Anja Lüthy, Uta Buchmann: Marketing als Strategie im Krankenhaus
Rezensiert von Prof. Dr. Steffen Fleßa, 11.05.2010

Anja Lüthy, Uta Buchmann: Marketing als Strategie im Krankenhaus. Patienten- und Kundenorientierung erfolgreich umsetzen. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2009. 328 Seiten. ISBN 978-3-17-020404-1. 45,00 EUR. CH: 75,90 sFr.
Autorinnen
Die Herausgeberinnen des Buches sind Anja Lüthy und Uta Buchmann. Gundel Köbke und Eva-Maria Hübner haben jeweils einen Beitrag geleistet. Anja Lüthy ist Diplompsychologin und Diplomkauffrau und hat eine Professur für Betriebswirtschaftslehre im Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Brandenburg. Sie ist spezialisiert auf Dienstleistungsmanagement und Dienstleistungsmarketing. Darüber hinaus arbeitet sie nebenberuflich als Trainerin und Coach, u. a. in Krankenhäusern. Uta Buchmann ist Leiterin der Unternehmenskommunikation der Schlossparkklinik und der Parkklinik Weißensee in Berlin. Die Diplompsychologin hat auch Gesundheitswissenschaften studiert und hat Lehraufträge an Fachhochschulen zum Thema Öffentlichkeitsarbeit und Marketing inne. Die Juristin Gundel Köbke ist Beraterin für Medien und Kommunikation und arbeitet u. a. für mehrere Krankenhäuser, den deutschen Ärztinnenbund sowie einige Zeitschriften. Frau Eva-Maria Hübner ist Rechtsanwältin und auf Medizinrecht spezialisiert. Darüber hinaus arbeitet sie als freiberufliche Journalistin und PR-Beraterin in dieser Branche.
Entstehungshintergrund
Im Marketing von Gesundheitsdienstleistern treffen sich zwei sehr unterschiedliche Welten. Zum einen sind hier Marketingspezialisten tätig, die in anderen Sektoren ausgebildet wurden und ihre Kenntnisse und Erfahrungen in Krankenhäuser, Praxisnetze oder medizinische Versorgungszentren einbringen. Für sie ist es häufig völlig unverständlich, warum Marketing im Gesundheitswesen bislang praktisch keine Rolle spielt und sehr viele Ärzte, Pflegende und sogar Kaufleute im Gesundheitswesen sich dem Marketingzugang verweigern. Zum anderen bringen die eben genannten Berufsgruppen eine hohe Expertise aus dem Gesundheitswesen ein und fragen sich immer öfter, wie sie ihren originären Auftrag der Gesundheitsdienstleistung besser erfüllen und ihre Einrichtungen wirtschaftlich überlebensfähig halten können. Eine umfassende Kommunikation, die beiden Gruppen gerecht wird, befindet sich erst im Aufbau. Dies kann u. a. daran liegen, dass bislang kaum Konzeptionen zum Marketing im Gesundheitswesen und insbesondere im Krankenhaus vorliegen. Häufig reden Marketingexperten vom Krankenhaus, ohne dieses wirklich zu kennen, und die Krankenhausexperten lehnen Marketingkonzeptionen ab, ohne deren Inhalt tatsächlich verstanden zu haben. Es ist deshalb dringend notwendig, eine Marketinglehre für das Krankenhaus zu entwickeln und hieraus Strategien für die nachhaltige Dienstleistung in diesem Betriebstyp abzuleisten. Das vorliegende Buch möchte diese Forschungslücke schließen und insbesondere für Praktiker einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Krankenhausbetriebslehre leisten.
Aufbau und Inhalt
Das vorliegende Buch gliedert sich in zehn Kapitel, wobei eine konzeptionelle Beziehung der Kapitel aufeinander nicht immer erkenntlich ist.
Im ersten Kapitel (Patientenorientierung im Wandel: Warum Marketing längst überfällig ist) geben die Autorinnen eine gut nachvollziehbare Begründung, warum sie dieses Thema für zentral halten und sie dieses Buch geschrieben haben. Überzeugend ist hierbei das Argument, das Marketing gerade für die Patienten von großer Bedeutung ist und deshalb auch dem Auftrag einer Einrichtung des Gesundheitswesens überhaupt nicht widerspricht.
Im zweiten Kapitel (Dienstleistungsmarketing: Was die Besonderheiten im Vergleich zum Produktmarketing sind) führen die Autorinnen anhand von Beispielen aus, dass eine reine Sachgüterorientierung im traditionellen Marketing für das Krankenhaus nicht adäquat ist, jedoch in Form der bereits etablierten Dienstleistungsorientierung eine Konzeption zur Verfügung steht, die durchaus auf das Krankenhaus übertragen werden kann und auch dessen ethischen Anspruch gerecht wird. Im dritten Kapitelwird die strategische Perspektive des Marketings beschrieben.
Unter der Überschrift „Strategisches Marketing: Warum Marketing mit einer Strategie beginnt“ wird die Grundkonzeption des strategischen Marketings dargelegt. Hierzu gehören SWOT- und Portfolio-Analysen, Konkurrenzanalysen, Softwareprogramme, Marketing-Controlling und Beispiele aus der Praxis.
Man würde erwarten, dass die nächsten Kapitel den klassischen Marketing-Mix aus Produkt-, Kommunikations-, Distributions- und Preispolitik umfassen. Der Schwerpunkt der Ausführungen der Kapitel vier bis acht liegt allerdings eindeutig auf der Kommunikationspolitik.
Im vierten Kapitel (Kommunikationspolitik. Unternehmensziele transparent machen: So treten Sie mit externen und internen Kunden in den Dialog) wird deshalb ausführlich beschrieben wie die Kommunikation mit internen und externen Kunden im Dialog erfolgen kann.
Im sechsten Kapitel (Presse- und Medienarbeit – Ein wichtiges Instrument der Öffentlichkeitsarbeit) wird die Öffentlichkeitsarbeit noch einmal aufgegriffen und vertieft. Dies erfolgt auch anhand von Spezialgebieten wie z. B. der professionellen Reaktion von Krankenhäusern auf Krisen und dem Medientraining.
Ebenfalls zur Kommunikationspolitik gehört die im siebten Kapitel (Werbung im Gesundheitswesen: Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gibt es) beschriebene Werbung. Hier geht die Autorin insbesondere auf die wichtigen Gesetze (z.B. Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, Heilmittelwerbegesetz) ein. Als Produktpolitik könnten das fünfte und siebte Kapitel verstanden werden.
Im fünften Kapitel geht es um die Markenpolitik (Krankenhäuser müssen Profil zeigen: Auf dem Weg zur Marke), wo beispielsweise der Mehrwert der Marke, die Markenbildung im Krankenhaus und die Corporate Identity diskutiert werden.
Im achten Kapitel (Marketing: Welche Möglichkeiten das Qualitätsmanagement bietet) hingegen werden die Möglichkeiten des Qualitätsmanagement für das Marketing diskutiert, wobei hier sowohl der Produktaspekt als auch der Kommunikationsaspekt beleuchtet werden.
Im neunten Kapitel (Marktanteile sichern: Wie Krankenhäuser sich für die Zukunft rüsten können) diskutieren die Autorinnen die zahlreichen Herausforderungen, denen Krankenhäuser sich ausgesetzt sehen, und schlagen Nischenstrategien vor, mit denen Krankenhäuser auch in Zukunft relativ konkurrenzarm ihr Marktsegment finden und ihr eigenes Profil leben können. Sie bezeichnen dies als Blue Ocean-Theorie und führen hierfür Beispiele (Berliner Klinik für Minimal Invasive Chirurgie) an. Ob dies tatsächlich für alle Krankenhäuser eine adäquate Strategie ist, bleibt fraglich. Das Suchen nach einer zukunftsgerichteten Vision ist jedoch ein wichtiger Auftrag, der klar aus den Ausführungen hervorgeht.
Im letzten Kapitel werden so genannte „Sieben Managementregeln: Was bei der Einführung von Marketing im Krankenhaus wichtig ist“ aufgestellt. In diesen Regeln beziehen sich die Autorinnen auf Daming (1980) und fordern
- Nachhaltige Geschäftspolitik schaffen und neue Denkweisen übernehmen.
- Andauernde Verbesserungen anstreben.
- Motivierende Führung und ein furchtfreies Arbeitsklima schaffen.
- Keine internen Schranken zulassen.
- Erfolgserlebnisse wertschätzen.
- Mitarbeiterförderung auf allen Ebenen.
- Aufbruch in neue Horizonte.
Die Autorinnen versuchen aufzuzeigen, welche Bedeutung das Marketing für die Umsetzung dieser Regeln hat.
Fazit
Das vorliegende Buch mit dem Titel „Marketing als Strategie im Krankenhaus“ ist kompetent und umfassend für den Krankenhauspraktiker geschrieben, der sich in den Bereich der Kommunikationspolitik des Krankenhauses einarbeiten möchte. Für eine tiefgehende Analyse des Krankenhausmarketings fehlt sowohl durchgehen der Theoriebezug als auch eine umfassende Abhandlung des Themas Marketing. Beispielsweise gehen die Autorinnen implizit von einer Situation starker Krankenhauskonkurrenz aus. Dies ist für die Arbeitsstelle der Zweitautorin völlig richtig, trifft jedoch auf eine nicht geringe Anzahl gerade von kleinen Krankenhäusern in Deutschland so nicht zu. Hier wäre beispielsweise eine ausführliche Diskussion der Distributionspolitik, z. B. unter Verwendung der Standortplanung oder auch der Telemedizin, von großer Bedeutung für das Krankenhausmarketing. Diese Aspekte werden vollständig vernachlässigt. Ebenso fehlt die Preispolitik, die zwar für die Kassenleistungen nicht relevant, jedoch gerade im Bereich der Sekundärleistung eines Krankenhauses von zunehmender Bedeutung ist. Ein etwas fokussierter Titel wäre folglich angemessen gewesen, z.B. „Kommunikationspolitik im Krankenhaus als strategisches Instrument“. Weiterhin hätte eine Rückführung auf die grundlegenden Theorien des Marketings dem Buch wissenschaftliche Fundierung verliehen und insbesondere die Überbetonung der Kommunikationspolitik vermieden. Trotzdem ist das Buch vollständig all denjenigen zu empfehlen, die gerade den Bereich der Kommunikationspolitik vertiefen möchten.
Rezension von
Prof. Dr. Steffen Fleßa
Universität Greifswald, Department of Health Care Management
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