Maud Hietzge , Nils Neuber (Hrsg.): Schulinterne Evaluation
Rezensiert von Prof. em Hanne Bestvater, 31.12.2009
Maud Hietzge , Nils Neuber (Hrsg.): Schulinterne Evaluation. Impulse zur Selbstvergewisserung aus sportpädagogischer Perspektive.
Schneider Verlag Hohengehren
(Baltmannsweiler) 2009.
286 Seiten.
ISBN 978-3-8340-0531-1.
19,80 EUR.
CH: 34,60 sFr.
Reihe: Bewegungspädagogik - Band 5.
AutorInnen
Im vorliegenden Werk werden 24 Beiträge von 32 (Nachwuchs-)WissenschaftlerInnen und Lehrbeauftragten überwiegend von deutschen Universitäten veröffentlicht. Ein Schulleiter und ein Ausbilder für SportlehrerInnen aus den Niederlanden berichten ergänzend von einzelnen Projekten, wie dem des Kultusministeriums „Bewegte, gesunde Schule“ in Niedersachsen.
Entstehungshintergrund
Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper bettet im Vorwort die Beiträge in eine Diskussion ein, die 2005 auf dem zweiten Weltgipfel zum Schulsport in Magglingen, Schweiz, eröffnet wurde. Regierungen und Fachleute des Schulsports wurden aufgerufen „Effektivität und Qualität des Schulsports zu intensivieren“ (S. 9).
Aufbau
Einleitend klären Maud Hietzge von der PH Freiburg i. Brsg. und Andreas Balthasar (Leiter Interface) aus Luzern Begriffe und beziehen Evaluation auf Schule.
Im zweiten einleitenden Beitrag verbinden Nils Neuber (Universität Münster) und Maud Hietzge die Qualitätsdiskussion mit Schulsport und mit der Ausbildung von Lehrpersonen und stellen den fachlichen roten Faden des Buchs ausführlich dar: Die drei zentralen Kapitel sollen zuerst „auf den Sport herunter gebrochenes Wissen über gelingende Evaluation (sechs Beiträge), dann „wichtige Kristallisationspunkte der aktuellen schulpädagogischen Diskussion“ (acht Beiträge) vermitteln.
In acht Beiträgen des letzten Kapitels soll diskutiert werden, was die Schule insgesamt von der Bewegungspädagogik lernen kann.
Inhalt
In der Einleitung sprechen sich Maud Hietzge und Andreas Balthasar dafür aus, dass „die interne Wirkung [einer schulinternen Evaluation] an der Einzelschule höher wiegt, als die Verwechslung mit einem kausalitätsbezogenen Steuerungsinstrument, für das die Voraussetzungen fehlen“. Sie betonen, dass es darauf ankommt, an der Schule eine Feedback-Kultur entstehen zu lassen (S. 25). Diese Botschaft wird mit einer pointierten Illustration untermauert: “Bitte keine (weiteren) Datenfriedhöfe erzeugen!“
Im ersten Kapitel diskutiert Georg Friedrich mit einem methodischen Beitrag über die wissenschaftliche Güte schulinterne Evaluation und erörtert das Instrument der Schülerbefragung (S. 41). Ludwig Schmoll stellt eine Schülerbefragung für „kleine Spiele“ vor, exemplarisch für Völkerball (S. 50). Danach thematisieren Vera Volkmann und Peter Frei die Bedeutung guter Kommunikation im Kollegium für das Gelingen von schulischer Qualitätsentwicklung. Darauf folgt ein Bericht über ein Qualitätsentwicklungsprojekt von Sportunterricht mit Hilfe kollegialer Visitation (S. 65; Harry Stegeman und Guus Klein Lankhorst) und Berichterstellung nach Unterrichtshospitationen. Ulf Gebken und Frank Nickel berichten über ein Forschungsprojekt, das ein Team an einer Schule mit ausserschulischen Sportanbietern im Stadtteil durchführt (Move Projekt) und dessen Bedeutung für Sportunterricht und Lehrerbildung (S. 80). Claus Buhren beschliesst das Kapitel mit einem Beitrag über die Möglichkeiten, offenen Unterricht zu evaluieren (S. 87).
Das zweite Kapitel mit „Stimmen der allgemeinen Pädagogik“ wird von Rolf Wiedenbauers (S. 96) Beitrag eröffnet. Schulen benötigen in ihrem Changeprozess weg von den herkömmlichen „Ermöglichungsstrategien“ hin zu aktuellen „Anforderungsstrategien“ Unterstützung, z.B. durch Regionale Bildungsbüros. Kirsten Schroeter offeriert ein Spektrum methodischer Möglichkeiten für schulinterne Evaluation, das auf den drei Hauptdatenerhebungsformen Beobachtung, Inhaltsanalyse und Befragung beruht (S.104). Auf einem ähnlich allgemeinen Niveau ist der Beitrag von Marco Petrucci und Markus Wirtz (S. 116) zu qualitativen und quantitativen Methoden angesiedelt. Katharina Maag Merki diskutiert kritisch die Beurteilbarkeit von Kompetenzen (S. 128) ähnlich wie Alfred Holzbrecher (S. 139), der die Leistungsbeurteilung in der Schule beleuchtet. Beides sind zentrale Aufgaben von Schule. Jan Henses Beitrag (S. 147) listet für die evaluierenden Personen Möglichkeiten auf, Evaluationskompetenzen zu erwerben. Ute Massler, Jan Henning, Rolf Plötzner und Peter Huppertz (S. 161) erinnern an die Methode des Videos zur Förderung der reflexiven Kompetenzen von Lehrenden und berichten über neue empirische Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Videofeedback. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Untersuchung über den Einsatz von Interviews als Instrument in Schulinspektion, die sich Schulentwicklung als Ziel setzt (S. 174; Maike Lambrecht).
Im dritten Kapitel, das den Blick vom Sport ausgehend auf Schule lenken soll, werden mit konkreterem Bezug zu (bewegter)Schule Forschungsergebnisse und Erfahrungsberichte referiert. Maud Hietzge (S. 185) behandelt die Wiederentdeckung des Videos als visuelles Feedbackverfahren in verschiedenen Settings der Schulentwicklung bis hin zu Auditverfahren. Mit dem Fokus auf eine „Bewegte Schule“ berichtet Hermann Städtler (S. 195) über den Prozess der Einführung eines Schulprogramms und über die Ergebnisse einer Befragung, wie die an das Programm anschliessende Schulinspektion bewertet wird. Fokussierter auf Sport berichtet Mathias Schierz über Evaluationserfahrungen in einer Schule, an der ein Sporttalentförderprojekt entwickelt wurde (S. 206). Daran an schliesst sich der Bericht von Ralf Laging und Cordula Stobbe über die Erfahrungen beim Einsatz des qualitativen Instruments „Schulportrait“ bei der Evaluation von bewegungsorientierten Ganztagsschulen (S. 215). Norbert Fessler und Jörg Thiele betten in ihren beiden Beiträgen die Diskussion um Qualität des Schulsports in die allgemeinere Schulqualitätsdiskussion ein, die andere Studien ausgelöst haben wie die PISA- Studie, die Lesestudie IGLU, die DESI-Studie (Deutsch Englisch Schülerleistungen International) und die Ergebnisse der Schulsportstudie SPRINT. Sie kontrastieren die Bemühungen um Bewegte Schule mit den Bestrebungen, den Schulsport outzusourcen, an Fachverbände und Vereine zu übergeben (S. 236) und der Schwierigkeit pädagogische Qualität im ausserunterrichtlichen Sport zu erzeugen und zu evaluieren. Jörg Thiele plädiert für die Standards des Joint Committee for Educational Evaluation zur Einhaltung von guter Qualität der Evaluationen selbst (S. 251). Mechthild Schütte, Michael Kellmann und Nils Neuber berichten Ergebnisse einer Evaluation an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr Universität Bochum, bei der ein Fragebogen zur Evaluation von Praxisveranstaltungen der universitären Lehre im Sport eingesetzt wurde. Sven Körner beschliesst das Buch mit kritischer Reflexion über Evaluation: „Für die Sportpädagogik besteht das Risiko […] in Zeiten der Evaluation von allem und jedem an den eigenen Ankündigungen und Ansprüchen gemessen und zu guter Letzt für zu leicht befunden zu werden“ (S. 275).
Diskussion
Ein wesentliches Merkmal des Buchs ist häufiger Wechsel: Bewegt sich das erste Kapitel noch mit Ausnahmen nahe am Sport, verlassen einige Beiträge im zweiten Kapitel gänzlich den Bezugspunkt Sport und Schule um beim dritten Kapitel wieder dort zu anzukommen. Darüber hinaus fokussieren manche AutorInnen auf das System einer Schule, manche auf Unterricht und wiederum andere auf Lehrpersonen oder auf Erhebungsinstrumente. Einige Beiträge legen den Schwerpunkt auf methodologische Fragen, andere sind eher Erfahrungsberichte.
Dieser Wechsel macht das Buch einerseits vielfältig und anregend und zur Fundgrube für verschiedene Interessen – sowohl solche eher wissenschaftlicher, forschender Natur als auch für solche von (an Evaluation interessierten) Lehrenden, die sich einen Einblick verschaffen wollen. Andererseits sind manche Beiträge so allgemein gehalten, dass es schwer fällt, den Kontakt zur Sportpädagogik her- und den Transfer vorzustellen.
Manche Zuordnung eines Beitrags zu einem Kapitel erscheint etwas willkürlich und nicht immer sofort nachvollziehbar. Dadurch, dass die gliedernden Kapitelüberschriften des Inhaltsverzeichnisses im Text nicht wieder aufgenommen werden, verstärkt sich dieser Eindruck.
Fazit
Durch die Vielfalt der 24 Beiträge, die entweder einen Einblick in die aktuelle Diskussion um schulinterne Evaluation gewähren, methodische Fragen diskutieren oder einzelne Evaluationsprojekte für Sportunterricht oder Ausbildung von SportlehrerInnen umreissen, kann sich ein interessiertes Fachpublikum updaten. Dass aus der Diskussion ein „How to do Buch“ für SportlehrerInnen für schulinterne Evaluation erwächst, wird wohl noch einige Arbeit und Zeit erfordern.
Das Buch wird somit dem Anspruch gerecht, den Nils Neuber und Maud Hietzge formulieren, dass es „erste Impulse zur Selbstvergewisserung“ geben soll (S. 36).
Rezension von
Prof. em Hanne Bestvater
selbständige Beraterin zu Wissenschaftsmanagement/Third Space an Hochschulen; zuletzt Leiterin Zentrum Ausbildung an der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik, Zürich
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Es gibt 10 Rezensionen von Hanne Bestvater.
Zitiervorschlag
Hanne Bestvater. Rezension vom 31.12.2009 zu:
Maud Hietzge , Nils Neuber (Hrsg.): Schulinterne Evaluation. Impulse zur Selbstvergewisserung aus sportpädagogischer Perspektive. Schneider Verlag Hohengehren
(Baltmannsweiler) 2009.
ISBN 978-3-8340-0531-1.
Reihe: Bewegungspädagogik - Band 5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8484.php, Datum des Zugriffs 16.01.2025.
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