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Alexander Redlich (Hrsg.): Konflikt-Moderation in Gruppen

Rezensiert von Dr. Michaela Schumacher, 27.11.2009

Cover Alexander Redlich (Hrsg.): Konflikt-Moderation in Gruppen ISBN 978-3-937444-18-5

Alexander Redlich (Hrsg.): Konflikt-Moderation in Gruppen. Eine Handlungsstrategie mit zahlreichen Fallbeispielen und Lehrfilm auf DVD. Windmühle Verlag (Hamburg) 2009. 279 Seiten. ISBN 978-3-937444-18-5. 34,50 EUR.
Reihe: Moderation in der Praxis - Band 2.

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Autor und sein Hintergrund

Alexander Redlich ist Psychologe und Sozialpädagogik. Er war Grundschullehrer und ist seit 1976 Hochschullehrer an der Universität Hamburg mit dem Lehrgebiet Pädagogische Psychologie. Schwerpunkte in Lehre und Praxis sind Beratung und Training in den Feldern Kommunikation, Kooperation und Konflikt in Gruppen und Organisationen und die Förderung von ausgrenzungsgefährdeten Kindern, Jugendlichen und ihren Familien.

Aufbau

Das Buch hat zwei Vorworte - vom Verleger und vom Autor -, ein Fallbeispiel als Einführung (Konflikt im Vorstand, S. 9-20), fünf Kapitel, Schlusswort, Literaturverzeichnis, Anhang und eine LehrDVD.

Kap. 1 Konfliktvermittlung: die dritte Kraft

(S. 21-28) Die dritte Kraft ist der/die Moderierende. Deren Wirkkraft liegt darin, eine positive Atmosphäre zu schaffen, Argumentationen zu strukturieren, Kommunikation zu entschleunigen und zu entschärfen, Zuhören, Perspektivenwechsel, Bezugnahme und Aufeinandereingehen zu ermöglichen und den Prozess zu moderieren und zu mediasieren. Konfliktmoderation wird als Führung durch ein schwieriges Gelände mit sechs Gefahren vorgestellt.

Der „Nebel falscher Vorstellungen“ ist zu lichten durch die Erarbeitung klarer Ziele und Ausrichtung, durch Rollenklärung aller Beteiligten, durch Klärung des Rahmens – Zeit, Ort, Umfang und Kosten.

In der „Wüste der Fassaden“ geht es zum einen um die Kontaktaufnahme zu jedem/jeder Einzelnen und um die Förderung des Kontaktes miteinander auf der Basis eines authentischen Selbstausdrucks.

Der „Sumpf der Ziellosigkeit“ wird durchschritten durch eine differenzierte Identifikation der Konfliktthemen und der Vereinbarung der Reihenfolge ihrer Bearbeitung und des Procedere.

Das „Dickicht der Argumente“ wird durchsichtig durch eine zunächst getrennte und differenzierte Entfaltung der konträren Positionen, der Auflösung und Erdung der emotionalen Verstrickungen und ein wechselseitiges Verstehen der Positionen im Dialog.

Das „Gebirge der Sturheit“ ist zu besteigen durch ein getrenntes und/oder gemeinsames Ausloten von Lösungsoptionen und Aushandeln von Lösungswegen.

Die „Ebene der Folgenlosigkeit“ lässt sich überwinden durch einen Risikocheck, Installieren eines Frühwarnsystems, einen Präventions- und Alternativplan.

Kap. 2 Zentrale Begriffe und ihre Bedeutung in diesem Buch

(S. 29-41) Folgende Schlüsselbegriffe – Konflikt, Positionen, Interessen und Hintergründe, Hintergrundgefühle, Mediation und KonfliktModeration, Moderation vs. KonfliktModeration, Aufgaben-Probleme-Konflikte - werden einzeln, in ihrem Zusammenhang und ihrer Wechselwirkung erläutert. Zentral ist es ein selbstbestimmtes, gleichwertiges, positives und differenziertes Selbstbild zu fördern. Denn meistens reagieren wir konflikthaft, wenn jemand sich erdreistet, uns zu sagen, wie wir uns zu sehen haben.

Kap. 3 Die soziale Architektur von Gruppen: Grundlagen der Teamentwicklung

(S. 43-112) 3.1 stellt vor und erläutert das „Stützpunktkonzept“; ein Vier-Faktorenmodell – Aufgabenwahrnehmung, Beziehungsgestaltung, Aktivität und Regulierung des inneren Erlebens -, Themenfelder der Kommunikation – kognitive, soziale, aktionale und emotionale Modalität.

3.2 beschäftigt sich mit der Diagnose von Gruppen anhand dreier Elemente der Sozialen Architektur – der Bauplatz als Spielraum des Verhaltens, das Fundament als die normativen Orientierungen und die Positionen als Rollendefinition bzw. -klärung– im Prozess einer „Bauprüfung“, der Mitgliedschaft und Führung/Leitung.

3.3 bearbeitet die Zusammenhänge zwischen Teamentwicklung und Konflikt, der Wirkkraft von Konflikten für die Teamentwicklung und verdeutlicht die Konflikteskalationen nach Glasl in einem Fallbeispiel.

Kap. 4 KonfliktModeration

(S. 113-222) Vorgestellt wird in

4.1. eine verständigungsorientierte Handlungsstrategie, Design, Moderationskonzept;

4.2 ein Sechs-Schritte-Modell zur Konfliktlösung:

  1. Transparente Auftragsgestaltung – Rollen, Richtung, Rahmenbedingungen -;
  2. Kontakt stiften – Mut zur Offenheit wecken und stärken -;
  3. Konfliktthemen bestimmen und eine zielgerichtete Übersicht schaffen – erforderliche Unterscheidungen: Probleme und Konflikte, Individuelle Interessen und gemeinsame Themen, Wünsche und Ansprüche, Positionen und Hintergründe. Das Procedere, die wirklichen Konfliktthemen zu identifizieren, wird Schritt für Schritt differenziert, unterstützt durch Visualisierungen, methodische Impulse und Praxisbeispielen erläutert;
  4. Klärung der Sichtweisen und ihrer jeweiligen Hintergründe, d.h. welche sachlichen und sozio-emotionalen Konfliktaspekte im Lösungsprozess bearbeitet werden sollen. Zwei Personenkonflikte werden zunächst vom Moderator mit jeder Konfliktpartei mittels des „Inneren Teams“ - anhand mehrerer Beispiele – aufgeklärt, um dann im moderierten direkten Dialog – die Gruppe als Resonanzkörper nutzend – den Konflikt unter Verwendung unterschiedlicher Methoden z.B. doppeln, resonieren etc. zu lösen. Methodische Impulse für Beziehungskonflikte sind das „Rollenverhandeln“ nach Harrison, „gemischtes Doppel“ nach Watzke, für Lagerkonflikte z.B. das „fishbowl – Szenario. Ziel ist es immer, dass jeder weiß, worum wer aus welchen Beweggründen streitet und die Beteilgten sich wechselseitig respektieren oder gar wertschätzen. Erst wenn die sozio-emotionalen Konfliktaspekte – vorwiegend mit transformativen Ansätzen - geerdet sind, ist ein Klima geschaffen, um die sachlichen Konflikte anzugehen.
  5. Kreative Lösungen aushandeln – neue Ideen entwickeln und konkrete Maßnahmen entwickeln. Als Orientierung dienen dem Moderator die Konfliktstile nach De Dreu. Die Leitfrage dieses Schrittes lautet „Was soll/muss jede Seite tun, damit der Konflikt gelöst wird?“(196) Mittels kreativitätsfördernden Methoden – z.B. Brainstorming, Expanding the pie, specific compensation, nonspecific compensation, cost cutting u.ä.m. – werden sowohl Denkblockaden gelöst als auch ungewöhnliche, wirklich neue Ideen erzeugt. Vorschläge und Ideen werden hinsichtlich ihrer Relevanz und Akzeptanz gemeinsam gewichtet und bewertet und/oder ein Prioritätenvergleich wird vorgenommen und/oder jede Konfliktseite überlegt, wie sie der anderen Seite entgegenkommen kann und welches Entgegenkommen von der anderen Seite erwartet wird. Letzteres verlangt oft mehrere Aushandlungsrunden. Dieser Schritt sollte mit einem Handlungs-/Umsetzungsplan enden.
  6. Umsetzung sichern – Risiken abwägen und Maßnahmen korrigieren. Leitend ist hier die Frage „Was kann schief gehen und wie kann es verhindert oder korrigiert werden?“ (212). Beschrieben und erläutert werden Risikoanalyse, Frühwarnsystem, Prävention, Alternativplanung, Einbindung nicht Anwesender durch Informationstransfer. Die Konfliktbearbeitung endet mit der Erkundung der Chancen für die Zukunft und/oder mit einem Stimmungsbild.

Kap. 5 Kernkompetenzen des Moderators – Was muss man können (und sein)?

(S. 223-256) Der Moderator ist weder Führungskraft noch Richter noch Vermittler, sondern faciliator, der „die Konfliktparteien anleitet, maßgeschneiderte Lösungen zu finden.“ (223) Benannt werden die Kernkompetenzen der Konfliktmoderation.

5.1. widmet sich der Selbstklärung zwecks innerer Ausgewogenheit mittels des „Inneren Teams“. Zentrale Aspekte sind:

  • „Leitung – Balance von Strukturgebung und Prozessflexibilität“,
  • „Allparteilichkeit – Balance von verständnisvoller Verbundenheit und neutraler Distanz“,
  • „Qualitätssicherung - Balance von geduldigem Lösungsaufschub und aktiver Lösungsfindung“,
  • „Gefühlsmanagement – Balance von Versachlichung und mutigem Gefühlsausdruck“.

5.2 setzt sich mit den praktischen Fähigkeiten eines professionellen Konfliktmoderators auseinander, illustriert sechs Leitlinien für die Konfliktmoderation und behandelt abschließend grundlegende kommunikative Kompetenzen:

  1. Strukturieren – transparentes und flexibles Vorgehen;
  2. Verstehen – mehrperspektivisch aktiv und aufmerksam zuhören, Fragetechniken einsetzen, zum Erzählen ermutigen, Verstehen durch Spiegeln der Wertvorstellungen, Wünsche und Gefühle überprüfen und sichern;
  3. Faires Streiten ermöglichen und sprachliche Fouls konsequent ahnden;
  4. Schwierige Gefühle im Konflikt bearbeiten: Doppeln – wie das jeweils geht, wird schrittweise und gut nachvollziehbar erläutert.

Fazit

Das Buch ist für Studierende ein Lehrbuch, für Anfänger ein Handbuch, für Erfahrene eine gegliederte Methodensammlung. Kompetent und differenziert führt der Autor in die Konfliktmoderation ein und beleuchtet dabei nicht nur die Komplexität und Vielschichtigkeit von Konflikten, sondern bietet eine Vielzahl von Fallvignetten zur Illustrierung und einen gut sortierten Methodenkoffer an. Das Buch überzeugt und ist lesenswert nicht nur für die Zielgruppen, sondern auch für alle, die nicht nur Konflikte, ihre Entwicklung, ihre Vielschichtigkeit und die in ihnen ruhenden Chancen besser verstehen wollen, sondern auch eine positive Grundeinstellung Konflikten gegenüber entwickeln wollen. Ausdrücklich warnen möchte ich aber davor, es als Rezept zu verwenden, bevor man die vorgestellten Methoden nicht nur kennt, sondern auch eingeübt hat.

Rezension von
Dr. Michaela Schumacher
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Zitiervorschlag
Michaela Schumacher. Rezension vom 27.11.2009 zu: Alexander Redlich (Hrsg.): Konflikt-Moderation in Gruppen. Eine Handlungsstrategie mit zahlreichen Fallbeispielen und Lehrfilm auf DVD. Windmühle Verlag (Hamburg) 2009. ISBN 978-3-937444-18-5. Reihe: Moderation in der Praxis - Band 2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8317.php, Datum des Zugriffs 14.09.2024.


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