Martin Gessmann (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch
Rezensiert von Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer, 16.11.2009

Martin Gessmann (Hrsg.): Philosophisches Wörterbuch. Alfred Kröner Verlag (Stuttgart) 2009. 864 Seiten. ISBN 978-3-520-01323-1. 49,90 EUR. CH: 80,90 sFr.
Von der Wiege bis zur Bahre – immer wieder ein neuer Anfang
Wenn ein wissenschaftliches Wörterbuch auf eine fast 100jährige Geschichte zurück geführt werden, muss etwas dran sein an dem Versuch, ein Wissens- und Forschungsgebiet wie der Philosophie in kompetenten und charakterisierenden Artikeln in einem Band darzustellen, gewissermaßen „die Einordnung der Gegenstände in die Kontexte, in denen sie wichtig und bedenkenswert sind“, vorzunehmen; mit dem Anspruch, in dem Wissensgebiet der Philosophie, das spätestens seit der Jahrtausendwende durch neue Tendenzen und Akzente erweitert und verändert wurde – z. B. durch die Medizinethik, Filmtheorie und die Neurophilosophie – gewissermaßen einen „Neuanfang“ zu postulieren. Der Privatdozent an der Universität Heidelberg und Fellow des Heidelberger Marsilius-Kollegs, Martin Gessmann, ist dieses Wagnis eingegangen; sicherlich eine Anforderung, die er nicht alleine, sondern im Team mit weiteren Autorinnen und Autoren und nur über eine längere Zeitspanne leisten konnte.
Die Kunst, Wörterbücher zu verfassen, besteht ja zum einen darin, ein Stichwort, einen Gegenstand oder ein Wissensgebiet so prägnant und stimmig zu formulieren, dass der Benutzer dies logisch begreifen kann; zum anderen natürlich auch in der Fähigkeit, dies in notwendigen knappen Beiträgen auszudrücken. Besonders für das Wissenschaftsgebiet der Philosophie gilt das, was als die philosophische Kernfrage betrachtet wird:
- „Was ist der Mensch?“
Und mit den Kantischen Fragen –
- „Was kann ich wissen?“,
- „Was soll ich tun?“,
- „Was darf ich hoffen?“ –
wird an die Grundfesten menschlichen Daseins gerüttelt. Dabei ist klar, dass diese existentielle Auseinandersetzung nicht auf eine einzige wissenschaftliche Linie gebracht werden kann, wie etwa Fragen zum naturwissenschaftlichen Denken, sondern die vielfältigen Formen lassen sich zurückführen auf die Prüfung kritischer Auffassungen und das immer wieder erneut Infragestellen von so genannten Gewissheiten und Wahrheiten.
Inhalt
Es sind die zahlreichen, in den Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte entstandenen Theoriebildungen, Denkrichtungen und Erklärungsversuche, von den Vorsokratikern bis zur Diskursethik des heutigen philosophischen Denkens, die die rund 2.200 Stichworte und Begriffserklärungen erforderlich machen. Es wäre verwunderlich und eigentlich auch ganz unphilosophisch, würde die Suche nach Begrifflichkeiten mit dem Philosophischen Wörterbuch erschöpfend beantwortet werden können. Für den „Wahrheitssuchenden“ werden sich auch immer wieder Lücken auftun, die ein Wörterbuch nicht füllen kann. So bleiben z. B. weiße Flecken, wenn es um die Kritik der philosophischen Kritik geht, der so genannten anti-philosophischen Wende innerhalb der Philosophie. Hier sucht der interessierte Sucher vergeblich nach dem Begriff „Anti-Philosophie“ (vgl. dazu die Rezension des Buches von Boris Groys, Einführung in die Anti-Philosophie, Hanser Verlag 2009): freilich helfen dabei die im Wörterbuch jeweils zu den einzelnen Stichworten aufgeführten Literaturangaben.
Zielgruppe und Fazit
Das Philosophische Wörterbuch ist in erster Linie für SchülerInnen, StudentInnen, DozentInnen und Freunde der Philosophie geschrieben, als Nachschlagewerk und Handwerkszeug für philosophisches Denken. Die Umsetzung in praktisches, alltägliches, gesellschaftliches und politisches Handeln, etwa im Sinne des aristotelischen zôon politikon und des zôon logon echon, eines politischen, sprach- und vernunftbegabten Lebewesens, bleibt dem Individuum überlassen. Das umfangreiche Philosophische Wörterbuch gehört in die Schul-, Universitäts- und öffentlichen Bibliotheken, „um dem Leser das zu bieten, was noch keine Suchmaschine und kein anonymer Algorithmus leisten kann“, nämlich die Kontextuierung der Zusammenhänge, die ein eu zên, die Führung eines guten Lebens, ausmachen.
Rezension von
Dipl.-Päd. Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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