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Tessa Debus, Regina Kreide et al. (Hrsg.): FrauenMenschenrechte

Rezensiert von Prof. Dr. rer. pol. Gülcan Akkaya, 16.08.2010

Cover Tessa Debus, Regina Kreide et al. (Hrsg.): FrauenMenschenrechte ISBN 978-3-89974-536-8

Tessa Debus, Regina Kreide, Michael Krennerich, Heiner Bielefeldt, Regina-Maria Dackweiler et al. (Hrsg.): FrauenMenschenrechte. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2009. 200 Seiten. ISBN 978-3-89974-536-8. 15,40 EUR.
Zeitschrift für Menschenrechte, Jahrgang 3.

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Thema

Aus unterschiedlichen Blickwinkeln widmet sich das Buch ausgewählten Aspekten des Themas FrauenMenschenrechte.

AutorInnen

Heiner Bielefeldt (Prof. Dr. phil.) war von 2003 bis 2009 Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. Seit September 2009 ist er Professor für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Andrea Maihofer (Prof. Dr. phil.) ist Leiterin des Zentrums für Gender Studies an der Universität Basel.

Regina-Maria Dackweiler (Prof. Dr. phil.) ist Sozialwissenschaftlerin an der Fachhochschule Wiesbaden.

Micheal Krennerich (Dr. phil.) Institut für Politische Wissenschaft, Universität Erlangen-Nürnberg; ist Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrums, Sprecher der AG Entwicklung und Menschenrechte im "Forum Menschenrechte“.

Entstehungshintergrund

Die Zeitschrift für Menschenrechte, ein Magazin, welches zu einer Kultur interdisziplinärer Kommunikation beitragen will, hat die Ausgabe 3/2009 dem Thema FrauenMenschenrechte gewidmet.

Aufbau

Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift für Menschenrechte widmet sich mit unterschiedlichen Perspektiven ausgewählten Aspekten des Themas "FrauenMenschenrechte". Gemein ist allen Artikeln die Annahme, dass Frauen weltweit noch vielfältigen Diskriminierungen ausgesetzt sind. Die Veröffentlichung gliedert sich in sechs Artikel sowie einen Beitrag zum Hintergrund, Forum, Tour d’Horizon sowie Literatur.

1. Heiner Bielefleldt: Frauenrechte im Menschenrechtsdiskurs. Eine Skizze konzeptioneller Entwicklungen.

2. Andrea Maihofer: Dialektik der Aufklärung. Die Entstehung der modernen Gleichheitsidee des Diskurses der qualitativen Geschlechterdifferenz und der Rassentheorien.

3. Regina-Maria Dackweiler: Frauenrechte sind Menschenrechte: Transnationale Frauenbewegungspolitik zwischen Erfolgsgeschichte und Rückschlägen.

4. Michael Krennerich: Frauen ins Parlament! Wahlsysteme und Frauenquoten im Fokus.

5. Rita Schäfer: Frauenrechte und Frauen-Rechtsorganisationen in Südafrika.

6. Jean-Paul Lehners: Gleich, aber doch verschieden? Ein Beitrag zur Frage der Frauenrechte am Ende des 18. Jahrhunderts am Beispiel Olympe de Gouges.

7. Hintergrund:

  • Thomas Hoffmann: Menschenrechte, Demokratie und globale Gerechtigkeit: Das Selbstverständnis der liberalen Entschuldigung.
  • Theodor Rathgeber: Deutschlands Menschenrechtslage auf dem Prüfstand der UNO. Die Universal Periodic Review im UNO-Menschenrechtsrat.

8. Wettbewerb:

  • Carolin König: Sicherheit durch Menschenrechte oder Sicherheit statt Menschenrechte? Der Kampf des Sicherheitsrates gegen den Terrorismus.

9. Forum:

  • Deutschland vor dem UN-Frauenrechtsausschuss. Ein Gespräch mit den Frauenrechtlerinnnen Marion Böker, Katja Rodi, Kim Schicklang und Lucie Veith.

10. Tour d’Horizon:

  • Uta Ruppert: FrauenMenschenrechte in der internationalen Politik

11. Buchbesprechungen:

  • Anthony C. Grayling: Freiheit, die wir meinen. Wie die Menschenrechte erkämpft wurden und warum der Westen heute seine Grundwerte gefährdet (von Jonas Henze)
  • Robert Kagan: Die Demokratie und ihre Feinde. Wer gestaltet die neue Weltordnung? (von Karsten Malowitz)

Inhalt

Exemplarisch werden die Artikel von Heiner Bielefeldt, Andrea Maihofer, Regina-Maria Dackweiler, Michael Krennerich vorgestellt.

In seinem Artikel „Frauenrechte im Menschenrechtsdiskurs“ skizziert Heiner Bielefeldt die konzeptionelle Entwicklung der Frauenrechte im Menschenrechtsdiskurs. Die Weiterentwicklung der Frauenrechte erläutert er anhand des Artikels 5a der internationalen Konvention zur Abschaffung aller Formen der Diskriminierung der Frau von 1979. Dazu greift er vier Aspekte auf: die Bekämpfung von Geschlechterstereotypen, die Ausweitung der menschenrechtlichen Erfahrungsräume, das komplexe Verständnis staatlicher Gewährleistungsfunktionen und die Weiterentwicklung des Gleichheitsdiskurses. Anhand von Beispielen verschiedener Weltreligionen und Kulturen zeigt der Autor Geschlechterstereotypen auf, die die Entfaltungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten von Frauen begrenzen. Der normative Universalismus bewähre sich vor allem darin, dass er Raum für die Artikulation von ganz unterschiedlichen Erfahrungen strukturellen Unrechts biete und daraus politisch rechtliche Konsequenzen ziehe. Heute spricht man von den staatlichen Pflichten zur Achtung, zum Schutz und zur Gewährleistung der Menschenrechte. Diese Dreiteilung der Verpflichtungsebenen habe sich in der Menschenrechtsdiskussion durchgesetzt. Da die geforderte Gleichberechtigung der Geschlechter zwar formal, aber nicht real erreicht worden sei, habe sich der Gleichheitsdiskurs weiterentwickeln müssen, um zum Beispiel auch indirekte und strukturelle Diskriminierung zu thematisieren. Die Geschichte der Frauenbewegung prägte den Menschenrechtsdiskurs massgeblich mit, aber es bestehe kein Grund zu Selbstzufriedenheit. Nach wie vor gebe es Gewaltpraktiken, Massenvergewaltigungen, gezielte Abtreibungen weiblicher Föten, Genitalverstümmelungen, Zwangsverheiratungen, Verweigerung von Bildungsrechten für Mädchen.

In ihrem Artikel „Dialektik der Aufklärung“ thematisiert Andrea Maihofer die Entstehung der modernen Gleichheitsidee, des Diskurses der qualitativen Geschlechterdifferenz und der Rassentheorien. In einem historischen Abriss illustriert die Autorin, wie sich die ambivalente Dynamik des modernen Gleichheitsdiskurses, in dem Gleichheit in Ungleichheit und Anerkennung in Ausgrenzung umschlagen, bereits im 18. Jahrhundert erkennen lässt. Die Autorin zeigt, wie eng im modernen bürgerlichen Verständnis von Gleichheit die Garantie von Gleichheit und ihr dialektischer Umschlag in Ungleichheit und Ausgrenzung miteinander verbunden sind. Mit Montesquieu und Lessing greift sie die Idee der Gleichheit auf und zeigt, wie im Akt der Selbstvergewisserung der bürgerlichen Moderne der Fremde, der Andere, der Jude, der Muslim, etc., der diese rationalen Einsichten nicht teilt, konstruiert wird. Gegenüber dem Gleichsein als Mensch, mit gleicher Vernunft und Würde, gleicher Einsicht in die universellen Prinzipien der Vernunft werden die individuellen Verschiedenheiten sekundär. Werde der Mensch jedoch als Jude, Muslim oder Frau wichtiger als sein Menschsein, führe dies fast unweigerlich zur Ausgrenzung. Damit finde keine Anerkennung in der Verschiedenheit, sondern in Absehung von dieser statt.

Regina-Maria Dackweiler beschreibt in ihrem Beitrag „Frauenrechte sind Menschenrechte“, dass seit Mitte der 1990er Jahre eine wachsende Anerkennung gegenüber Frauenrechten im Internationalen Menschenrechtsdiskurs zu beobachten sei und damit auch das internationale Interesse an der Gleichstellung von Frauen auf politischer, ökonomischer sozialer und kulturellen Ebene gestiegen sei. Ein wichtiger Schritt war 1993 die Verurteilung der Gewalt gegen Frauen als Menschenrechtsverletzung auf der Konferenz der Vereinten Nationen. Das 1993 von der internationalen Frauenbewegung wesentlich mitgestaltete Abschlussdokument von Wien sowie die UNO-Deklaration zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen wurde für die weltweite Frauenbewegung zum Bezugspunkt für nationale Gesetzgebungen sowie ihrer Forderungen nach staatlicher finanzieller Unterstützung von Interventions- und Präventionsstrategien. Dackweiler zeigt neben der Darlegung der verschiedenen Erklärungen, Dokumente und Spezialabkommen der UNO auf, dass kulturelle, religiöse und traditionelle Argumente oft genutzt werden, um Herrschaftsinteressen zu schützen und die Menschenrechte der Frauen einzuschränken. Seit 2001 sei aber auch der umgekehrte Fall zu beklagen. Die Menschenrechte von Frauen werden in instrumentalisierender Weise herangezogen, um etwa militärische Einsätze in Afghanistan mit Verweis auf die Befreiung der unterdrückten Frauen und Mädchen zu legitimieren.

Michael Krennerich analysiert in seinem Beitrag „Frauen ins Parlament!“ die Gleichberechtigung der Geschlechter im politischen und öffentlichen Leben. Das ratifizierte UNO-Übereinkommen über die Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW) verpflichtet die Staaten Massnahmen zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen zu ergreifen und die gleichberichtigte Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben zu gewährleisten. Krennerich kommt zu dem Schluss das selbst etablierte Demokratien trotz jahrzehntelanger Kämpfe für Emanzipation und Gleichberechtigung männlich dominiert seien. Nach wie vor bestehe in den meisten Staaten eine ausgeprägte nummerische Unterrepräsentation von Frauen in der Politik. Dies gelte auch für die 47 Mitgliedstaaten des Europarates. Von sehr unterschiedlichen Faktoren werde der Anteil der Frauen im Parlament bestimmt. Änderungen des Wahlsystems oder die Einführung der Frauenquote werden diskutiert.

Im Forum-Teil der Ausgabe diskutieren die Frauenrechtlerinnen Marion Böker, Katja Rodi, Kim Shicklang und Lucie Veith Deutschland vor dem UN-Frauenrechtsausschuss.

Diskussion

Durch die verschiedenen Zugänge der Autorinnen und Autoren wird ein differenzierter und kritischer Einblick in die Thematik FrauenMenschenrechte gegeben. Die verschiedenen Artikel können für die Lehre und die Diskussion um FrauenMenschenrechte genutzt werden. Sie liefern einen Beitrag zum aktuellen Diskurs der Menschenrechte, sind inhaltlich sehr gehaltvoll und zeugen von hoher Qualität.

Die Beiträge sind in einer Sprache verfasst, die auch für interessierte Laien problemlos nachvollziehbar ist.

Fazit

Unter dem Thema FrauenMenschenrechte diskutieren die Autorinnen und Autoren die Frauenrechte, die Gleichheitsidee im Menschenrechtsdiskurs und in der Politik sowie die historische Entwicklung der FrauenMenschenrechte. Die historischen, politischen, sozialen, kulturellen und

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen werden berücksichtigt und damit die aktuelle Lage der Frauen aufgezeigt. Die verschiedenen Instrumente und Mechanismen der Vereinten Nationen zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frauen werden ausführlich beschrieben. Diese Ausgabe Zeitschrift für Menschenrechte bietet eine gute Grundlage zur Auseinandersetzung mit dem Thema FrauenMenschenrechte.

Rezension von
Prof. Dr. rer. pol. Gülcan Akkaya
M.A. Social Work and Human Rights, Diplom-Sozialarbeiterin, Dozentin & Projektleiterin an der Hochschule Luzern-Soziale Arbeit
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Es gibt 5 Rezensionen von Gülcan Akkaya.

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Zitiervorschlag
Gülcan Akkaya. Rezension vom 16.08.2010 zu: Tessa Debus, Regina Kreide, Michael Krennerich, Heiner Bielefeldt, Regina-Maria Dackweiler et al. (Hrsg.): FrauenMenschenrechte. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2009. ISBN 978-3-89974-536-8. Zeitschrift für Menschenrechte, Jahrgang 3. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8538.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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