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Frank Kleemann, Uwe Krähnke u.a.: Interpretative Sozialforschung

Rezensiert von Prof. Dr. Gregor Husi, 09.01.2010

Cover Frank Kleemann, Uwe Krähnke u.a.: Interpretative Sozialforschung ISBN 978-3-531-15233-2

Frank Kleemann, Uwe Krähnke, Ingo Matuschek: Interpretative Sozialforschung. Eine praxisorientierte Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2009. 240 Seiten. ISBN 978-3-531-15233-2. 24,90 EUR.
Reihe: Lehrbuch.

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Thema

Es fällt nicht leicht, den Überblick über die mittlerweile zahlreichen qualitativen Interpretationsverfahren, die meist noch in mehreren Varianten existieren, zu bewahren. Die Qual der Wahl besteht nicht nur in Bezug auf die Verfahren, sondern auch hinsichtlich der Publikationen, die sich der verschiedenen Methoden annehmen, sei es als Sammelbände oder Monografien, und die Forschungspraxis anleiten wollen. Hilfreich ist angesichts dessen eine Veröffentlichung, die nicht nur einzelne Methoden beschreibt, sondern auch den Methodenvergleich ermöglicht und praktische Übungen bereit hält.

AutorIn oder HerausgeberIn

Dr. Frank Kleemann, Dr. Uwe Krähnke und Dr. Ingo Matuschek arbeiten am Institut für Soziologie der TU Chemnitz.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist im Rahmen von Lehrveranstaltungen entstanden und hat Ratschläge von Studierenden und Postgraduierten verarbeitet.

Aufbau

Im einleitenden Teil des Buches werden Grundlagen der interpretativen Sozialforschung erörtert.

Den Hauptteil des Buches bilden vier Kapitel zu wohlbekannten Methoden interpretativer Sozialforschung. Es sind dies:

  • Konversationsanalyse (Ethnomethodologie)
  • Narrationsanalyse (Schütze)
  • Objektive Hermeneutik (Oevermann)
  • Dokumentarische Methode (Mannheim, Bohnsack)

Im folgenden Kapitel loten die Autoren die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vier Methoden aus.

Zum Schluss folgt eine Anwendung der vier Methoden auf eine weitere Methode qualitativer Forschung, nämlich auf das Leitfadeninterview.

Ein Glossar erleichtert im Anhang die begriffliche Orientierung.

Inhalt

Zu den erklärten Grundlagen zählen wichtige methodologische Aspekte qualitativer Forschungen. Angesprochen werden unter anderem Sinnstrukturen verschiedener Art, Konstruktionen ersten und zweiten Grades, Offenheit als Grundhaltung, die Analysestrategien der sequenziell-formalanalytischen Interpretation und des abduktiven Schliessens, theoretisches Sampling und Fallvergleich. Da es vorab um textförmige Daten geht, finden sich zudem Hinweise zur Transkription.

Die vier hauptsächlichen Kapitel im Umfang von je rund 30-50 Seiten zu den ausgewählten Methoden folgen stets demselben Aufbau:

  1. Forschungsprogramm
  2. Methodische Vorgehensweise
  3. Anwendungsfelder und exemplarische Studien
  4. Nutzen und Grenzen der Methode
  5. Zusammenfassung
  6. Literaturverzeichnis

Die Methoden werden anhand von Fallbeispielen erläutert. Überdies werden Übungsaufgaben gestellt, deren Lösungen sich auf einer beigelegten CD befinden.

Aus dem Vergleich der besprochenen Methoden leiten die Verfasser drei Grundmodi des Interpretierens ab. Das sind:

  • die formalsprachliche Analyse
  • die gedankenexperimentelle Wortlaut- und Kontextvariation
  • der empirische Vergleich von Textsequenzen

Die Begleit-CD enthält vielfältige Arbeitsmaterialien, so neben Beispiellösungen bearbeitbare Interviewtranskripte sowie Mitschnitte von Interviews und von Interpretationssitzungen.

Diskussion

Es liegen mittlerweile zahlreiche deutschsprachige Veröffentlichungen zu den qualitativen Forschungsmethoden vor. Die rezensierte Publikation ragt aus ihnen darum heraus, weil sie didaktisch sehr gut aufgebaut ist, wichtige theoretische Hintergründe erhellt, in praktischer Hinsicht konkret anleitet und mit Beispielen Anschauung liefert sowie zum Üben auffordert. Dabei wird alles mit sehr befriedigender Kompetenz dargeboten. Der Umfang der Darlegungen ist gut gewählt, gehen sie weder zu sehr ins Detail noch bleiben sie zu oberflächlich. Umfassende Literaturhinweise helfen bei weiteren Erkundungen. Sie machen auch deutlich, dass die Debatten über die einzelnen Methoden zuweilen schon recht verzweigt sind.

«Das Lehrbuch hat zwei Hauptziele: Es will für Leserinnen und Leser mit geringen Vorkenntnissen einen Zugang zu interpretativen Methoden eröffnen und zugleich eine Einführung in die Praxis des Interpretierens textförmiger Daten bieten» (S. 9). Das vorliegende Buch, das sich ausdrücklich an Studierende und Postgraduierte mit Grundkenntnissen in qualitativer Sozialforschung richtet, erreicht dieses selbst gesetzte Ziel sehr gut.

Fazit

Die sehr empfehlenswerte Publikation gibt einen didaktisch wohl überlegten und inhaltlich präzisen Überblick über vier bekannte Methoden interpretativer Sozialforschung, der die Forschungspraxis gut anzuleiten vermag. Diese Darstellung wird abgerundet durch nützliche Erläuterungen der Grundlagen interpretativer Sozialforschung, einen Methodenvergleich sowie der Optionen, die sich Leitfadeninterviews bieten, wenn sie im Lichte der diskutierten vier Methoden erweitert werden.

Rezension von
Prof. Dr. Gregor Husi
Professor an der Hochschule Luzern (Schweiz). Ko-Autor von „Der Geist des Demokratismus – Modernisierung als Verwirklichung von Freiheit, Gleichheit und Sicherheit“. Aktuelle Publikation (zusammen mit Simone Villiger): „Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziokulturelle Animation“ (http://interact.hslu.ch)
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Es gibt 41 Rezensionen von Gregor Husi.

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Zitiervorschlag
Gregor Husi. Rezension vom 09.01.2010 zu: Frank Kleemann, Uwe Krähnke, Ingo Matuschek: Interpretative Sozialforschung. Eine praxisorientierte Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2009. ISBN 978-3-531-15233-2. Reihe: Lehrbuch. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/8643.php, Datum des Zugriffs 31.05.2023.


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