprinzipien, -techniken und -instrumente der Schulleitung u.v.m. - Schulentwicklungsprozesse sind durch präzise Zielsetzungen präzise überprüfbar. Jeder Einzelne ist eingebunden in die Verantwortung, aktiv daran teilzunehmen. Die Schulleitung leitet oder managt alle Schulentwicklungsprozesse.
Das neue Verständnis der Lehrkraft von ihrem Beruf wird erweitert: S. 26: „Lehrkräfte müssen von der Idee Abschied nehmen, sie könnten mit hinreichendem Wissen und Können in die Schule einmünden; stattdessen müssen sie sich auf einen Prozess lebensbegleitenden Lernens einstellen, bei dem nicht nur Wissen angeeignet, verarbeitet, gespeichert und angewendet werden muss, sondern neues Wissen zu generieren ist. … Dabei ist – neben Wissen über Verfahren der Datenerhebung und Datenauswertung – auch Problemlösewissen erforderlich… Lehrkräfte stehen nicht nur vor der Aufgabe, Kenntnisse über die Schule als Organisation und über formale Schulentwicklungsprozesse zu erwerben, sondern mit diesem spezifischen Wissen Schulentwicklung in verschiedenen Dimensionen und damit verbundenen Unterrichtsentwicklung und Curriculumentwicklung zu gestalten.“

Gertrud Hovestedt: Externe Evaluation und datengestützte Schulentwicklung – Eine Bestandsaufnahme in den Bundesländern, S. 29-41. Nach einer Entwicklungs- und Erprobungsphase folgte die Regelphase, die die Beteiligung der Schulen obligatorisch macht (Ausnahme: Thüringen). Die institutionelle Zuständigkeit ist in den Ländern unterschiedlich geregelt; es gibt Landesinstitute oder verschiedene zuständige Behörden. Die Evaluation wird von einem Team durchgeführt, die nach landeseigenen Referenzrahmen evaluieren. Ergebnis ist ein schriftlicher Bericht, oft verbunden mit Empfehlungen, oft wird die Schulbehörde mit einbezogen. Nach der Evaluation sind die Vorgehensweisen unterschiedlich: Oft werden Zielvereinbarungen zwischen Schule und Schulaufsicht getroffen. Nach Abschluss soll ein überwiegend schulinterner Prozess beginnen. Ob er beginnt, ist meist der Schule selbst überlassen.

Lutz von Rosenstiel: Schulentwicklung auf der Basis von Evaluationsergebnissen – Inwiefern können Schulen aus der Organisationspsychologie lernen? S. 43-59. Hier werden Informationen zur Organisationspsychologie (=Wissenschaft vom menschlichen Erleben und Verhalten in Organisationen, wo Menschen arbeitsteilig bestimmte Ziele verfolgen) und exemplarisch zu zwei Interventionsfeldern, der Personalentwicklung und dem Change Management (=aktive Beeinflussung eines für das Unternehmen tief greifenden Wandels, strategisch ausgerichtet, einen Wandel der Unternehmenskultur implizierend) gegeben.

Georg Lind: Amerika als Vorbild? Erwünschte und unerwünschte Folgen aus Evaluationen. S. 61-79. Wir haben u.a. aus den USA standardisierte Schulleistungstests übernommen, was dort vor 40 Jahren begann. Lind erläutert viele Unterschiede zu Bildung und Evaluation in der amerikanischen Gesellschaft. Evaluation wird in den USA akzeptiert,,l jedoch steht die Frage im Raum, welchen Zielen Evaluation dienen soll und was die wissenschaftlichen Methoden sind. Gegensätze verlaufen zwischen Personen- und Programm-Evaluation.
Lind berichtet von den typisch amerikanischen Schultests mit Tricks der Datenschönung, um staatliche Normen zu umgehen. Es existiert ein Missverhältnis zwischen überhöhten Anforderungen an Schule und den verfügbaren Ressourcen für eine tatsächliche Verbesserung. Trotz oder vielleicht gerade wegen der vielen Tests werden die Leistungen amerikanischer Schüler eher schwächer.

Umgang mit Lernstandserhebungen und Schulleistungsstudien.

Britta Kohler: Umgang von Lehrer/innen, Eltern und Schulaufsicht mit Ergebnissen internationaler Schulleistungsstudien. S. 81-96. Es wird viel darüber diskutiert, das besagt allerdings nichts über Tiefe, Qualität und Folgen dieser Diskussionen. Besonders die Rezeption durch Lehrer ist wenig untersucht. Dies wird erläutert am Beispiel der TIMSS-Studie. Kohler berichtet von Abwehrmechanismen durch Lehrer, die jede Veränderung verhindern.

Michael Neubrand: Von den „großen“ Studien zur Umsetzung „im Kleinen„: Welche (mathematik-didaktischen) Impulse können Lehrer/innen aus „PISA & Co.“ ziehen? S. 97-112.. Die großen Studien sind keine Entwicklungsprojekte, die unmittelbar auf Verbesserung des Fachunterrichts ausgerichtet sind. Sie haben zunächst eine System-Perspektive: Sie geben einen Überblick über Aspekte im Gesamtsystem. Bei PISA gibt es weitere Funktionen: Z.B. ist es notwendig, Überlegungen zur Qualität der geforderten Kompetenzen und zu ihrer konkreten Umsetzung in Aufgaben explizit darzustellen und zu begründen. Es geht darum, auf dem Kenntnisstand der jeweiligen Fachdidaktik aufzubauen und diesen umgekehrt nach Kenntnis empirischer Daten weiterzuentwickeln. Das geschieht nicht immer.
Zwei Fragen können von Lehrern konkret umgesetzt werden: Gibt es zuverlässige Verfahren, die Leistungen der Schüler in einer konkreten Klasse adäquat zu erfassen? Ist die Art der Unterrichtsgestaltung und Leistungserfassung mit den jeweiligen persönlich-reflektierten Vorstellungen zur fachlichen Bildung kompatibel?
Hier zeigt sich der konkrete Zusammenhang zwischen den großen Studien und der Entwicklungsarbeit von Aufgaben im Kleinen. Das wurde besonders von PISA aufgenommen. Subskalen von Kompetenzen wurden gebildet. 2004 wurden die Bildungsstandards von der KMK erlassen, keine didaktisch begründeten Abhandlungen, sondern schulpolitische Statements. Die Diskussion der theoretischen Basis, die unter fachdidaktisch orientierte Leistungserfassungen zu legen ist, kommt noch immer zu kurz zugunsten von immer mehr Beispielaufgaben.
„Aufgabe“ als Werkzeug für Tests und Unterricht wird ausführlich definiert.

Julia Schneewind und Harm Kuper: Rückmeldeformate und Verwendungsmöglichkeiten der Ergebnisse aus zentralen Lernstandserhebungen. S. 113-129. Ergebnisrückmeldungen im Anschluss an Lernstandserhebungen sind ein methodisches Problem: Sie müssen Informationen über Leistungen von Schülern transportieren, die Anlass für die Reflexion der Praxis und Möglichkeiten der Schlussfolgerung über die Effektivität dieser bieten, die zur Schul- und Professionsentwicklung genutzt werden können; sie müssen aber auch verständlich und handhabbar sein, um praktische Verwendung zu ermöglichen.
Ziele werden durch Bildungsstandards formuliert, die sich nicht nur auf Unterrichtsinhalte begrenzen, sondern den Abschluss schulischer Lehr-Lern-Prozesse zeigen. „Die Vorgabe von Bildungsstandards bezieht die Inputseite in den Steuerungsprozess ein. Sie setzt gleichzeitig Kriterien für die Beurteilung des Outputs, der als Effekt der systeminternen Prozesse interpretiert wird… Auch sind vom Output aus Rückfragen an die Angemessenheit und Vergleichbarkeit der Handlungsvoraussetzungen des Systems, also den Input, zu stellen.“ (S. 115)
Der Gewinn wissenschaftlicher Evaluation liegt in der methodischen Systematisierung. Durch Datenaggregation kann ein Vergleich vorgenommen werden. Meist werden die Lernstandserhebungen im Querschnittdesign durchgeführt. Ein Beispiel einer Studie zum Umgang mit Ergebnisrückmeldungen durch Lehrer wird vorgestellt. Das überraschende Ergebnis ist Reflexion, nicht automatisch verändertes Handeln. Am Ende ziehen Schneewind und Kuper Schlussfolgerungen für die Gestaltung der Ergebnisrückmeldung.

Uwe Maier: Professionelle Nutzung von Vergleichsarbeiten? -. Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie mit Lehrkräften in Baden-Württemberg. S. 131-144.. Vergleichsarbeiten sind eine Folge der großen Studien. Sie dienen zu Schul- und Unterrichtsentwicklung an Einzelschulen. Geeignete Förder- und Unterstützungsangebote sollen entwickelt werden.
Trotz empirischer Befunde über Schwierigkeiten hat Deutschland Vergleichsarbeiten eingeführt. Die Rückmeldung wird gar nicht oder nicht unbedingt zur Unterrichtsentwicklung genutzt.
In Baden-Württemberg wurden Diagnose- und Vergleichsarbeiten 2005/06 flächendeckend eingeführt. Befragt wurden Lehrkräfte der Jahrgangsstufen 2 und 6. Die Ergebnisse der Studie werden zu den folgenden Themen dargestellt:

  • Reflexion über Unterricht und abgeleitete Konsequenzen
  • Schulinterne Kommunikation
  • Kommunikation mit Eltern

Die Ergebnisse sind ziemlich erschreckend. Sie zeigen auch, wie schwierig es ist, mit einem externen Steuerungsinstrument die internen Prozesse zu beeinflussen.

Lernen aus Evaluationsergebnissen – Vom Wissen zum Handeln.

Winfried Hacker: Grundlagen der Maßnahmenplanung und Maßnahmenverwirklichung in Schulentwicklungs- und Lehrprozessen – Mentale Modelle. S. 145-154. Auch schulische Veränderungsprozesse werden durch mentale Modelle geführt. Je unvollständiger und ungenauer diese Ziele und Maßnahmenentwürfe sind, desto langwieriger und unbefriedigender ist die Verwirklichung der Veränderungsprozesse. Ein bewährtes Hilfsmittel zum Erarbeiten der erforderlichen psychischen Tätigkeitsgrundlage wird skizziert. Die einzelnen erforderlichen Grundlagen für die erfolgreiche Planung und Umsetzung der Veränderungsmaßnahmen werden konzeptionell eingeordnet, dargestellt und ihre praktische Handhabung wird angedeutet.

Diethelm Wahl: Wie kommen Lehrer/innen vom Wissen zum Handeln? S. 155-167 >Handeln lässt sich durch bloße Wissensaufnahme nicht modifizieren.
Für das Misslingen dieser Versuche werden die „inneren Bilder“ von Situationen und Aktionen herangezogen, die sich der Experte Lehrer zum Handeln bildet. Wegen derer enormen Änderungsresistenz erscheinen Aus-, Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen weitgehend unwirksam, da man in Strukturen eingreift, die selbst dem Akteur weitgehend verborgen bleiben.
Der Aufsatz beschreibt, wie nachhaltig die „inneren Bilder“ modifiziert werden können: durch vielfältige Formen des Bewusstmachens, des Problematisierens und der Konfrontation; durch Selbstreflexionen zu eigenem Erleben als Lernende/r mit anschließendem Perspektivenwechsel; durch Bewusstmachungswirkungen des „pädagogischen Doppeldeckers„; durch Selbstbeobachtung in realen schulischen Situationen; durch Erleben spontanen eigenen Handelns mit der Methode „Szene-Stopp-Reaktion„; durch Verändern handlungsleitender subjektiver Theorien durch Hinzufügen von Expertenwissen und Entwickeln neuer Problemlösungen; durch Überführen neuer Handlungsalternativen in die implizite Handlungssteuerung; durch detailliertes Planen von Handeln. Dazu werden Modelle mit geringer Kompetenzdistanz benötigt, Vorsätze und Erinnerungshilfen müssen gebildet werden, die neuen Handlungsalternativen müssen real erprobt werden, social support wird benötigt (Praxis-Tandem oder –Kleingruppe).
Die zwei Funktionen von Lehrerbildnern sind nicht nur Wissenschaftler sondern auch Gestalter wissenschaftlicher Lernumgebungen.

Nicole Hollenbach: Leistungsvergleichsdaten als Ausgangspunkt von Praxisforschung und Schulentwicklung: Das Beispiel Laborschule Bielefeld. S. 169-184. Von Hentigs pädagogisches Konzept, Forschungs- und Entwicklungsauftrag werden dargestellt, Lehrerforschung von 1970 bis heute, externe Evaluation als möglicher Ausgangspunkt für schulinterne Weiterentwicklung, .Mathematik an der Laborschule wird beforscht, Geschlechterdifferenzen in der Lesekompetenz der Jahrgänge 5 und 6, Leistungsaspiration der Schüler/innen.
Dies ist ein Beispiel, wie eine Schule externe Evaluationsergebnisse nutzt, durch eigenständige Forschungs- und Entwicklungsarbeit konstruktiv wendet und Folgefragen definiert und weiter bearbeitet.

Widerstand, Belastung und Kritik

Gisela Steins: Widerstand von Lehrern gegen Evaluationen aus psychologischer Sicht. S. 185-195br />Evaluation mit darauf folgendem Widerstand wird zunächst definiert. Ein konstruktiver Umgang mit Widerstand ist angedacht. Die Reaktanztheorie besagt, dass Menschen versuchen, die – in diesem Falle durch Evaluation - bedrohte Freiheit wieder herzustellen. Dazu können Menschen direkt oder indirekt Widerstand ausüben.
Der Aufsatz diskutiert, wie Veränderungen eingeführt werden können, ohne Widerstand zu produzieren.
Ähnlich ist es mit Kontrolle: Menschen wollen Zustände und Ereignisse in sich selbst und ihrer Umwelt kontrollieren. Bei Kontrollverlust ist das Verhalten und Erleben beeinträchtigt. Auch hier muss die Akzeptanz z.B. durch intensives Erklären, durch Partizipation, durch gute Organisation hergestellt werden. Besonders gefährdet sind Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl.
Die vorangehenden Ausführungen zeigen, dass in deutschen Schulen bei der Einführung von Evaluationen einige zentrale Postulate verletzt worden sind und Widerstand verständlich ist. Schlimme Reaktionen dagegen sind zu erwarten.

Ulf Kieschke: Belastungsanalyse und Organisationsdiagnostik in Schulen. Über den Umgang mit dem Evaluationsinstrument ABC-L. S. 197-205. Die Belastung des Berufs ist von Schule zu Schule unterschiedlich. Deshalb muss die organisationsdiagnostische Kompetenz vor Ort gestärkt werden.
Das Evaluationsinstrument des „Arbeits-Bewertungs-Checks für Lehrkräfte“ wird vorgestellt.

Wolfgang Böttcher: Was leisten Evaluationen für die Qualitätsentwicklung? S. 207-217.. Können Schulen diesen Anspruch erfüllen?
Schulevaluationen haben z.Zt. Hochkonjunktur. Schulen haben an externen Evaluationsverfahren mitzuwirken und interne Evaluationen durchzuführen. Dies soll schulische Qualität regelmäßig überprüfen. PISA, Vergleichsarbeiten, zentrale Abschlussprüfungen, Schulinspektion und Selbstevaluation werden kritisch betrachtet.
Böttcher vertritt die These, dass die mit „Evaluation“ bezeichneten Maßnahmen auf Kontrolle der Schule abzielen und viel zu wenig die Maßnahmen der Verbesserung ansprechen, die in den Mittelpunkt gehören.
Ausführlich definiert er Evaluation, stellt 5 Typen von Programmevaluation vor und Standards der Evaluation vom Joint Committee on Standards for Educational Evaluation Standards.

Lernen aus Evaluationsergebnissen – Zur Professionalität von Lehrkräften

Karl-Oswald Bauer: Professionelles Selbst, Evaluieren und Innovieren. S. 219-238. Hier geht es um das Lernen und die professionelle Entwicklung von Lehrern. Welchen Einfluss haben Evaluationen auf das „professionelle Selbst“? Bauer stellt dazu ein Mehrebenenmodell für Entwicklungsbedingungen vor. Zentrum dieses Aufsatzes sind die Ebenen „Schule, Lerngruppe, Individuen“.
Die professionelle Kompetenz entwickelt sich weiter durch eine reflektierte Praxis. Evaluation ist eigentlich ein Element davon, kann aber nur funktionieren, wenn begleitend Beratung und kollegiale Unterstützung vorhanden sind., Das professionelle Selbst entsteht im Laufe des Entwicklungsprozesses, die häufig gestört werden. Eine Art von Störungen können Ängste sein, die auch bei Evaluationen hervorgerufen werden können. Pädagogische Selbstwirksamkeitsüberzeugungen sind subjektiv. Das professionelle Selbst bemüht sich, subjektive Wahrnehmungen zu objektivieren und mitzuteilen. Ebenso wird ein Verstehen des Gegenüber angestrebt.
Bauer referiert empirische Studien, die einen Zusammenhang zwischen Innovation und Evaluation in der Lehrerarbeit besteht. Die Einstellung von Lehrern ist eher der internen als der externen Evaluation positiv gegenüber eingestellt. Evaluation leistet zum dauerhaften Einverstandensein mit sich selbst und seinem Beruf einen wesentlichen Beitrag.

Reinhold Miller:Die Bedeutung von Kommunikation und zwischenmenschlicher Beziehung in Evaluationsprozessen. S. 239-251. Bei der Selbstevaluation eines Kollegiums und der Fremdevaluation durch externe Experten sind viele verschiedene Aktionen und Reaktionen möglich, und zwar während der Evaluation, bei Mitteilung der Ergebnisse und den Folgen in Schule und Unterricht.
Miller beschreibt kommunikative Grundregeln, die Kunst des Zuhörens; er gibt Empfehlungen zur Förderung des Verstehens; er hebt die Wichtigkeit des Feedbacks hervor. Er beschreibt Beurteilungen und Beurteiler, Enttäuschungen und Enttäuschte, Kritik und Streit, gibt Tipps zum Umgang mit Widerstand und endet mit der Wendung zur Kooperation.

Charles Landert: Lehrersein – ein lebenslanger Prozess der Professionalisierung? Zur Wirksamkeit von Lehrerweiterbildung und ihrer Evaluation. S. 253-266. Nach Beendigung der Ausbildung setzt sich der Prozess des lebenslangen Lernens fort: Gelerntes muss erprobt und in Bezug auf die Praxistauglichkeit eingeschätzt werden, de persönliche Unterrichtsstil gefunden werden, die Einpassung ins Kollegium sich vollziehen. Lehrerweiterbildung sind alle Aktivitäten zum Erhalt, Weiterentwickeln und Verbessern der Unterrichtsbefähigung, der Tauglichkeit für die Organisation Schule sowie zum Offenhalten des Horizontes von Lehrpersonen.
Landert berichtet in diesem Aufsatz über das Lernen aus Evaluationsergebnissen an Schweizer Schulen von 1994 bis 1998.

Lernen aus Evaluationsergebnissen – Zur Rolle von Schulleitung und Schulaufsicht

Martin Bonsen: Führung, Delegation und ´distributed leadership´- Unterrichtswirksame Schulleitung in Zeiten der datengestützten Schulentwicklung. S. 267-282. Die Bedeutung der Schulleitung wird diskutiert, was Schulleitungen an guten Schulen gut machen, (z.B. zielbezogene Führung, Innovationsförderung, Partizipation in der Entscheidungsfindung, Organisationskompetenz). Das sensible Thema „Führung“ wird erläutert, auch in Bezug auf Unterrichtsqualität. Was ist eine unterrichtswirksame Schulleitung? Wie kann Schule gestaltet statt verwaltet werden? Was ist „Distributed Leadership“? Die moderne Schule wird also zur gemeinsamen Herausforderung.

Bert Märkl: Lernen aus den Ergebnissen der Schulinspektion – Welche Konsequenzen sind für Schule und Unterricht zu ziehen? S. 283-297.. In diesem Aufsatz geht es um die Niedersächsische Schulinspektion, deren Verfahren und deren Akzeptanz werden erläutert.

Heidemarie Ballasch: Aus Vergleichsarbeiten lernen. S. 299-304. Vergleichsarbeiten sind – wie internationale Schulleistungsuntersuchungen und zentrale Überprüfung der Bildungsstandards – zentrale Instrumente für das Bildungsmonitoring. Die Definition von Vergleichsarbeiten ist, dass sie zentrale Arbeiten mit landeseinheitlichen Aufgabenstellungen sind, die jeder Schule eine Rückmeldung über den erreichten Leistungsstand geben sollen. Sie sind eine Hilfe für die Selbstevaluation im Sinne der Qualitätsentwicklung. Vier Schritte in der Folge auf die Vergleichsarbeiten werden vorgestellt: Zunächst erfolgt die Diagnose, dann die Diskussion möglicher Ursachen, dann werden Folgerungen daraus gezogen, zuletzt die umgesetzten Maßnahmen evaluiert.

Fazit des Herausgebers

Thorsten Bohl: Unter welchen Bedingungen ist Lernen aus Evaluationsergebnissen möglich? S. 305-309. Folgende Bedingungen aus den Beiträgen erscheinen günstig für einen erfolgreichen Umgang mit Evaluationsergebnissen: Evaluationen müssen sensibel bzgl. Bildungspolitischer Entscheidungen behandelt werden. Die Aufgaben von Schulverwaltung und Schulaufsicht haben sich erweitert. Feedback muss zeitnah erfolgen. Kenntnisse, Wissen und Handlungsmöglichkeiten sind lebenslang entwicklungsfähig. Formate von Lehrerfortbildung müssen überdacht werden. Zwischen wissenschaftlich konzipierten Testaufgaben und fachdidaktischen Aufgaben muss vermittelt werden. Der berufliche Alltag von Lehrkräften ist in zeitlich-organisatorischer Hinsicht reformbedürftig. Bildungspolitik hat seit der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie einen hohen Stellenwert erhalten. Die neuen Überlegungen machen den Diskurs zwischen Schul- und Unterrichtsforschung und den Testformaten, der Allgemeinen Didaktik, Unterrichtstheorie und Fachdidaktik, auch mit Blick auf die Erweiterung des theoretischen und konzeptionellen Denkens über Schule und Unterricht, notwendig.
Es besteht ein eklatantes Ungleichgewicht zwischen Ressourcen, die für Verfahren der Datenerhegung eingesetzt werden und Ressourcen, die Konsequenzen aus Evaluationen unterstützen.

Das Buch endet mit einem Autorenverzeichnis.

Fazit

Das Buch ist in seiner Vielfältigkeit interessant und wichtig zu lesen für Lehrkräfte, Schulleiter, Schulverwaltung, Bildungspolitiker, Wissenschaftler im Bildungsbereich. Sein Ziel ist es, nicht bei Feststellen von Evaluationsergebnissen stehen zu bleiben, sondern Hintergründe zu beleuchten und konkrete Verbesserungen auf Mikro-, Meso- und Makroebene vorzuschlagen. Gesamttenor ist für alle an Schule Beteiligten der lebenslange Lernprozess.

Rezension von
Dr. Monika Wilkening
Gymnasiallehrerin, Autorin von Aufsätzen zur Fremdsprachendidaktik, zur Pädagogik, zu Entwicklungen von Feedback im Unterricht und Autorin von Fachbüchern zu Lernhaltungen und Lernprozessen im Unterricht.
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Es gibt 16 Rezensionen von Monika Wilkening.

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Zitiervorschlag
Monika Wilkening. Rezension vom 07.11.2009 zu: Thorsten Bohl, Hanna Kiper (Hrsg.): Lernen aus Evaluationsergebnissen. Verbesserungen planen und implementieren. Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung (Bad Heilbrunn) 2009. ISBN 978-3-7815-1677-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8309.php, Datum des Zugriffs 09.12.2024.


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